Patricia Vandenberg

Dr. Norden Extra Staffel 1 – Arztroman


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Sehr viel mußten sie zahlen. Aber ich schwöre dir, ich gab den Schuß nicht ab. Wir wußten wirklich nicht, daß noch eine Kugel im Lauf war. Es war wie russisches Roulette, aber wir waren Jungen, und ich habe das Ausmaß der Tragödie erst viel später begriffen. Das kann man doch nicht mehr ausspielen, Hanno!«

      »Ich weiß nicht, was Cordula gemeint hat, aber ich werde sie fragen. Wenigstens diese Frage muß sie mir beantworten. Ich lasse es nicht auf mir sitzen, daß sie mich einen Feigling nennt. Aber verstehen kann ich sie. Für sie muß unser Name ein Alptraum sein.«

      Johann drehte sich zu seinem Sohn um. »Du trägst diesen Namen auch«, sagte er tonlos.

      »Aber nicht mit Überheblichkeit, Vater. Man wird ja als werdender Mensch nicht gefragt, unter welchem Namen man geboren werden will. Man wird ungefragt in die Welt gesetzt, das solltest du dir auch mal vor Augen führen. Allein an den Eltern liegt es, ob ein Kind diesen Namen akzeptiert und wie es heranwachsen kann. Kinder brauchen Liebe, Vater. Sie brauchen Wärme. Du solltest wirklich einmal darüber nachdenken. Mama hat ihre ganze Liebe Leon gegeben, weil sie wohl meinte, ihn damit halten zu können, weil sie dachte, ich sei der Klügere und Vernünftigere, weil ich nicht so früh hinausdrängte.«

      »Du hattest die besseren Zeugnisse, auf dich war mehr Verlaß«, warf Johann ein.

      »Ist das denn so wichtig in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern? Leon hatte unruhiges Blut in den Adern, und vielleicht solltest du dich mal fragen, von wem das kam. Warum hast du erst geheiratet, als du schon Mitte Dreißig warst? Warum hast du dich da dem Willen deiner Eltern gefügt?«

      »Du bist jetzt auch vierunddreißig, und nicht verheiratet«, sagte Johann.

      »Aber ich füge mich nicht deinem Willen, lieber bleibe ich ledig.« Hanno sah seinen Vater wieder voll an. »Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet, Vater.«

      »Man hat Pflichten als Majoratserbe«, erwiderte Johann, »aber die Zeiten haben sich ja geändert. Heute denkt ihr anders. Vielleicht lerne ich es noch zu begreifen.«

      »Das wäre allerdings ein Fortschritt«, erwiderte Hanno sarkastisch.

      Dann war Johann von Ahlen wieder allein. Er begann, sich mit einigen Ereignissen aus früheren Jahren auseinanderzusetzen, wenn ihm das auch sehr unbequem war. Aber so langsam wurde es ihm doch bewußt, von der Vergangenheit eingeholt worden zu sein. Er sah Cordula vor sich, so voller Zorn und Verachtung. Dennoch hatte sie ihm Respekt abgenötigt, denn noch nie hatte ihm jemand so hart und deutlich die Wahrheit gesagt.

      Und wenn er auch immer noch den Kopf in den Sand stecken wollte, er wußte ja, daß sie nichts aus der Luft griff, daß sie nichts erfand wie diese Sonja Keller. Daran, daß sie Geld von seiner Frau bekommen hatte, konnte er nicht mehr glauben, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß Henriette auch von ihrem ganz privaten Konto nichts mehr abgehoben hatte nach Leons Tod. Und bis dahin waren es auch nur kleinere Beträge gewesen, die kaum ins Gewicht fielen.

      Wenigstens in bezug auf Sonja Keller war er wieder ruhiger geworden. Aber daß Cordula gesagt hatte, sie wäre zwar berechtigt, den Namen von Ahlen zu tragen, aber sie lege keinen Wert darauf, gab ihm zu denken. Und sie hatte auch gesagt, daß er als Vater völlig versagt hätte.

      Das ging ihm nicht mehr aus dem Sinn, das hatte sich tief in seine Seele hineingegraben.

      *

      Cordula hatte mit ihrem Vater gesprochen. Ihr größter Zorn war nun verraucht, und Hans Mohl tat nichts dazu, die Flamme ganz zu löschen.

      »Ich verstehe ja, daß es dich tief getroffen hat, Cordula, aber eine Chance zur Erwiderung hättest du ihm schon geben können. Wer weiß, was diese Sonja Keller alles zusammengelogen hat.«

      »Das kann man doch nicht aus den Fingern saugen, Paps«, widersprach Cordula.

