ist.«
»Und dann diese Geschichte mit Sonja Keller… Ich werde das genau nachprüfen lassen, aber ich glaube, daß sie sich alles nur ausgedacht hat, weil sie keinen Vater für ihren Sohn gefunden hat. Sie war bestimmt eine sehr flüchtige Episode in Leons Leben. Leider lebt Robert von Guttrom, der sie wohl näher kannte, auch nicht mehr. Ich werde seine Eltern aufsuchen… wenn das auch sehr peinlich werden wird.«
»Man kann so was ganz diplomatisch anfangen«, sagte Hans. »Klopfen Sie doch einfach auf den Busch! Sagen Sie, diese Keller hätte Ihnen gesagt, daß Guttrom der Vater ist, dann werden Sie ja sehen, wie die Leute reagieren.«
»Darauf wäre ich nicht gekommen«, erwiderte Hanno. »Eine sehr gute Idee!«
»Ich hatte in meinem Leben wahrscheinlich mit mehr Schlitzohren zu tun als Sie«, meinte Hans lächelnd, »und ein Schuß ins Blaue trifft oft ins Schwarze.«
»Dürfte ich Sie nun auch bitten, bei Cordula zu vermitteln… wenigstens was mich betrifft?«
»Vielleicht kann das Nora sogar besser als ich. Aber Sie müssen verstehen, daß Cordula sich tatsächlich diskriminiert gefühlt hat und die Initiative, Barrieren abzubauen, von ihrem Vater ausgehen müßte.
»Dazu ist er zu starrköpfig und vielleicht tatsächlich zu feige.«
»Dann packen Sie Cordula selbst. Sagen Sie ihr doch, daß sie nicht so ungerecht sein und Sie in die Sippenhaftung einbeziehen soll. Sagen Sie ihr, daß sie Ihnen wenigstens eine Chance geben müßte, unter Beweis zu stellen, daß Sie wenigstens Nora ein guter Onkel sein wollen. Aber jetzt wollen wir uns ruhig wieder mit diesem Sonnenschein befassen, ich kann mir vorstellen, daß ihr noch viele Fragen auf den Lippen brennen.«
Und so war es tatsächlich! Resi hatte einen sehr appetitlichen Imbiß hergerichtet.
»Es ist wirklich alles sehr lecker, Hanno. Du kannst ruhig zulangen. Ich habe schon viel gekostet und bin ziemlich satt.«
Die beiden Männer ließen es sich schmecken, und Nora gab ihre Kommentare dazu.
»Dein Vater muß wohl ziemlich brummig sein, Hanno«, sagte sie irgendwann sehr nachdenklich. »Mami war mächtig ärgerlich auf ihn, aber Opi meint, daß ich ihn sowieso nicht kennenlernen werde. Aber eigentlich möchte ich das doch. Ich kenne nämlich nur nette Leute, die mich gern haben. Man kann doch nicht auf jemanden böse sein, den man gar nicht kennt!«
»Völlig logisch«, sagte Hanno, »du bist ein sehr gescheites Mädchen, Nora.«
»Ein kluges Kind, sagt Opi«, nickte sie mit ihrem hinreißenden Lächeln. »Aber sie reden ja auch gescheit mit mir, nicht so datschig wie andere mit ihren Kindern. Ich weiß ja gar nicht, ob ich überhaupt mit ihm reden würde, wenn er auch so was wie ein Großvater ist. Ich habe ja auch nicht gewußt, ob ich dich mag. Aber siehst du, so geht es: Jetzt kenne ich dich und mag dich auch.«
Dann konnte Hanno wirklich nicht mehr anders, als Nora in die Arme zu nehmen. »Was meinst du wohl, wie sehr ich dich mag! Und
ich hoffe, daß wir uns jetzt öfter sehen.«
»Das müssen wir aber ganz schön schlau anfangen«, meinte sie. »Mami kann nämlich sehr bockig sein, und dann geht sie mit dem Kopf durch die Wand.«
»Ganz so schlimm wird es ja nicht sein«, meinte Hanno.
»Zu mir ist sie ja auch immer lieb, da fehlt sich nix«, meinte Nora. »Wir halten mächtig zusammen, aber mit dir kann ich mich auch sehr gut verstehen.«
»Das freut mich sehr, Nora«, erwiderte Hanno weich.
