kriegt keiner auf, der hat alle Sicherungen«, wandte Hans ein.
»Dann wird er aus purer Wut demoliert. Schau dir mal die linke Seite von meinem Wagen an. Da hat auch so ein Rowdy einen langen Kratzer hinterlassen.«
»Ich verstehe so was nicht«, meinte er kopfschüttelnd. »Aber einen bombensicheren Lack gibt es nicht, und den kann man auch nicht herstellen. Kind, es gibt zuviel Schlechtigkeit in der Welt.«
»Aber auch viel Gutes und viel Freude. Heute haben wir es doch wieder mal erlebt, Paps.«
»Und ich habe wirklich nicht damit gerechnet!«
»Wie heißt es doch: Alle Freude, die wir geben, kehrt ins eigne Herz zurück.« Sie machte eine kleine Pause und legte die Hand auf seine Schulter. »Das wird bei dem Herrn Baron von Ahlen bestimmt nicht der Fall sein.«
»Er wird sich auch nicht klar sein, um was er sich selbst betrügt. Aber ich bin froh, daß ich unsere Nora mit niemandem teilen muß. Und dich auch nicht«, fügte er hinzu.
Dann gingen sie zu Bett, und seltsamerweise hatte Cordula in dieser Nacht einen wunderschönen Traum, den sie aber nicht zu deuten vermochte.
*
Johann von Ahlen sollte schon bald den nächsten Schock bekommen. Im Sägewerk, das auch mit zu seinem Besitz gehörte, war ein Brand ausgebrochen. Hanno war sofort hingefahren, aber das Feuer war schnell gelöscht worden. Hanno hatte seinen Vater gleich angerufen, damit er sich nicht aufregen sollte. Aber das regte ihn gar nicht so sehr auf, worüber er sich selbst wunderte. Ihn beschäftigte unaufhaltsam seit Henriettes Beerdigung der Gedanke, daß Hanno tatsächlich eigene Wege einschlagen könnte.
Es gab doch hier wahrhaftig genug zu tun und zu denken. Es war ja nicht nur das Sägewerk, sie besaßen auch eine Papierfabrik, und sie waren an verschiedenen Unternehmen beteiligt. Für Hanno gab es also ein vielfältiges Betätigungsfeld. Leider wollte Johann von Ahlen jedoch nicht wahrhaben, daß er der Patriarch war und bleiben wollte, solange er lebte. Es war für ihn so selbstverständlich, daß er akzeptiert wurde, daß er ein Aufbegehren dagegen überhaupt nicht begreifen wollte.
Es war ja jetzt nur noch Hanno da, und er würde sowieso alles erben. Er würde es allerdings erwarten können, bis es an der Zeit sein würde, daß er Herr im Hause war.
Aber Johann von Ahlen wollte auch noch einen Erben erleben, einen Stammhalter heranwachsen sehen, und all sein eiserner Wille war darauf ausgerichtet. Er suchte jetzt nach einer passenden Frau für Hanno, überzeugt, daß der sich letztlich doch seinem Willen fügen würde. Hanno war immer zur Verständigung bereit gewesen. Aber Johann zog nicht in Betracht, daß dies nur Henriette zuliebe so gewesen war, weil Hanno seine Mutter geliebt hatte, obgleich sie immer Leon vorgezogen hatte. Aber er hatte empfunden, wie sie gelitten hatte in dieser Ehe, in der sie sich nur anpassen mußte. Leider war sie so erzogen worden, daß sie gar nicht anders konnte.
Hanno war nicht der Mensch, der Knall auf Fall ging, wie es Leon getan hatte, der einfach die Tür hinter sich zugeschlagen hatte. Irgendwie hing er an allem, wofür er nun schon Jahre wirklich ernsthaft gearbeitet hatte, was bei Leon ja nie der Fall gewesen war. Bei ihm hatte es ja schon den Ausschlag gegeben, sein Elternhaus zu verlassen, daß sein Vater sich weigerte, ihm ein teures Auto zu kaufen, das er sich in den Kopf gesetzt hatte. Mit der Zeit hatte er auch begriffen, daß sein Vater nur solchen Haß auf Hans Mohl und seine Tochter hatte, weil Leon durch sie an diese schnellen und teuren Wagen herankam. Und fast war es ein Triumph gewesen, als Leon mit einem solchen Wagen in den Tod gefahren war.
»Nun seht ihr es«, hatte er gesagt, »ich habe es geahnt, daß es mal so kommen würde!«
Aber weiser geworden war Johann von Ahlen durch diesen Schicksalsschlag nicht. An diesem Tag sollte er jedoch noch etwas erfahren, was ihm fürchterlich zusetzte.