      »Schau, es kann doch sein, daß Leon mal mit ihr eine Affäre hatte. Aber das war vor eurer Heirat, und sie hätte ihn gewiß zur Kasse gebeten, als sie schwanger war. Ich bin nicht von gestern, ich bin mit der Zeit gegangen, und ich hatte zwei Sekretärinnen, die von Männern sitzengelassen wurden, als sie schwanger waren. Sie haben sich bei mir ausgeweint.«

      »Und was hast du ihnen geraten? Was haben sie gemacht?«

      »Eine hat abgetrieben, die andere hat das Kind bekommen und dann einen sehr netten Mann gefunden. Aber ich habe keiner zur Abtreibung geraten, mein Schatz. Ich weiß doch, welches Glück es sein kann, Vater zu sein!«

      »Aber nicht immer ist es für die Mutter ein Glück, siehe die meine.«

      »Wir wollen Celia nicht verdammen. Sie hat es einfach nicht verkraftet, daß ich einen Beruf hatte, der mir sehr viel bedeutete. Sie wollte mehr vom Leben haben, und sie war wohl auch nicht zur idealen Mutter geschaffen. Hast du sie sehr vermißt?«

      »Nein, eigentlich gar nicht«, gab Cordula zu.

      »Na also, und Nora wird ihren Vater auch nicht vermissen. Man muß nicht immer sagen: der Vater oder die Mutter sind schuld. Im Grunde sind es doch beide, wenn es nicht so hinhaut, weil man sich einfach getäuscht hat. Und schließlich ist es besser, sich zu trennen, als sich gegenseitig aufzureiben.«

      »Wenn Leon am Leben geblieben wäre, hätte er sich von dir jedenfalls nie getrennt und uns hätte er mit in Kauf genommen, Paps«, sagte Cordula. »Das habe ich seinem Vater am Rande zu verstehen gegeben.«

      »Das hättest du besser nicht tun sollen, Cordula.«

      »O doch. Und Hanno habe ich zu verstehen gegeben, daß ich ihn für einen Feigling halte«, stieß sie zornig hervor.

      »Das verdient er nicht. Er hat sich über mich immer wieder bemüht, Kontakt zu dir zu bekommen, aber du hast dich ja geweigert. Er wollte gern für Nora mit dasein.«

      »Hör auf, Paps, die Ahlens können mir gestohlen bleiben«, rief Cordula aus.

      »Sei nicht ungerecht, Cordula. Vergiß nicht, daß Nora diesen Namen trägt.«

      Sie ahnten nicht, daß Nora das alles hörte. Die Kleine hatte auch schon vorher eine Weile gelauscht. Sie hatte nämlich gedacht, daß ihre Mami sie aus einem unerfindlichen Grunde nach Hause holen wollte, aber derzeit gefiel es ihr sehr gut beim Opi und der Resi, die sich überbot, ihr alle Leibgerichte zuzubereiten, um Dorle auszustechen, denn diese Konkurrenz hatte schon immer bestanden.

      Bald jedoch wußte Nora, daß sie noch bleiben konnte, und deswegen sagte sie gar nichts von dem, was sie erlauscht hatte, denn das wollte sie lieber allein mit ihrem Opi klären, wenn die Mami wieder weg war.

      »Hast du mächtig viel zu tun, Mami?« fragte sie.

      »Ja, sehr viel.«

      »Dann kann ich noch bleiben?«

      »Ja, sicher, ich hatte mit Opi nur was zu besprechen. Am Sonntag komme ich und hole dich.«

      »Ist gut, hier ist es sehr schön, und Resi kann genauso gut kochen wie Dorle. Aber das brauchst du ihr nicht zu sagen.«

      »Ich werde mich hüten!« erwiderte Cordula. »Ich bin froh, wenn es dir hier gefällt, mein Liebling.«

      »Opi ist ja auch sooo lieb«, erwiderte die Kleine mit hinreichender Betonung.

      Später, als Cordula weggefahren war, hatte sie es sehr eilig, mit ihrem Opi zu reden, damit sie nur ja nicht vergaß, was sie gehört hatte.

      »Opi, ich muß dich was fragen«, begann sie. »Hast du Zeit?«

      »Für dich doch immer, mein Schätzchen.«

      »Warum können die Ahlens Mami gestohlen bleiben? Das hat sie gesagt, ich habe es gehört. Und du hast gesagt, daß ich diesen Namen trage. Warum denn eigentlich?«

      »Du hast gelauscht«, sagte Hans.

      »Ich habe es einfach gehört, weil ihr so lange geredet habt und ich fragen wollte, ob ich bei dir bleiben kann. Ich möchte nämlich noch bleiben.«

      »Und du bleibst ja auch«, erwiderte er.

      »Aber