Patricia Vandenberg

Dr. Norden Extra Staffel 1 – Arztroman


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an Margareta Lengfelds Bett. Sie atmete mühsam.

      »Seien Sie ganz ruhig, Frau Lengfeld, es wird schon wieder werden.«

      Frau Lengfeld lächelte nun.

      »Danke, Herr Doktor, wenn ich... wenn ich…«

      Dr. Norden nahm ihre Hand.

      »Es liegt alles in meinem Schreibtisch, Testament, Dokumente, würden Sie sich darum kümmern? Ich wüßte niemanden, den ich sonst darum bitten könnte.«

      »Natürlich, Frau Lengfeld, aber nun gibt Dr. Behnisch Ihnen eine Spritze, Sie werden gut schlafen können und dann wird es Ihnen wieder bessergehen.«

      Tatsächlich entspannte sich ihr Gesicht, und sie schlief ein. Dr. Behnisch überprüfte die Infusion, dann gingen sie leise hinaus.

      »Danke, daß du gekommen bist.«

      »Ist doch kein Thema.«

      »Vielleicht erholt sie sich doch noch, sie sah jetzt viel besser aus, als vor einer Stunde. Heute ist ein trauriger Tag. Henriette von Ahlen ist gestorben.«

      »In dieser Familie gibt es viel Unglück«, meinte Daniel, der die von Ahlens kannte. Vor zwei Jahren Leon und jetzt die Mutter.«

      Dr. Behnisch nickte. »Eine seltsame Familie.«

      Daniel verabschiedete sich, und Dr. Behnisch ging in sein Zimmer, in dem Johann von Ahlen auf ihn wartete.

      Mit unbewegtem Gesicht stand Johann von Ahlen vor Dr. Behnisch, straff und ungebeugt. Soeben hatte ihm der Arzt erklären müssen, daß seine Frau an Herzversagen gestorben war. Johann von Ahlen legte großen Wert auf die Feststellung, daß es in seiner Familie noch nie eine unstandesgemäße Heirat gegeben hatte. Er wollte sich jetzt schon gar nicht daran erinnern, daß erst sein jüngerer Sohn Leon mit der Tradition gebrochen hatte. Leichtfertig, unüberlegt und skrupellos… so wenigstens war die Meinung des Freiherrn von Ahlen.

      Kann diesen Mann denn gar nichts erschüttern? dachte Dieter Behnisch. Kann er sich so beherrschen? Oder hat er kein Herz, keine Seele? Die hellen grauen Augen blickten ihn kühl an, und vielleicht konnte ihm Johann von Ahlen vom Gesicht ablesen, was er dachte. Er sagte tatsächlich etwas, aber über diese Worte erschrak Dr. Behnisch noch mehr.

      »Nun hat Leon auch sie auf dem Gewissen. Sie hat ihn so geliebt.«

      Seine Stimme klang tonlos. Dr. Behnisch mußte erst den aufsteigenden Groll hinunterschlucken, bevor er etwas erwidern konnte.

      »Ihr Sohn lebt auch nicht mehr«, sagte er.

      »Der Tod löscht nicht alles aus. Er hat uns genug angetan. Was soll darüber noch gesprochen werden? Ich will Ihnen auch nicht Ihre kostbare Zeit rauben. Ich bedanke mich für das, was Sie für meine Frau getan haben.«

      »Wenn Sie sie noch einmal sehen wollen…« Dr. Behnisch hielt inne, denn der andere schüttelte schon den Kopf.

      »Hanno war ja sicher bei ihr«, sagte er.

      »Er ist noch bei seiner Mutter«, stellte Dr. Behnisch mit deutlich vorwurfsvollem Unterton fest.

      »Das genügt. Er wird mir auch die Formalitäten abnehmen. Ich darf mich verabschieden!«

      Dieter Behnisch hatte nichts dagegen. Ihm lief fast die Galle über, so herzlos fand er diesen Mann.

      Als Ahlen gegangen war, dachte er, daß seine Frau wohl nicht mehr hatte leben wollen. Sie hatte sich nicht gewehrt gegen das Sterben. Sie hatte den Tod als einen Freund

      erwartet, und das hatte sie auch gesagt.

      Hanno von Ahlen saß noch am Sterbebett seiner Mutter. Jetzt war ihr feines Gesicht still und friedlich. Er betrachtete es mit Wehmut.

      Du hast zuviel Liebe an Leon verschwendet, Mama, dachte er. Er hat es dir nicht gedankt. Aber vielleicht hätte es dir geholfen, wenn du sein Kind hättest um dich haben können. Warum hast du dich nur nicht aufgelehnt gegen Vater? Warum hast du nie gewagt, ihm zu widersprechen?

