Patricia Vandenberg

Dr. Norden Extra Staffel 1 – Arztroman


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daß du dich auch weiterhin um Nora kümmerst.«

      Hans sah seine Tochter sehr ernst an. »Und du meinst, daß du dich richtig verhältst?« sagte er leise.

      »Wieso sollte ich mich falsch verhalten? Habe ich irgendwelche Verpflichtungen den Ahlens gegenüber? Und wenn die stolze und dann so nachgiebige Baronin einen Fehltritt begangen hat, werde ich meinen Triumph haben. Den werde ich auskosten, Paps.«

      »Wie kommst du denn auf einen Fehltritt?« fragte Hans verwirrt.

      »Sie hatte eine Liebschaft mit Morrell, das wußte sogar Leon. Er hat mir gesagt, daß die Ehe seiner Eltern gar nicht gutgehen konnte, weil es eine Mußheirat gewesen sei, und so was hätte er nie gewollt.«

      »Eine Mußheirat? So sagt man doch, wenn ein Kind schon unterwegs ist.«

      »Also, Paps, was du gleich denkst«, spottete Cordula. Doch gleich darauf wurde sie ernst. »Meinst du, daß man einen Mann so hinters Licht führen kann?« fragte sie.

      »Es sind schon öfter angebliche Frühgeburten zur Welt gekommen«, erwiderte er anzüglich.

      »Und angeblich soll Leon tatsächlich eine Frühgeburt gewesen sein. Aber wenn es so ist, kann einem der – Baron ja fast leid tun, denn er könnte ja doch mal dahintergekommen sein. Guter Gott, ich muß diesen Morrell tatsächlich näher kennenlernen.«

      »Willst du dich aufs Glatteis begeben, Cordula?« fragte Hans gedankenvoll und warnend.

      »Das bestimmt nicht, da kannst du ganz sicher sein. Auch wenn er seriöser ist als Leon, es käme mir nicht ganz geheuer und sogar ziemlich geschmacklos vor, wenn ich mich ernsthaft engagieren würde. Nein, Paps, keine Sorge, Nora ist mir wichtiger als jeder Mann.«

      »Aber vielleicht wirst du nach solchen Erwägungen etwas toleranter Hanno gegenüber sein. Unsere Kleine hat ihn wirklich gern. Und sie hat sehr nachdenklich stimmende Vergleiche zwischen ihm und Leon gezogen. Er gefällt ihr alles in allem viel besser. Sie mag seine Stimme, seine Augen, und sie hat mit ihm geredet, als wäre er ihr ganz vertraut.«

      »Das ist allerdings wirklich erstaunlich«, sagte Cordula.

      »Gib ihm doch die Chance zu einem Gespräch, Cordula«, sagte Hans bittend.

      »Zuerst will ich mal Jean Pierre Morrell aufs Korn nehmen«, erwiderte sie. »Und durch ihn verdiene ich mir ja eine goldene Nase.«

      »Als ob das so wichtig wäre«, warf Hans geringschätzig ein.

      »Für eine selbständige Frau ist das sehr wichtig, Paps, und ich möchte niemals abhängig von einem Mann sein.«

      Wenn sie sich nur nicht noch mal die Finger verbrennt, weil dieser Morrell es anscheinend auch versteht, sofort Eindruck zu machen, ging es ihm durch den Sinn. Aber er sah in ihren Augen keinen verträumten Ausdruck, sondern nur einen wachsamen. Und sie schenkte ihm ein Lächeln.

      »Du brauchst dir wirklich keine Sorgen mehr um mich zu machen, Paps«, sagte sie. »Ich mache keinen Fehler zweimal. Ich weiß nämlich genau, was du eben gedacht hast.«

      »Dann sag es doch mal, wenn du Gedanken lesen kannst.«

      Sie lachte leise. »Sie wird sich doch nicht noch mal die Finger verbrennen – das hast du gedacht – stimmt’s?«

      Er war verblüfft. »Man kann ja Angst vor dir bekommen«, meinte er.

      »Es wäre natürlich schön, wenn Männer auch Gedanken lesen könnten«, fuhr sie lächelnd fort, »dann bliebe einem manche Abweisung erspart.«

      »Ich weiß jedenfalls, ob du positiv oder negativ eingestellt bist. Gegen diesen Morrell scheinst du nichts zu haben.«

      »Es ist auch nichts gegen ihn einzuwenden. Ich habe sofort Erkundigungen eingezogen. Solvent und auch seriös, und was das Private anbetrifft, bleibe ich ohnehin auf Distanz. Aber du wirst doch verstehen, daß ich neugierig bin, oder?«

      »Es ist doch aber eigenartig, daß er gerade jetzt in Erscheinung tritt.« Hans sah seine Tochter sehr nachdenklich an.

