erst hinter die Kulissen blickte.«
»Du bist halt an einen geraten, der mit allen Wassern gewaschen war und genau wußte, wie er es anfangen mußte. Es hat ihm gefallen, daß du ihn angehimmelt hast. Als du eigene Ansichten hattest und nicht mehr alles hingenommen hast, zeigte er sein wahres Gesicht. Ich habe doch gehört, wie er sich mit Paul unterhalten hat. Aber lassen wir das vergessen sein. Du bist noch jung genug, um ein neues Leben zu beginnen. Ich wünsche dir von Herzen, daß du glücklich sein kannst in diesem Leben. Du hast es verdient, Jessi.«
*
»Es klang gar nicht so weit weg, wie ich mit Mummy geredet habe, Julian«, sagte Laura nachdenklich.
Ihr gefiel der Name Julian sehr, und ihm gefiel es, wie sie ihn aussprach.
»Das Telefon ist eine feine Sache, da rückt man ganz eng zusammen«, sagte er, »aber nun sind wir ja bald vereint.«
Für ihn hatte das eine ganz besondere Bedeutung. Er wollte Laura schon auf seine Pläne einstimmen.
»Wo werden wir wohnen?« fragte die Kleine.
»Das müssen wir noch mit deiner Mummy besprechen.«
»Nehmen wir unsere Sachen mit?«
»Wir kaufen lieber neue, denke ich.«
Sie nickte. »Mir ist sowieso das meiste zu klein. Komme ich dann auch in die Schule?«
»Sicher kommst du in die Schule.«
»Ich kann aber noch nicht gut deutsch sprechen, nur das, was Mummy mit mir redet.«
»Das wirst du lernen. Du kannst auch in eine internationale Schule gehen, da sind Kinder aus verschiedenen Nationen, auch aus Frankreich und England, sogar aus Japan.«
»Hast du eigentlich Kinder, Julian?« fragte sie plötzlich.
»Nein.«
»Auch keine Frau?«
»Auch nicht.«
»Hattest du nie eine?«
Das war eine Gewissensfrage. »Ich war nie verheiratet.«
»Dad hatte noch eine Frau, die heißt Audrey, aber die konnte mich nicht leiden. Wo ist er jetzt eigentlich?«
»Weit weg.« Er wollte ihr doch nicht sagen, daß er im Gefängnis war.
»Aber er darf mich nicht wieder mitnehmen?«
»Nein, das darf er nicht. Wollen wir jetzt einkaufen gehen, Laura? Du brauchst ein paar Sachen. In Deutschland ist es nicht so warm wie hier.«
»Geben wir meine Sachen, die zu klein sind, armen Kindern, die nichts anzuziehen haben, Julian? Mummy hat das immer gemacht.«
»Sie wird ja bald hier sein, und wir werden das besprechen. Morgen holen wir sie in Los Angeles ab.«
»Ich freue mich ja so.« Sie drückte ihre Wange an seine Hand.
»Ich habe dich auch lieb, Julian, weil du mich wieder zu meiner Mummy bringst.«
»Das macht mich sehr glücklich, Laura«, sagte er zärtlich.
»Und Mummy soll nun nie wieder weinen.«
»Dafür werden wir sorgen, mein Schatz.«
Sie gingen Hand in Hand durch die Straßen, der große Mann und das kleine Mädchen.
Für ihn war es ein wundervolles Gefühl, daß sie sich so an ihm festhielt.
»Meinst du, ob Kim schon ein Baby hat?« fragte sie plötzlich.
»So schnell geht das nicht, Laura.«
»Ich hätte es auch gern, daß wir noch ein Baby haben, ich bin doch jetzt schon groß, und Babys sind sehr niedlich. Findest du nicht auch?«
»Mir gefällt es, mit dir zusammenzusein, weil wir uns schon so gut unterhalten können.«
Ihre Augen strahlten ihn an. »Das finde ich auch so schön. Hoffentlich versteht sich Mummy auch so gut mit dir.«
»Ja, das hoffe ich auch.«
*
Jessica hatte sich nur telefonisch von den Nordens verabschiedet, aber mit dem Versprechen, daß sie bald ein fröhliches Wiedersehen feiern würden.