      Er streichelte noch einmal ihre gefalteten Hände, dann erhob er sich. Auch sein Gesicht war nun verschlossen, aber ihm sah man den Schmerz an, der ihn bewegte.

      Dr. Behnisch hatte Zeit für ihn, als er um ein kurzes Gespräch bat.

      »Hat mein Vater sich gemeldet, Dr. Behnisch?« fragte er.

      »Er war hier und ist wieder gegangen, nachdem ich ihm mitgeteilt habe, daß Ihre Mutter gestorben ist.«

      »Das sieht ihm ähnlich! Manchmal denke ich, daß er unter aller Härte einfach feige ist. Bitte, nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich so von meinem Vater spreche, aber das Maß ist eigentlich voll. Ich werde meinen Weg jetzt allein gehen.«

      »Ich muß gestehen, daß auch ich durch seine Reaktionen sehr befremdet bin. Gut, es ist viel auf Sie eingestürmt… erst der Tod Ihres Bruders vor einem knappen Jahr und dann die Krankheit Ihrer Mutter…«

      »Denken Sie nicht nach, Dr. Behnisch, in Vater sitzt doch nur der Groll, daß Leon mit der Tradition gebrochen hat. Er hat sich geweigert, Leons Frau auch nur kennenzulernen. Er weigert sich, die Existenz des Kindes zur Kenntnis zu nehmen, läßt kein gutes Haar an Leon, auch nach seinem tragischen Tod nicht. Gut, ich war auch mit manchem nicht einverstanden, was mein Bruder tat, auch nicht mit seiner Lebensweise, aber Cordula war doch kein Fehltritt! Sie war ein Mädchen aus gutem Hause, und Leon lebte recht gut von ihrer Mitgift. Ich sollte jetzt nicht darüber sprechen, entschuldigen Sie, aber ich möchte Ihnen von Herzen danken, daß Sie Mama das Sterben erleichtert haben. Ich denke, daß Sie auch das Recht haben, ein wenig hinter die Kulissen zu schauen.«

      Dr. Behnisch verriet nicht, wieviel er von dieser Familie wußte. Er sagte auch nicht, daß er von Leon von Ahlen kaum eine bessere Meinung gehabt hatte als von seinem Vater. Aber Hanno war ein sympathischer, feinsinniger und kluger Mann. Dr. Behnisch konnte nur hoffen, daß

      er jetzt keine Familienrücksichten mehr nehmen und seinen Weg tatsächlich allein gehen würde.

      »Ich werde jetzt die Formalitäten erledigen«, erklärte Hanno stockend. »Die Rechnung schicken Sie bitte gleich an mich, damit mein Vater sie nicht erst ein paar Wochen ignoriert.«

      Sie trennten sich mit einem festen Händedruck. Dr. Behnisch hätte dem Jüngeren gern noch ein paar ermunternde Worte gesagt, aber ihm war die Kehle eng, weil er nun an Cordula Mohl denken mußte, die zwar offiziell den Namen von Ahlen führen konnte, aber nun wieder unter ihrem Mädchennamen lebte.

      *

      Henriette von Ahlen war im engsten Familienkreis zu Grabe getragen worden. Ihr Bruder mit Familie war gekommen, eine Kusine, ein paar alte Bekannte. Es war eine schlichte Trauerfeier, kurz gehalten und ohne sentimental stimmende Musik.

      Die Ahlen wohnten in einer prachtvollen, schloßartigen Villa, die von einem großen Park umgeben war, und sie hatten schon lange ein zurückgezogenes Leben geführt.

      Mit der ihm angebotenen Herablassung stellte Johann den Verwandten gegenüber fest, daß man hier ja nichts an Kontakten hatte noch finden können, da sich hier nur Parvenues breitgemacht hätten, und demzufolge hatte man sich immer mehr zurückgezogen.

      »Ich vermisse deine Schwiegertochter«, sagte Baron Otto, Henriettes Bruder, der mit Johann gleichaltrig war.

      »Wir haben keinen Kontakt«, erwiderte Johann abweisend, während Hanno zusammengezuckt war.

      »Warum nicht?« Otto ließ nicht locker.

      »Sie ist eine Bürgerliche, das dürfte dir doch bekannt sein!«

      »Na und? Unsere Schwiegertochter ist auch eine Bürgerliche, aber wir sind damit sehr zufrieden, sie hat frisches Blut und auch Geld in unsere Reihen gebracht, und sie haben drei gesunde Kinder.«

      Hanno beobachtete seinen Vater, aber Johann beherrschte sich.

      »Ich bleibe meinen Ansichten und unserer Tradition treu«, sagte er steif.

      Baron Otto zuckte die Schultern. »Jedem das seine«,