sie zurück.
Laura nickte und kuschelte sich in seinen Arm. »Ich freue mich ja so, daß wir vereint sind«, murmelte sie.
*
Als Laura eingeschlafen war, hatte Jessica endlich Gelegenheit, Julian das zu sagen, was sie auf dem Herzen hatte.
»Bitte, gib Laura nicht in allem nach, Julian. Für sie ist alles so selbstverständlich, mir ist das ein bißchen unheimlich.«
»Es soll für dich auch selbstverständlich werden, Liebes«, erwiderte er weich. »Ich weiß, daß du erst Abstand gewinnen mußt, aber überlaß es doch der Kleinen, für uns zu planen. Sie macht es schon richtig.«
»Du faßt es nicht falsch auf? Du darfst nicht denken, daß ich ihr etwas einrede.«
»Setz dich jetzt mal an meine andere Seite, Jessi. Ich kann ja nicht aufstehen, sonst wird Laura wach. Aber ich möchte mich nicht dauernd über ihren Kopf hinweg mit dir unterhalten…«
Jessicas Herz klopfte wieder heftiger, als sie sich neben ihn setzte.
Er schob gleich den Arm unter ihren Nacken.
»Mir wäre es recht, wenn du mir gegenüber auch so unbefangen wärst wie Laura«, sagte er. »Wir gehören doch zusammen, das dürfte auch dir klargeworden sein.«
»Es ist aber noch nicht lange her, daß wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Es ist auch zu bedenken, unter welchen Umständen wir uns kennengelernt haben. Was mußt du für einen Eindruck von mir gehabt haben?«
»Das kann ich dir gleich sagen. Ich dachte, was ist das für eine Frau! Wie konnte sie nur an Santorro geraten? Ich wußte nämlich eine ganze Menge über ihn, und es wäre gar nicht verwunderlich gewesen, wenn er dich zum Wahnsinn getrieben hätte.«
»Das hat er ja nicht geschafft, aber es war schlimm genug.«
»Du wirst es vergessen. Ich werde alles tun, damit dieses Kapitel in deinem Leben völlig ausgelöscht wird.«
»Meinst du, daß das möglich ist?«
»Wir beginnen doch ein neues Leben, Jessi. Ich liebe dich.«
Das hatte Victor damals auch gesagt, aber wie anders sprach Julian diese drei Worte aus. Und nun küßte er sie, lange und sehnsüchtig, voller Zärtlichkeit und Hingabe. Zum ersten Mal küßte er sie so, und alles wurde dadurch anders.
»Du hast mich gerettet«, flüsterte sie nach langen, glückerfüllten Minuten. »Du hast mich aus einer dunklen Tiefe wieder ins Licht gezogen, Julian. Ich weiß nicht, wie ich es je wiedergutmachen kann.«
»Du brauchst mich nur zu lieben und immer bei mir zu bleiben. Ich gebe zu, daß ich nicht sicher war, ob es gutgehen könnte, Jessica. Es ging soviel von Laura ab. Wenn sie mich abgelehnt hätte, wenn ihr Vater eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen würde, dann wäre es sicher nicht so gutgegangen, aber sie hat mich im Sturm erobert.«
»Du sie aber auch. Ich hätte das auch nicht gedacht. Sie wurde soviel hin und her gerissen, aufgehetzt gegen mich. Es war damals nicht einfach, ihr die Ängste zu nehmen. Sie wußte auch dann nicht, wohin sie eigentlich gehörte, wenngleich sie nicht mehr gern mit Victor ging. Ich komme ja wieder, Mummy, sagte sie immer, aber dann kam sie nicht zurück zur rechten Zeit, und ich mußte fürchten, daß ich sie für immer verloren hätte.«
»Aber nun wirst du sie für immer behalten.«
Er küßte sie wieder. »Wir werden sie behalten. Es heißt jetzt nur noch wir.«
Welch ein wundervolles Glück war es, sich so anlehnen zu können. Ihretwegen hätte der Flug noch viel länger dauern können, denn es bedurfte keiner Worte, ihre Gefühle füreinander auszudrücken.
*
München präsentierte sich in seinem freundlichsten Gesicht, als sie zur Landung ansetzten. Laura hatte bis eine Stunde zuvor geschlafen. Aber nun war sie putzmunter und schaute aus dem Fenster, als die Maschine immer tiefere Kreise zog.