      »Der Tod der Baronin scheint so manchen aus der Versenkung gelockt zu haben«, stellte Cordula fest, »natürlich unter den unterschiedlichsten Aspekten. Aber für mich gibt es nur die eine Erklärung. Und ich bin wirklich gespannt, was dabei herauskommt.«

      »Ich auch«, gab Hans zu.

      »Dieser Jean Claude Morrell lebt noch?« fragte Hans nach einem längeren Schweigen stockend.

      »Er soll aber sehr krank sein. Der Sohn hat sich darüber nicht geäußert. Ich habe es nur im Zuge meiner Erkundigungen erfahren.«

      »Und woher beziehst du Informationen?«

      »Im Zeitalter von Computern erfährt man rasch so manches, wenn man die nötigen Verbindungen hat. Paps, ich lasse mich nicht mehr mit Leuten ein, die die Puppen tanzen lassen und so tun, als könnten sie sich alles leisten. Man arbeitet wochenlang an einem Projekt, und dann wartet man vergeblich auf das Honorar. Außer Spesen nichts gewesen, sagte man früher. Aber mir ist das nur einmal passiert. Jedenfalls macht der Sohn Morrell einen ganz guten Eindruck, und er ist auch ein ganz humorvoller Mann.«

      »Du solltest Nora mit ihm bekannt machen und hören, wie sie urteilt.«

      »Nun, ich glaube nicht, daß meine Tochter eine bessere Menschenkenntnis besitzt als ich.«

      »Aber einen Instinkt, der aus dem Gefühl kommt, Cordula.«

      »Paps, ich bitte dich, sieh mich nicht schon wieder auf Abwegen wandeln! Und wenn du es auch nicht so gern hören wirst: Wahrscheinlich wäre ich bei Leon kritischer gewesen, wenn du dich nicht gleich so gut mit ihm verstanden hättest. Vergiß bitte nicht, daß ich ihn durch dich kennengelernt habe. Aber deswegen brauchen wir keine Asche auf dein Haupt zu streuen. Ich weiß auch, daß du mir niemals zugeredet hättest, ihn zu heiraten, wenn ich es selber nicht gewollt hätte. Und letztlich ist davon zumindest eine wirklich entzückende Tochter geblieben, und ich bin eine sehr stolze und glückliche Mutter. So sehe ich es.«

      »Und das ist wundervoll, mein Liebes«, sagte Hans weich.

      »Wir werden uns immer verstehen, Paps«, sagte Cordula. »Es kann sich niemand zwischen uns drängen. Darüber bin ich sehr glücklich.«

      Aber nun wartete Hans doch voller Spannung, was der nächste Tag bringen würde. Nora sah allem mit Gelassenheit entgegen. Sie war nur enttäuscht, daß ihre Mami sich nicht mit Hanno traf, sondern mit einem Mann, den sie nicht kannte.

      *

      »Sie hat nicht leiden müssen«, sagte Dr. Dieter Behnisch zu seinem Freund Daniel Norden. »Sie ist still und friedlich eingeschlafen. Ein langes Leiden ist ihr erspart geblieben.«

      Dr. Behnisch hatte Daniel angerufen, als er wußte, daß es mit Margarete Lengfeld zu Ende gehen würde, aber er hatte sie nicht mehr lebend angetroffen, von einem Moment zum anderen war Margarete Lengfeld in die Ewigkeit hinübergeschlummert.

      Obwohl auch er froh war, daß sie nicht hatte leiden müssen, war er traurig, er hatte die alte Dame gemocht.

      Schwester Ingrid eilte herbei und teilte Dr. Behnisch mit, daß ein neuer Patient eingeliefert worden sei. Kreislaufschwäche. Er habe unbedingt in die Behnisch-Klinik gewollt. »Ihre Frau untersucht ihn gerade«, meinte Ingrid noch.

      »Ich komme gleich«, sagte Dr. Behnisch.

      »Das gibt’s doch nicht!« sagte Dr. Norden da gerade fassungslos.

      Dieter Behnisch sah ihn erstaunt an.

      Dann fiel auch sein Blick auf den jungen Mann, der auf die beiden Ärzte zukam, und war ebenfalls erstaunt. Sie hatten Leon von Ahlen vor Jahren zuletzt gesehen, und dadurch meinten sie auch, ihn lebendig vor sich zu sehen.

      Aber Leon von Ahlen war tot!

      »Es ist frappierend!« meinte Dieter.

      Der junge Mann war inzwischen zu ihnen getreten. Er war von den fassungslosen Gesichtern der Ärzte irritiert.