Gustl, das Faktotum – Verwalter, Butler, Chauffeur in einer Person, und ein Mann für alle Arbeiten, die es in einem großen Hause zu verrichten galt – erschien und sagte, daß eine Dame den Herrn Baron zu sprechen wünsche.
»In welcher Angelegenheit?« fragte der Baron barsch.
»Das will sie Ihnen selbst sagen. Wenn Sie sie nicht empfangen, gäbe es einen Skandal, hat sie gesagt.«
Der gute Gustl war ins Stottern geraten, und er duckte sich, als der scharfe Blick Johanns ihn buchstäblich durchbohrte.
»Es ist nicht die junge Frau«, murmelte er, »die Witwe. Nein, die ist es nicht, aber sie kommt wohl wegen dem jungen Herrn.« Gustl wand sich buchstäblich vor Verlegenheit, und man sah ihm das Unbehagen an.
»Führ sie in den Salon«, sagte Johann tonlos. Das Wort Skandal behagte ihm nicht.
Aber wenn es nicht Cordula Mohl war, wer konnte es dann sein?
Als Dame mochte Johann die junge Frau nicht bezeichnen, die da im Salon wartete und die mit einem frivolen Lächeln, »einen recht guten Tag, Herr Baron« wünschte.
»Sie wissen, wer ich bin, vielleicht erfahre ich nun auch, wer Sie sind?« sagte er kalt.
»Sonja Keller ist mein Name, Alter siebenundzwanzig und Mutter Ihres Enkels Leon.«
Das saß! Momentan schien sein Herzschlag auszusetzen. Er starrte sie an, als wolle er sie mit seinen Blicken töten.
»Er ist übrigens sechs Jahre, und da ich an seine Zukunft denken muß und die Frau Baronin nun leider verstorben ist… und ich ja auch von Leon nichts mehr bekommen kann, muß ich mich an Sie wenden.«
»Lassen Sie meine Frau aus dem Spiel!« fuhr er sie an.
»Aber nein, ganz und gar nicht! Sie war so gütig, mir wenigstens jedes Jahr eine kleine Hilfe zuteil werden zu lassen.«
»Das glaube ich nicht. Das müssen Sie erst einmal beweisen. Wie ich auch Beweise dafür haben will, daß Leon auch noch einen unehelichen Sohn hat zu der ehelichen Tochter.«
Sonja Keller kniff die Augen zusammen. »Die aber besser abgesichert wurde als mein Sohn. Frau Mohl… von Ahlen lebt in blendenden Verhältnissen. Ich habe mich vergewissert, bevor ich herkam.«
»Aber nicht von meinem Geld. Sie hat keine Mark bekommen und auch nicht verlangt, das muß ich ihr zugute halten. Wovon sie ihren Lebensunterhalt bestreitet, weiß ich nicht, aber Ihnen möchte ich sagen, daß ich meinen Sohn Leon enterbt habe, als er dieses Haus verließ. Seither habe ich nur noch einen Sohn.«
»Ich habe Hanno kennengelernt. Er wird bestätigen können, daß Leon mir einst die Ehe versprach.«
»Dann werde ich ihn mal rufen lassen«, sagte Johann. »Ich hörte, daß er gekommen ist.«
Das war eine ganz große Beruhigung für ihn, denn er hatte es im Gefühl, daß diese Frau nicht lockerlassen würde.
Er war im tiefsten Innern beunruhigt, da er sich auch Hannos Solidarität nicht sicher sein konnte. Aber dann merkte er doch, daß Sonja Keller unruhig wurde, als er nach Hanno rufen ließ.
Der trat ein, blieb kurz an der Tür stehen und maß Sonja mit einem durchdringenden Blick.
»Du kennst diese Dame, Hanno?« fragte Johann, und so, wie er das Wort ›Dame‹ aussprach, klang es fast wie eine Beleidigung.
»Natürlich kennst du mich, Hanno«, sagte Sonja schrill.
»Wir sind uns wohl einmal flüchtig begegnet, aber ich kann mich nicht erinnern, daß wir uns geduzt haben.«
»Männer können sehr vergeßlich sein, Leon war es auch«, sagte sie erregt. »Aber ich lasse mich nicht so abspeisen.«
»Worum geht es eigentlich, Vater?« fragte Hanno ruhig.
»Diese Dame behauptet, einen Sohn von Leon zu haben, einen sechsjährigen Sohn.«
»Das ist doch absurd, das müßte ich gewußt haben. Das hätte Leon mir gesagt«, erklärte Hanno mit fester Stimme. »Sie haben Beweise, wie ist doch gleich Ihr Name?«
Sie starrte ihn haßerfüllt an. »Alle seid ihr gleich…