Patricia Vandenberg

Dr. Norden Extra Staffel 1 – Arztroman


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weißt doch, daß dein Papi Leon von Ahlen hieß.«

      »Weiß ich nicht so genau, aber er ist ja tot«, sagte Nora.

      Es gab ihm einen Stich. Er zog sie zu sich aufs Knie. »Ich möchte es dir so gern erklären, mein Schatz, aber ich weiß nicht, wie ich anfangen soll.«

      »Ich habe gehört, daß Mami mit seinem Vater gestritten hat. Warum kenne ich den nicht?« half ihm Nora weiter.

      »Weil er nichts mit uns zu tun haben will«, erwiderte Hans.

      »Aber Mami will mit ihm auch nichts zu tun haben. Und wer ist Hanno?«

      »Das ist der Bruder von deinem Papi.«

      »Will er von mir auch nichts wissen? Hat er keine Kinder?«

      »Nein, er hat keine Kinder«, erwiderte Hans, »aber er würde gern öfter mit dir zusammen sein.«

      »Woher weißt du das?«

      »Er hat es mir gesagt.«

      »Du kennst ihn? Warum kommt er nicht her? Ich würde ihn gern mal kennenlernen, damit ich weiß, ob er auch so ist wie Papi.«

      »Und wie war Papi?«

      »Er hatte nur immer Zeit für Autos, nicht für uns. Aber du bist nicht schuld, daß er sich derrent hat, sagt Dorle.«

      Gott steh mir bei, dachte Hans. Was kann ich diesem Kind nur für eine Erklärung geben?

      »Weißt du, Nora, dein Papi hat sich nicht allzugut mit seinem Vater verstanden«, begann er stockend.

      »Ich habe mich mit Papi auch nicht gut verstanden, und Mami hat manchmal auch mit ihm gestritten. Vielleicht muß ich den Vater von Papi mal fragen, warum er eigentlich böse auf uns ist.«

      »Das lassen wir besser, Nora«, murmelte Hans.

      »Aber mit dem Hanno könnten wir doch mal reden, meinst du nicht?«

      »Dann wird Mami vielleicht böse auf mich sein.«

      Nora busselte ihn ab. »Doch nicht auf dich! Du bist doch unser allerliebster Schatz«, sagte sie zärtlich. »Und wenn ich Hanno nicht leiden kann, sage ich Mami gar nicht, daß ich ihn kennengelernt habe. Okay?«

      »Okay, Noralein. Ich muß sowieso mal mit ihm reden.«

      »Na siehst du, da sind wir uns mal wieder einig«, sagte sie altklug.

      *

      Hans Mohl war sein Leben lang ein gerechter Mann gewesen, und er überlegte, was nun zu tun sei. Ihm ging vieles durch den Sinn, aber letztlich sagte er sich, daß zumindest Hanno, der sich sehr fair verhalten hatte, ein Anrecht darauf hatte, Nora zu sehen.

      Hanno überlegte indessen, wie er am besten Kontakt zu Cordula bekommen könnte, ohne sich wieder eine Abfuhr einzuhandeln. Er nahm ihr nichts übel, so sehr es ihn auch schmerzte, von ihr verachtet zu werden. Sie war eine bewundernswerte Frau… ganz im Gegensatz zu Sonja Keller, über die er Nachforschungen anstellen ließ.

      Nach seinem Besuch bei seinem Anwalt rief Hanno bei Cordula an. Er hatte erst ein paar Mal tief Luft holen müssen, ehe er es wagte, aber dann war Dorle am Telefon und sagte, daß Cordula nicht zu Hause wäre. Sie hätte sehr viel zu tun.

      Das sagte Dorle immer, und eigentlich stimmte es auch. Aber diesmal fügte sie doch hinzu, daß Cordula vielleicht noch bei ihrem Vater sei.

      Hanno rief dort an. Hans Mohls Nummer hatte er in seinem Notizbuch stehen. Er hatte schon öfter mit ihm telefoniert. Uber ihn hatte er Cordula auch schon ein paar lukrative Aufträge zugeschanzt, ohne daß sie davon etwas bemerkt hatte.

      Hans war überrascht über diesen Anruf, denn es war buchstäblich Gedankenübertragung, daß Hanno anrief.

