Alexander Röder

Auf der Spur der Sklavenjäger


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      Welch Unsinn! Ein Scheik, ein Bedu, ein Deutscher und ein Brite, Letzterer in graues Karo gekleidet. Wie konnte eine Gruppe uns ähneln!

      „Sprich keinen Unfug!“

      Der Mann hob beteuernd die Hände, eine offen, eine geschlossen, mit der Münze darin. „Sie waren gut gekleidet, angemessen für die Reise und auch sehr entschlossen. Grimmig und wortkarg. Wie es sich für gute Menschen geziemt, die Verbrecher jagen!“

      Diese Worte schmerzten mich, denn sie hielten mir einen Spiegel vor, in den ich besser nicht hatte schauen wollen, wenngleich ich den Anblick doch selbst geahnt hatte. „Wie viele waren es?“

      „Vier, wie ihr! Und sie ähnelten euch! Einer war klein, einer dünn, und einer hatte den gleichen ehrfurchtsgebietenden Anschein wie der dritte Eurer Gefährten, etwas das ich selten sehe, aber sogleich erkenne! Aber der wichtigste Mann, der Anführer, der war so stark und kühn wie Ihr, wenngleich er schon Grau im Bart trug, während der Eure noch prächtig …“

      „Schmeichle mir nicht!“

      „Verzeiht, Herr!“

      „Es waren also nur vier?“

      „Vier in diesem Haus. Ob noch weitere bei ihnen waren, weiß ich nicht.“

      „Sie waren also an besagtem Tag hier. Und reisten nach Norden.“

      „Ja. Ich habe alles gesagt, was ich weiß.“

      Mehr würde ich also nicht erfahren.

      „Gut. Dann teile dein Bakschisch gerecht mit deiner Frau dort hinten, aber halte dich künftig mit deiner Neugierde und deiner Rede zurück. Und bring uns das gewünschte Brot.“

      Damit ließ ich ihn in dem schäbigen Hinterhof stehen und ging wieder hinein.

      Meinen Gefährten sagte ich noch nichts von meiner neuen Kenntnis. Ich wollte sie vor dem Schlaf nicht aufwühlen. Und vor allem Halef nicht in Gewissensnöte bringen. Denn wie konnte ich ihn an seine törichte Prahlerei in Dauha erinnern, die vielleicht zum Angriff auf die Haddedihn geführt hatte, wenn ich doch nichts Genaues wusste? Gewiss suchten Vertraute von Abu Kurbatsch nach Halef und seinen Beduinen. Doch hatten sie diese bereits gefunden und erreicht? Selbst wenn ich berechnet hatte, dass dies möglich gewesen wäre, so vermochten vier Männer doch nicht das große Lager der Haddedihn so zu zerstören, wie wir es im Spiegelstein geschaut hatten. War es also doch der Angriff eines anderen Stammes gewesen? Die Haddedihn hatten in der Dschesireh einen guten Stand, ihrer Stammesgröße wegen, was davon rührte, dass sie die Ateibeh in sich aufgenommen hatten. Und so waren kleinere Stämme ihnen tributpflichtig. Diese mochten auch den Wohlstand neiden, den die Haddedihn mit ihrer Kamelwolle und vor allem der herausragenden Pferdezucht erreicht hatten. Konnte ein neuer Anführer eines kleineren Stammes gewagt haben, gegen sie aufzubegehren?

      Wenn ich diese Möglichkeit außer Acht ließe und allein einen Angriff der Sklavenhändler verkündete, so würde Halef hin- und hergerissen sein, zwischen dem Drang, seine Familie und seinen Stamm aufzusuchen und sich ihres trotz des Angriffs erhofften Wohlergehens zu versichern – und dem Drang, sogleich die Verbrecher zu jagen, indem wir uns mit ihrer Beschreibung versehen auf die Spur setzten, gleich wie jene es mit Halef getan hatten.

      Wie konnte ich Halef da noch enthüllen, dass er verleumderisch als Verbrecher gesucht wurde, gewissermaßen einer Blutrache unterworfen war? Es wäre besser, wenn er dies nicht wüsste.

      Aber eine weitere Sache hatte ich noch im Hinterkopf, die mir an den Worten des Ältlichen aufgefallen war. Diese wollte ich mit Haschim besprechen, doch das würde warten müssen bis zur geeigneten Zeit. Denn mich selbst machte der Gedanke schaudern, dass es hier nicht allein um Kämpfe unter Beduinenstämmen oder um Rache von Sklavenhändlern gehen mochte, sondern dass sich auch erneut die finstere Seite des magischen Orients offenbaren könnte.