»Jetzt ist Jessica schon über den Wolken«, sagte Fee.
»Da ist der Himmel ganz nah«, sagte Anneka. »Fliegen wir auch mal wieder?«
»Wir könnten lieber mal eine Schiffsreise machen«, sagte Danny.
»Da wird es uns bloß schlecht«, warf Felix ein. »Jürgen hat erzählt, daß es ihm die ganze Zeit schlecht war, als sie die Kreuzfahrt gemacht haben, und hinterher mußte er am Blinddarm operiert werden.«
»Deswegen wird ihm schlecht gewesen sein«, sagte Daniel. »Aber am Meer finde ich es schöner, als auf dem Meer. Nächstes Jahr fahren wir an die Nordsee, die Luft wird euch gut bekommen.«
»Da ist das Wasser aber kalt«, meinte Danny.
»Da sind auch Swimmingpools und sogar mit Meerwasser.« Felix war sehr gut informiert. Er hörte sich bei seinen Schulfreunden um, aber die meisten fuhren nach Italien.
Fee und Daniel fuhren am liebsten zur Insel der Hoffnung. Das war nicht weit, und mit fünf Kindern zu reisen war nicht das reinste Vergnügen. Außerdem mußte auch Lenni dabeisein. Sie war nicht zum Fliegen zu bewegen.
Jessica schwebte über den Wolken und war dem Himmel ganz nah, jedenfalls mit ihren Gefühlen, mit der Vorfreude, dem Glück, das auf sie wartete. Wenn sie es auch noch nicht wahrhaben wollte, so war in ihrem Herzen doch schon so ein bißchen Hoffnung, daß auch Julian Vorfreude empfinden mochte.
Laura war schon ganz aufgeregt. Julian hatte ihr ein neues Kleid gekauft, das sie wunderschön fand. Sie sah auch ganz bezaubernd darin aus. Neue Schuhe hatte sie auch bekommen. Lange vor Ankunft des Flugzeuges in Los Angeles waren sie schon am Airport.
»Mummy wird doch bestimmt in dem Flugzeug sein«, flüsterte Laura, als die Zeit nun naherrückte.
Julian nickte nur. Hoffentlich ist nichts dazwischengekommen, dachte er, aber vorsichtshalber erkundigte er sich, ob die Maschine auch pünktlich gestartet sei. Man beruhigte ihn. Es war auch keine Verspätung angesagt. Aber die letzte Viertelstunde wollte überhaupt nicht vergehen. Und endlich, endlich war es soweit.
Für Jessica war es genauso aufregend gewesen, und sie war froh, als sie wieder Boden unter den Füßen spürte. Endlich entdeckte sie dann auch Julian. Er hob Laura hoch empor, damit sie ihre Mummy gleich sehen konnte, und dann lagen sie sich in den Armen in grenzenloser Freude. Während Jessica Laura küßte, spürte sie Julians warme Lippen auf ihrer Schläfe. Ihr wurde ganz schwindelig vor Glück.
»Jetzt sind wir vereint«, sagte Laura, »das hat Julian gesagt. Er ist so lieb, Mummy, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Wir können uns gut unterhalten, das hat er auch gesagt. Und ich kann soviel fragen, wie ich will, er gibt mir immer eine Antwort.«
»Das ist wirklich sehr lieb«, sagte Jessica. »Ich muß mich ganz herzlich bei ihm bedanken.«
»Du kannst ihm ruhig auch einen Kuß geben, ich habe nichts dagegen«, lachte Laura.
»Das heben wir uns auf«, half ihr Julian aus der Verlegenheit, aber in seinen Augen tanzten tausend Teufelchen.
»Das Kleid und die Schuhe hat mir Julian gekauft. Ich bin sehr gewachsen, findest du doch auch?«
Jessica konnte den Blick nicht von ihr wenden. Sie hatte sich so sehr nach dieser Stunde gesehnt! Sie konnte ihr Kind wieder in den Armen halten, und endlich wich auch die letzte Angst.
»Wir werden die Formalitäten so schnell wie möglich erledigen«, sagte Julian, »und dann fliegen wir heim.«
»Ich weiß, was Formalitäten sind. Julian hat es mir erklärt. Da mußt du Papiere unterschreiben,