      »Cordula ist nicht mehr hier«, sagte er, »aber ich hätte gern mit Ihnen gesprochen, Hanno. Es gibt einiges, was geklärt werden müßte.«

      »Cordula hat Ihnen also erzählt, daß sie mit Vater gesprochen hat?«

      »Hat sie, und ich kenne meine Tochter. Sie hat ihm bestimmt keine Chance zu einer Erklärung gegeben.«

      »Das tut ihm recht gut. Er fängt zu überlegen an. Darf ich Sie aufsuchen?« fragte Hanno.

      »Meinetwegen heute noch. Nora ist bei mir. Sie möchte Sie auch kennenlernen.«

      »Wieso das?«

      »Das wird sie Ihnen am besten selbst erklären. Sie kann das nämlich ausgezeichnet und sehr verständlich. Ich habe schon einige sehr schwierige Fragen heute beantworten müssen. Aber sie läßt mit sich reden, wenn sie gute Antworten bekommt.«

      Von innerer Erregung bewegt, fuhr Hanno nun zum Wörthsee. Er kannte das Haus. Er war schon einmal hier gewesen, doch später hatte er nur telefonisch zu Hans Verbindung gehalten.

      Nora, die keine Scheu kannte, hielt Ausschau nach ihm. Hans hatte es für besser gehalten, sie auf den Besuch vorzubereiten.

      Hanno wurde von den klaren Kinderaugen forschend gemustert.

      »Du bist also Herr von Ahlen«, sagte sie nachdenklich. »Du siehst anders aus als mein Papa, aber ich weiß eh nicht mehr genau, wie er ausgesehen hat. Er ist nämlich tot, weißt du das?«

      So führte sich Nora ein, und Hanno war einigermaßen irritiert, denn schließlich war sie ein Kind von vier Jahren, und da hatte er eine so deutliche Sprache nicht erwartet. Aber er war durchaus angenehm überrascht.

      »Und du bist Nora«, sagte er leise.

      »Komm jetzt erst einmal herein. Opi wartet schon.«

      Hans hatte ihr Zeit gelassen, sich selbst mit Hanno bekannt zu machen.

      »Du kannst Hanno zu mir sagen.«

      »Nicht Onkel oder so? Das ist mir auch lieber. Du bist sehr groß, ist der Herr von Ahlen auch so groß?«

      Hanno wußte momentan nicht, was er erwidern sollte, aber jetzt kam ihm Hans zu Hilfe. »Mußt du gleich alle Fragen auf einmal stellen, Nora?« lächelte er.

      »Ich weiß ja nicht, ob später noch Zeit ist, weil du ja sicher allein mit Hanno reden willst. Es ist wohl eine wichtige Besprechung. Und wenn es um Geschäfte geht, darf ich zu Hause auch nicht dabeisein.«

      »Wir werden nur kurz etwas besprechen, und dann kannst du dich wieder mit Hanno unterhalten«, sagte Hans. »Einverstanden?«

      »Dann werde ich Resi sagen, daß sie einen guten Imbiß machen soll… und daß wir Hanno nicht vergraulen wollen«, erklärte Nora.

      »Sie ist bezaubernd«, sagte Hanno leise, als Nora entschwunden war, nachdem sie ihm noch einmal zugeblinzelt hatte.

      »Sie ist die Tochter ihrer Mutter, aber sie hat auch allerhand von Leons Charme. Nur darf ich das nicht laut sagen.«

      »Das ist auch besser so. Sein Charme hat kaum jemandem Glück gebracht. Cordula hat meinem Vater unter anderem gesagt, daß es Sie schmerzt, daß Leon so unglücklich sterben mußte.«

      »Das stimmt. Es tat weh, daß er nicht begriffen hat, daß man auch Maschinen gefühlvoll behandeln muß, wenn man sie beherrschen will. Aber wir haben uns recht gut verstanden. Cordula sagt selbst auch, daß ich wohl der einzige Mensch auf der Welt war, für den Leon eine ehrliche Zuneigung empfand… und daß er sich wohl anders entwickelt hätte, wäre ich sein Vater gewesen.«

      »Das könnte ich mir vorstellen. Ich hätte auch lieber so einen Vater wie Sie gehabt. Aber man kann es sich ja nicht aussuchen. Sprechen wir also über meinen Vater. Cordulas Besuch hat ihn bewegt und beeindruckt. Aber mich hat es tief getroffen, daß Cordula mich einen Feigling genannt hat.«

      »Wenn Sie mir vielleicht mehr erzählen könnten, Hanno?« bat Hans.

      Hanno erzählte, welche Worte in welchem Zusammenhang gefallen waren, und dann sprach er auch noch von Cordulas Drohung, daß sie mehr wüßte, als seinem Vater wohl lieb