       Zweites Kapitel

       Der Schmerz der Haddedihn

      Die Rückkehr in die Dschesireh, in die Gefilde und Weidegründe der Haddedihn, ist mir stets eine Freude gewesen. Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Besuch, damals allerdings noch ohne die tieferen Verbindungen zu diesem Stamm, welche mir aus dem gemeinsam ausgefochtenen Befreiungskampf und schließlich auch der engen Freundschaft zu Halef und dessen Aufnahme in jene Gemeinschaft erwuchsen. Ich war damals, vor fünf Jahren, mit Sir David durch diese Gegend geritten, den ich erst kurz zuvor durch eigentümliche und glückhafte Fügungen in Maskat am Golf von Oman getroffen und der mir auf seinem Dampfboot eine Passage den Golf hinauf, bis zum Tigris durch den Schatt-el-Arab, gewährt hatte, mit Landgang in Basra. Von Basra aus waren wir dann zu Pferd in unser erstes gemeinsames Abenteuer aufgebrochen, so wie ein weiteres vor einem Jahr ebenfalls in Basra seinen Anfang genommen hatte, an dessen Ende wiederum die Reise zu den Haddedihn stand, mit der jungen Djamila, auf dem Weg in die Arme ihrer verlorenen und wiedergefundenen Familie.

      Was waren diese Reisen doch heiter gewesen, nicht allein vom Zustand des Gemüts her betrachtet, sondern auch von jenem der Umgebung. Damals hatte die Steppe geblüht, jeder Hufschlag der Pferde hatte den Wohlgeruch der Blumen aufgewirbelt, die als buntfarbiger Teppich den Grund bedeckten. Dies war jenes Gefilde, das der Araber als Merdsch kennt, so wie der Afrikaner seine Savanne und der Amerikaner seine Prärie. Und doch wirken diese Wiesen der Dschesireh um so vieles prächtiger, wenn sie den Reisenden empfangen – nach den vom Sandsturm durchtosten, von tödlichem Licht versengten Wüsten – und sich die zerklüfteten und verschmachteten toten Flussläufe der Wadis ebenso zurückgezogen haben wie die tückischen wandernden Dünen aus stechend heißem Sand.

      Gewiss herrscht ein ähnlicher Gegensatz zwischen den Wüsten Amerikas und Afrikas und den jeweiligen Graslanden, und in Asien ist es kaum anders bestellt. Doch man bedenke, dass die Düfte und Wohlgerüche Arabiens sprichwörtlich sind, und nicht von ungefähr auch die kleinste Blüte einen besonderen Zauber verströmt, zudem wenn man über sie hinweg zu lieben, vertrauten Menschen reitet.

      Doch hier und heute war die Merdsch verblüht. Ein trübes Licht ergoss sich über die faden Gräser, aus denen sich nurmehr die farblosen Überreste der einst so herrlichen Blüten matt erhoben. Dumpf klangen unsere Hufe, nur Staub wölkte empor, kein Duft nach Leben, sondern allein der Dunst von Verderbnis und Tod. Mich hätte es kaum verwundert, wenn sich in dieser trostlosen Steppe auch noch eine wüstenhafte Fata Morgana gezeigt hätte, um uns mit einem Trugbild zu narren und zu verhöhnen.

      Wir wussten nicht genau, was uns im Duar, im Lager der Haddedihn, erwartete, auch wenn der Spiegelstein uns einen Anschein gezeigt hatte.

      Endlich kamen wir heran und sahen die ersten Zelte der Haddedihn in der Ferne. Ich war froh, dass keine Rauchschwaden von ihnen gen Himmel stiegen, wenngleich der Gedanke töricht war. Denn jeglichen Brand, der durch den Überfall entstanden war, hatte man doch längst erstickt und gelöscht.

      Auch sahen wir die Herden der Schafe und Kamele als Gruppen niederer heller und aufragender dunkler Flecke, die sich grasend bewegten. Warum nur hatte ich mir in unruhigen Träumen den blutbedeckten Grund mit Kadavern jener Tiere übersät vorgestellt, wie das Schlachtfeld eines Menschenkrieges am Tag nach dem scheußlichen Morden? Die Tiere wären doch bei einem Angriff – ob durch feindliche Beduinen oder rächende Sklavenhändler – wohl eher gestohlen oder vertrieben worden oder eben vor dem Aufruhr geflohen!

      Dennoch erkannte ich, dass die Herden ausgedünnt waren, und auch wenn mich meine Erinnerung täuschen mochte, so sagte mir ein rascher Blick zu Halef, dass ich Recht hatte.

      Als wir uns näherten, zerstob ein weiterer Angsttraum und mit ihm das furchtbare Bild des Spiegelsteins. Denn die Zelte waren nicht länger umgestoßen, in sich zusammengefallen oder gar verbrannt. Sie standen wieder so stolz und aufrecht wie ihre Bewohner – denn alle Zerstörung war von jenen eifrig getilgt worden. In der Zeit zwischen dem Überfall und unserer Ankunft hatten die Haddedihn die Zelte wiedererrichtet, die verbrannten durch neue ersetzt – denn wer wollte schon in Trümmern leben, wo die Erinnerung schmerzlich genug war. Gewiss sah