»Es ist eine große Stadt mit vielen Türmen«, sagte sie, »wohnen wir da mitten drin?«
»Nein, wir werden außerhalb wohnen«, erklärte Julian.
»Kann man das von hier aus sehen?«
»Nicht genau, aber schau mal dort hinunter, wo der große Wald ist, nicht weit vom See werden wir wohnen.«
»Es sieht alles noch weit aus«, meinte Laura. »Ich bin sehr gespannt, wann wir endlich dort sind.«
»Sei nicht ungeduldig«, sagte Jessica. Fragend sah sie dann Julian an.
»Ich hatte noch keine Pläne, wo wir uns niederlassen. Vorerst müßten wir noch im Hotel wohnen.«
»Das kommt gar nicht in Frage. Ihr kommt gleich mit zu mir. Es ist genug Platz, und Hanna weiß Bescheid.«
Er hatte schon einmal beiläufig erwähnt, daß Hanna eine entfernte Verwandte sei, die ihm den Haushalt führte und daß er dann noch Ricardo, das Faktotum für Haus und Garten hätte.
»Wir können da doch nicht so einfach hereinplatzen«, meinte Jessica.
»Tut ihr doch nicht. Ihr seid bereits angemeldet.«
»Du denkst an alles«, sagte sie bewundernd.
»Ich denke vor allem an dich und Laura«, erwiderte er.
Es war sehr aufregend für das Kind, als sie dann draußen von Ricardo und einer großen Limousine empfangen wurden.
Ricardo, in seinen besten Anzug gekleidet, machte eine tiefe Verbeugung vor Jessica, und Laura machte einen Knicks, als er seinen Namen nannte. »Ich bin Laura«, sagte sie.
Als sie dann nach ziemlich langer Fahrt vor einem wunderschönen, an einem grünen Hang gelegenen Haus hielten, klatschte sie begeistert in die Hände.
»Das ist wie ein Schloß im Märchen«, sagte sie andächtig. »Hier darf ich wohnen?«
»Ja, hier wohnen wir«, erwiderte Julian, und dann kam Hanna, grauhaarig, rundlich, Freundlichkeit ausstrahlend, die herzgewinnend war.
»Herzlich willkommen«, sagte sie, und ihre blauen Augen leuchteten auf, als Jessica ihr die Hand reichte.
»Guten Tag«, sagte Laura, die ihre Deutschkenntnisse gleich einsetzte. Sie hatte schon einiges gelernt und war sehr stolz darauf.
Es kam auch Jessica tatsächlich wie im Märchen vor.
Das Haus hatte eine andere Atmosphäre, als der supermoderne Bungalow in Beverly Hills, und die Einrichtung erinnerte sie an ihr Elternhaus.
»In diesem Haus bin ich zur Welt gekommen«, erklärte Julian. »Meine Eltern leben seit Jahren in der Toscana. Wir werden sie bald einmal besuchen. Ich war sehr froh, daß Hanna bei mir geblieben ist.«
Laura war schon mit Hanna zum oberen Stockwerk gegangen, um sich ihr künftiges Reich anzuschauen.
»Du hast deine Eltern noch gar nicht erwähnt, Julian«, sagte Jessica beklommen.
»Ich wollte Laura nicht verwirren. Ich denke, es ist besser, wenn ich ihr alles nacheinander erzähle.«
Jessica konnte sich nur immer wieder wundern, was er alles bedachte. Es stimmte ja, daß sehr viel auf Laura einstürmte, und es war jetzt eine völlig neue Welt, die sich ihr auftat.
Mit Hanna und Ricardo war sie gleich vertraut, und die konnten natürlich diesem bezaubernden kleinen Mädchen nicht widerstehen, mochten sie vorher auch noch so skeptisch gewesen sein, daß Julian eine Frau mit einem Kind ins Haus brachte, nachdem er sich vorher nie zu einer festen Bindung hatte entschließen können.
Plötzlich hatte er eine richtige Familie, und auch das schien Hanna und Ricardo gleich selbstverständlich zu sein.
»Wir werden natürlich noch einiges verändern müssen, Jessi«, meinte er. »Du kannst sagen, wie du das Haus eingerichtet haben möchtest. Für Laura brauchen wir ein richtiges Kinderzimmer,