Patricia Vandenberg

Dr. Norden Extra Staffel 1 – Arztroman


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keine Ahnung von der Verbindung zwischen seinem Vater und Henriette zu haben. Oder wollte er dies nicht preisgeben?

      Nein, er schien diesbezüglich völlig unbefangen zu sein, aber manchmal war es ja auch so, daß man Ahnungen von sich wies, nicht wahrhaben wollte, was andere vielleicht doch schon mal angedeutet hatten. Schließlich hatte er ja gewußt, daß sie mit Leon verheiratet gewesen war, er hatte auch zugegeben, daß er auf diese Ähnlichkeit schon öfter angesprochen worden war. Aber es konnte auch sein, daß sein Vater seine Beziehung zu Henriette verschwiegen hatte, daß er gar nichts wußte von deren Sohn Leon.

      Dr. Behnisch war maßlos überrascht, als sie mit Jean Pierre eintraf. Ihm stockte wieder der Atem, und Cordula merkte es. Sie konnte in seiner Miene lesen.

      »Ich habe Herr Morrell begleitet«, sagte sie, »und ich würde gern mit Ihnen sprechen, wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben.«

      »Selbstverständlich«, erwiderte Dr. Behnisch mit belegter Stimme. »Herr Morrell könnte jetzt mit seinem Vater sprechen. Er ist bei Bewußtsein.«

      »Das ist eine gute Nachricht«, sagte Jean Pierre hastig. »Sie verstehen, Cordula…«

      »Aber selbstverständlich! Sie wissen, wo Sie mich erreichen können. Alles Gute, vor allem für Ihren Vater.«

      Er verabschiedete sich mit einem Handkuß von ihr. Dr. Behnisch nickte ihm kurz zu. »Wir sehen uns später«, sagte er.

      Nun konnte sie mit Dr. Behnisch reden, der sogleich entschuldigend erklärte, daß er sehr überrascht gewesen sei, sie mit Jean Pierre Morrell zu sehen.

      »Und die Ähnlichkeit mit Leon überrascht Sie doch wohl auch«, sagte Cordula gleich ganz direkt.

      »Ich kann mir diese nur schwer erklären.«

      »Ich wüßte schon eine Erklärung, wenn diese auch etwas delikat ist. Aber ich möchte mit Ihnen darüber sprechen, wenn Sie einverstanden sind.«

      »Sogar sehr einverstanden«, erwiderte er.

      Sie gingen zu seinem Zimmer.

      »Haben Sie eine Meinung zu dieser Ähnlichkeit?« fragte sie dann mit einem flüchtigen Lächeln. »Aber ich will Ihnen die Antwort abnehmen, denn Sie haben sich bestimmt Gedanken gemacht. Ist Herr Morrell senior wirklich rein zufällig hier?«

      »Von uns aus gesehen schon. Was ihn allerdings bewegte, wissen wir noch nicht. Aber vielleicht wissen Sie ein bißchen mehr und können mir weiterhelfen.«

      »Eigentlich bin ich gekommen, um mir selbst weiterzuhelfen, denn seit ich Jean Pierre kenne, kreisen meine Gedanken unaufhörlich.«

      »Und wie haben Sie ihn kennengelernt?«

      »Er hat mir einen riesigen Auftrag gebracht. Er wußte aber auch, daß ich mit Leon verheiratet war. Und ich wußte von Leon, daß seine ach so ehrbare Mutter eine sehr enge Beziehung zu Jean Claude Morrell hatte, bevor sie seinen Vater geehelicht hat. Auf Befehl der Familie. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn das zynisch klingt, aber in mir sitzt der Stachel immer noch, daß man mein Kind – Leons Kind – nicht akzeptiert hat. Ich selbst hatte kein Interesse an dieser Familie. Ich war bis über beide Ohren in Leon verliebt, doch unsere Ehe war ein Fiasko, ich leugne es nicht. Nun, nach dem Tode seiner Mutter, bemüht sich Hanno um Kontakte zu uns. Er hat es auch früher schon versucht, das muß ich zugeben, aber ich war sehr ablehnend, sicher auch ungerecht ihm gegenüber. Nora mag ihn, und deshalb möchte ich Ordnung in unsere Beziehungen bringen, da ich auch Verständnis für den Baron aufbringen kann… wenn es sich so verhält, wie ich vermute.«

      »Und was vermuten Sie, Frau von Ahlen?« Dr. Behnisch nannte sie mit Absicht so, aber sie schien es gar nicht zu hören.