»Opi hat doch gesagt, daß ich auch von Ahlen heiße. Mir ist es ja egal, das mit den Namen, aber wenn ich nachher zur Schule gehe, fragen sie mich dann doch. Das denke ich wenigstens.«
In dem Moment läutete das Telefon, und sie sagte rasch: »Ich gehe schon hin.«
»Wahrhaftig ein kluges Kind«, stellte Hanno fest, und da schallte schon Noras Stimme zu ihnen in den Raum. »Ja, er ist hier, Mami, und ich weiß überhaupt nicht, was du hast! Er gefällt mir sehr gut. Du brauchst auch nicht immer bockig zu sein.«
Dann schnaufte sie hörbar und rief: »Opi, die Mami will mit dir reden. Aber ich kann doch nicht sagen, daß mir Hanno nicht gefällt, wenn er mir doch gefällt!«
»Ist ja recht, mein Schatz«, sagte Hans, »ich rede jetzt mit Mami.«
Aber er machte dazu die Tür zu, und drinnen hörten sie nichts.
»Dorle hat nämlich zu Mami gesagt, daß du angerufen hast, Hanno«, sagte sie verschwörerisch. »Dorle ist gar nicht so stur. Ihr hat es bloß nicht gepaßt, daß Papi immer so gerast ist. Gell, du rast nicht?«
»Nein, Nora.«
»Das ist sehr gut! Man muß nämlich vernünftig fahren, auch wenn man ein schnelles Auto hat. Opi baut welche. Und zum Geburtstag hat er eins geschenkt gekriegt, aber Mami will es nicht haben. Dein Auto sieht ja auch ganz normal aus. Und da kriegt man auch viel rein. Habt ihr eigentlich ein Schloß?«
»Nein, es ist eine Villa«, erwiderte er.
»Dann habt ihr wohl auch keine Kühe, Pferde und Hunde?«
»Nein, die haben wir leider nicht.«
»Das ist sehr schade. Ich mag Tiere. Aber wir können leider auch keine haben, weil Mami soviel unterwegs ist, und Dorle wird das zuviel Dreck.«
Sie hatten viel reden können, denn das Gespräch zwischen Hans und Cordula hatte lange gedauert. Doch die Miene des Mannes war nicht düster, als er sich wieder zu ihnen setzte.
»Freilich will sie Beweise Ihrer Loyalität sehen, Hanno, aber sie wird mit sich reden lassen.«
»Jetzt bin ich aber sehr froh«, warf Nora schnell ein.
»Und ich erst«, schloß sich Hanno an.
»Und was heißt das schwere Wort, das du eben gesagt hast, Opi?« fragte Nora.
»Loyal? Das heißt redlich, anständig.«
»Also, Mami wird doch wirklich nicht meinen, daß Hanno nicht anständig ist«, sagte Nora. »Aber ich werde schon noch mit ihr reden.«
»Davon bin ich wahrhaftig überzeugt«, meinte Hans lächelnd, und er nickte Hanno aufmunternd zu.
Als Hanno sich verabschiedete, blickte ihm Nora sinnend nach. »Ich finde, daß er sehr gut aussieht«, stellte sie fest. »Vielleicht heirate ich ihn mal, wenn ich groß bin. Dich kann ich ja leider nicht heiraten, weil du mein Opi bist. Aber wenn ich mal Kinder habe, sollen sie ihren Papi sehr liebhaben, und er soll auch lieb mit ihnen sein. Warum hat Mami eigentlich nicht Hanno geheiratet? Der hätte sich nicht derrent.«
»Frag sie das lieber selber«, erwiderte Hans weise, denn er hoffte, daß seine gescheite Enkeltochter ihre Mutter damit wirklich mal in die Enge treiben könnte.
*
Hanno war auch für den Rest des Tages noch unterwegs. Viel hatte er über Sonja Keller noch nicht erfahren können, aber in ärmlichen Verhältnissen lebte sie nicht, soviel wußte er nun schon. Sie lebte mit einem Mann zusammen, der zwar viel unterwegs war, der jedoch den Beruf eines Immobilienmaklers auszuüben schien.
Hanna überlegte, ob nicht dieser Mann hinter Sonjas Angriff stecken könnte.
Auf dem Rückweg aus der Stadt fuhr er bei den Guttroms vorbei, die im Südwesten von München noch ihr altes Gutshaus bewohnten, obwohl sie das Land, das ihnen einstmals gehört hatte, längst verkauft hatten. Da waren Siedlungen entstanden, und da der Grund immer teurer geworden war, konnten sie davon auch sorglos leben.
Sie freuten sich, daß Hanno kam. Er sagte, er hätte gerade in der Gegend zu tun gehabt und wollte die Gelegenheit nutzen, um etwas zu klären, was ihm Unbehagen bereitet hatte. Ein bißchen reserviert waren sie daraufhin zwar, aber als er den Namen Sonja Keller erwähnte, hoben sie schon abwehrend die Hände.
»Sagen Sie bloß nicht,