können.“ Er nickte nachdrücklich und holte dann das Seil ein, welches er akkurat in Schlaufen legte, während Amscha mit dem Speer auf der Schulter herankam. Sie schaute mich mit schmalen Augen an.
„Dass du in den Treibsand getreten bist, mag ich kaum glauben“, sagte sie kühl. „Einem Spurenleser wie dir hätte das eigentlich nicht widerfahren dürfen.“
Halef schnaufte. „Es war doch noch dunkel!“, rief er; und dass er mir zur Verteidigung beisprang, war mir ebenso peinsam wie Amschas Anklage. Ich schalt mich ja selbst, und konnte doch – zur weiteren Erläuterung meines Fehltritts, so man ihn als solchen bezeichnen wollte – kaum den magischen Blick mittels des Musaddas angeben. Meine Gefährten, außer Amscha, wussten nun davon, doch änderte dies kaum etwas daran, dass ich unbedacht gehandelt hatte.
Haschim hatte kurz den Untergrund hinter uns betrachtet. Auch ich hatte bemerkt, dass hier tatsächlich der Boden so beschaffen war, dass er wie Treibsand wirken mochte.
„Die Verfehlung liegt bei mir“, verkündete Haschim. „Ich suchte diese Stelle unbedacht aus, für meine eigene Morgenhandlung. Ich bin kein so kluger Spurenleser wie Kara Ben Nemsi.“ Er senkte den Kopf gegenüber Amscha. „Und er kam durch glücklichen Zufall zu Hilfe, bevor ich zu rufen vermochte. Auch wenn ich ihn noch nicht so lange kenne, wie ihr anderen ihn kennt, so scheine ich doch eine innere Verbindung mit ihm zu haben.“
Amscha schaute streng. „Ja, ihr beiden ähnelt euch wohl in manchen Dingen.“ Sie setzte den Speerschaft auf einen Stein zu ihren Füßen, sodass der Dscherid vor ihr stand und ihre Gestalt scheinbar in zwei Seiten teilte. „Aber wenn ihr gleichermaßen ungeschickt handelt, dass ich – dass wir euch retten müssen, dann ist dies nicht hilfreich für unsere Aufgabe. Und noch weniger hilfreich für Halef.“ Dann klopfte sie mit dem Speerschaft auf den Stein, hob den Dscherid wie in einem Salut ein wenig empor und ging dann den Hang hinauf. „Es ist Zeit, dass wir aufbrechen“, sagte sie, ohne zurückzublicken.
Sir David schaute mich betroffen an. „Das Blut wird sich wohl nie abkühlen, wenn wir die Tage mit solchem Aufruhr beginnen. Ich werde Lady Amscha erinnern, dass wir vor der Reise speisen sollten. Vielleicht tut auch eine cup-of-tea ihr wohl – so wie mir.“
Dann nickte er, wohl mehr zu sich selbst, und folgte Amscha.
Halef biss sich auf die Unterlippe. „Ach, Sihdi …“
„Es tut mir leid, Halef. Ich hoffe, Amscha wird so gerecht sein, dass sie kommende Erfolge, die wir erreichen mögen, dir ebenso anrechnet.“
„Wer weiß, Sihdi“, sagte Halef mit einem Blick gen Himmel. Aber dann schaute er mich ernst an. „Ich will dich nicht schelten und meine Schmach zu der deinen machen – aber nun sage mir einmal den Grund, warum du in diesen verwünschten Rimal Muttarikah, diesen treibenden Sand, geraten bist!“ Er schnaufte und hob die Hand. „Edler Haschim“, begann er, „haltet mich nicht für ungerecht oder feige gegenüber Eurer Person. Aber wie meine Hamat Amscha sagte, so trifft die größere Schuld für diese Sache doch meinen Sihdi! Der sollte doch wissen, was er tut!“
Ich schwieg für einen Herzschlag betreten. Halef hatte zum ersten Mal für Amscha nicht die Bezeichnung Mutter gewählt, sondern eben jenes Wort, das für so manchen Ehemann und Gatten ein Schreckensbegriff ist, ganz im Gegensatz zum gleichgebildeten Begriff des Schwiegervaters.
Als ich dann antworten wollte, ergriff stattdessen Haschim das Wort. „Meine Bitte an dich mag ungewöhnlich sein, Halef. Aber schildere mir doch, was du und die anderen gesehen habt.“
Halef zwinkerte verblüfft. „Ja, ihr beide stecktet bis zur Brust im Treibsand und wir warfen euch das Seil zu, nachdem der Sihdi gerufen hatte.“
Haschim deutete über die Schulter, dorthin, wo sich die Sonne über den Horizont erhoben hatte, und dann wieder nach vorn zum Hang des Hügels. „Ihr habt in die Richtung des Sonnenaufgangs geschaut?“
„Ja, es war just der Augenblick, als das erste Licht aufschien. Es blendete ein wenig.“
„Es blendete sogar sehr, nicht wahr?“
Halef reckte sich. „Aber ihr beide wart gut genug zu sehen. Ich habe das Ende des Seils genau geworfen. So, wie der Sihdi es mir oft geschildert hat, wie er mit seinem al-lassu im Wilad Wasit Steppentiere und Bösewichte gefangen hat! Nur ohne die Schlinge daran, den Knoten kann ich nicht.“ Er zappelte ein wenig.