      »Ich vermute, daß Henriette von Ahlen ein sehr intimes Verhältnis mit Jean Claude Morrell hatte… und daß Leon sozusagen dem Baron als Kuckucksei untergeschoben wurde, was er womöglich später auch bemerkte. Schließlich sind die beiden Brüder ja auch grundverschieden.«

      »Sie denken doch nicht, daß der Baron einen solchen Betrug schweigend hingenommen hätte?«

      »Ganz gewiß nicht, aber bei seinem Hochmut würde er das niemals in aller Öffentlichkeit zugegeben haben. Ich muß es so sagen. Sie kennen meine Einstellung zu dieser Familie.«

      »Nein, zugegeben hätte er es nicht, aber die Ehe wurde fortgeführt.«

      »Ich denke, daß es keine Ehe mehr war. Leon hat sehr drastisch darüber gesprochen. Wenn es bei uns auch in mancher Hinsicht nicht stimmte… es herrschte Offenheit. Und heute weiß ich genau, daß er unter diesen Spannungen, diesen Verhältnissen gelitten hat und zu einer wirklichen Liebe gar nicht fähig sein konnte, weil er auf einem Pulverfaß groß wurde. Er wagte zwar den Absprung, aber er blieb in sich zwiespältig. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß der Baron seine Frau so unter Druck setzte, daß sie nur noch kuschte, um von ihm nicht an den Pranger gestellt zu werden.«

      »Was im Grunde aber gar nicht in seiner Absicht lag, weil er sich selbst damit zum Gespött hätte machen können«, sagte Dr. Behnisch.

      »Genau das glaube ich auch. Ich bin froh, mit Ihnen darüber sprechen zu können. Mit Paps habe ich das Thema auch schon erörtert, aber er hatte Leon wirklich sehr gern, und er plädiert auch für eine bessere Beziehung zu Hanno. Er soll nicht für etwas gestraft werden, was in der Vergangenheit geschah, zu der Überzeugung bin ich inzwischen gekommen.«

      »Und was ist mit Jean Pierre Morrell?« fragte Dr. Behnisch vorsichtig.

      »Ich denke, daß wir mal recht gute Freunde sein können, wenn alles geklärt ist. Doch es scheint so, als wüßte er nichts von dem Verhältnis, das seinen Vater mit Henriette verband. Und er hat keine Ahnung, worüber wir gesprochen haben, Dr. Behnisch. Ich habe ihm nur gesagt, daß ich Sie gut kenne und mit Ihnen darüber sprechen will, daß sein Vater wirklich auf das Beste versorgt werden wird. Gibt es für ihn eine Rettung?«

      »Vielleicht für ein paar Monate. Er hat Magenkrebs. Sein Sohn wird das heute auch erfahren. Er muß darauf vorbereitet sein.«

      »Er hängt sehr an seinem Vater«, sagte Cordula leise.

      »Aber Wunder geschehen in solchen Fällen selten. Übrigens hat er nach einer Anouk Angers verlangt. Wir haben sie bereits verständigt.«

      Cordulas Augen weiteten sich. »Das scheint eine Freundin von Jean Pierre zu sein. Er hat jedenfalls mir gegenüber eine Anouk erwähnt. Wird sie kommen?«

      »Ja, sie hat zugesagt. Sie nimmt das nächste Flugzeug von Genf.«

      »Ich würde gern mit ihr sprechen«, sagte Cordula. »Vielleicht kann ich da eine Brücke schlagen.«

      »Wie meinen Sie das?« fragte Dr. Behnisch überrascht.

      »Sie hat vielleicht nicht die richtige Einstellung zu Jean Pierre.«

      »Und da wollen Sie sich einmischen?«

      »Nein, das nicht, nur aus dem Schatz reicher Erfahrungen einen kleinen Hinweis geben.«

      »Das ist wirklich sehr anerkennenswert.«

      »Ich will Jean Pierre nicht an mich binden, lieber Dr. Behnisch. Ich mag ihn, aber mehr ist da nicht. Und ich wollte Sie auch noch etwas anderes fragen, wenn ich darf.«

      »Ich bin ganz Ohr.«

      »Es geht da um eine gewisse Sonja Keller, die behauptet, von Leon einen Sohn zu haben. Die Affäre war vor unserer Heirat, aber wir hegen Zweifel, daß Leon der Vater ist. Was kann man tun, um Klarheit zu schaffen?«

      »Beweise verlangen, das Gericht einschalten. Aber das sollten Sie wirklich den direkten Betroffenen überlassen.«

      »Sie schlug mir vor, gemeinsam gegen den Baron vorzugehen.«

      »Ganz schön frech! Sie waren ja Leons Frau, und Ihre Tochter ist ehelich geboren.«

      »Und auch unverkennbar seine Tochter. Sie hat sogar sein Muttermal geerbt. Es ist sogar an der gleichen Stelle, nämlich am rechten Oberarm.«

      »Vielleicht