„Alles ist gut, Halef“, meinte ich und begriff, auf was Haschim hinauswollte. „Halef, es ist so, dass wir beide nicht wirklich im Treibsand steckten. Wir waren – an einem anderen Ort.“
Haschim gab ein kurzes Brummen von sich. „Nun, das ist nicht ganz zutreffend, Kara Ben Nemsi.“
Halef nickte. „Eben. Ich habe euch gesehen, trotz Sonnenblendung!“
Ich seufzte und deutete auf den Musaddas, der mir nun vor der Brust hing, da sich die Lederschnur während unserer Befreiung gelockert hatte.
Halef hob die Brauen. „Ach so! Ihr habt im Sand gesteckt, aber für euch hat es anders ausgesehen!“
Haschim öffnete die Hand in gebender Geste. „Richtig. Und zudem steckten nur unsere Körper im Sand, unser Geist war an jenem anderen Ort.“
„Wie sah der aus?“, fragte Halef, gleichsam neugierig und besorgt.
„Wie der Schott Dscherid“, erklärte ich, „der große Salzsee in Tunesien, den wir beide so gut kennen. Oder eben Erinnerungen daran haben, weil dort unser erstes großes Abenteuer begann, als wir den ermordeten Paul Galingré fanden, was uns schließlich auf die Spur des Schut führte. Zum ersten Mal immerhin.“
Ich seufzte, sah Halefs bitteres Nicken und sprach dann weiter. „Doch jener andere Ort war kein Salzsee, sondern ein Salzsumpf, mit mehr Wasserflächen und toten, dürren Bäumen darin. Es gab Nebel und grauen Himmel, Halef, es war wie in einem finsteren Traum.“
„Dann war es ein Traum, in dem ihr gesteckt habt, und nicht nur im Sand? Aber wer hat euch den Traum geschickt?“
Haschim nickte. „Das hast du gut erkannt, Halef. Dein Sihdi und ich sind nicht schlaftrunken oder im Morgendunkel unbedacht in den tatsächlichen Treibsand geschritten. Es war eine Falle! Aufgestellt für mich.“
„Jemand hat den Treibsand gemacht?“, fragte Halef zweifelnd. „So eine Verschwendung von Wasser!“
„Nein, Halef“, lächelte Haschim, „wenngleich ich mir vorstellen kann, dass manche eine solche Sandfalle aufstellen könnten. Diese hier war nicht mit Wasser gemacht, sondern mit Zauber gewirkt.“ Er atmete tief und schaute Halef an. „Es ist wohl so, dass nicht nur du, Halef, in Dauha unbedacht gehandelt und damit üble Dinge ausgelöst hast. Auch ich habe ungewollte Aufmerksamkeit auf mich gezogen, als ich meinerseits meine Kunst und Kraft angewendet habe, um das eine oder andere …“
Ich musste Haschim unterbrechen, da ich begriff, wie er wiederum meine eigene Schuld auf sich nahm. Dass Haschim in Dauha einen Zauber wirken oder zumindest handeln musste, wie es nur ein Magier verstand, und sich deshalb zu erkennen gegeben hatte, war ihm aufgezwungen worden. Ich hatte unwissend mit harmlos wirkenden Gegenständen hantiert, die ich bei dem von uns gefangenen Mann gefunden hatte, welcher bei den Sklavenhändlern dafür gesorgt hatte, dass die bedauernswerten Frauen wehrlos waren und an der Flucht gehindert wurden, durch einen Bann, welcher ihre Seelen an jene des Hexers kettete. Ich hatte die Münzen und Holzstäbchen und dergleichen beim Durchsuchen nach am Körper versteckten Waffen gefunden – und nichts verspürt, was mich gewarnt hätte. Schließlich war mir seit meinem Duell mit Al-Kadir jene Gabe verliehen, Magie und Zauber zu spüren – jedoch wohl nicht stets oder bei allen Dingen, wie ich bei dieser Gelegenheit von Haschim hatte erfahren müssen. Mein Ungeschick war dem Hexer fast zum Verhängnis geworden, Haschim hatte diesen retten und die Gegenstände unschädlich machen müssen. Die Spuren dieses knappen Rituals oder die Nachwirkungen des Geschehens, das ich ausgelöst hatte, mussten wohl andere Magiekundige erkannt haben, die mit den Sklavenhändlern zusammenarbeiteten.
„Haschim, es war mein Fehler, die Gegenstände