Patricia Vandenberg

Dr. Norden Extra Staffel 1 – Arztroman


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das werde ich tun«, versprach Hanno.

      *

      Cordula war völlig konsterniert, als Nora ihr frisch von der Leber weg erzählte, daß sie mit dem Großvater telefoniert hatte. »Mit dem von Ahlen«, erklärte sie pfiffig, »er wollte eigentlich dich sprechen, aber wir haben uns dann ganz gut unterhalten. Er ruft dich noch mal an. Und er hat okay gesagt.«

      »Wozu?« fragte Cordula fassungslos.

      »Daß wir uns mal kennenlernen. Er war wirklich ganz nett, wenn seine Stimme auch nicht so lieb ist wie die von Hanno. Aber er hat ja auch zum ersten Mal mit mir geredet, und wir müssen uns auch erst mal beschnuppern.«

      »Das ist ein Kind!« stöhnte Cordula, als sie mit ihrem Vater sprach. »Was soll ich nun bloß machen? Wie soll ich mich verhalten?«

      »Vielleicht schafft sie, was dir nicht beschieden war, nämlich diesen eigensinnigen Despoten umzuprogrammieren. Mich hat es fast umgeworfen, wie sie mit ihm geredet hat. Dabei habe ich nur den Schluß mitbekommen. Und vielleicht ist das auch erst möglich nach dem Tode seiner bigotten Frau.«

      »Wie kommst du auf bigott?«

      »Das ist doch vornehm ausgedrückt… und man kann es verschieden deuten. Jedenfalls bin ich nach allem, was ich jetzt weiß, überzeugt, daß sie scheinheilig war, die treue, devote Ehefrau spielte… dabei aber eine zweifelhafte Vergangenheit hatte!«

      »Sag das doch nicht gleich so hart, Paps.«

      »Wie soll man es sonst nennen? Sie hat sich doch nicht zu ihrer ersten und angeblich großen Liebe bekannt. Und eine Frau, die ihrem Ehemann das Kind eines andern unterjubelt…«

      »Woher nimmst du die Gewißheit, Paps?« fragte Cordula.

      »Wir haben doch darüber geredet, und ich habe mir alles durch den Kopf gehen lassen, zudem mit allem kombiniert, was mir Leon erzählt hat.«

      »Was hat er dir erzählt?«

      »Was in der Ehe seiner Eltern alles nicht stimmt. Er war in sich zerrissen, Cordula, deshalb hat er gar keine intensive Beziehung zu einer Frau aufbauen können. Er hat seine Mutter verachtet.«

      »Warum hast du nie mit mir darüber gesprochen?«

      »Weil er doch für dich sowieso ein Buch mit sieben Siegeln war.«

      »So kann man es nicht nennen, Paps. Ich wußte einfach nicht, was bei ihm echt oder falsch ist. Warum hat er nie mit mir geredet, Paps, so wie mit dir?«

      »Weil er zu Frauen eine besondere Einstellung hatte… eben durch die Beziehung zu seiner Mutter. Er hat mir gesagt, daß er alles nur deshalb von ihr bekam, weil er keine Fragen stellen sollte.«

      »Was für Fragen?«

      »Bezüglich der Ehe seiner Eltern. Er hat mich gefragt, wie es bei uns war. Einen Glorienschein konnte ich ja wahrhaftig nicht um mein Haupt legen, aber ich konnte wenigstens mit dir offen sprechen. Das war bei Leon nicht möglich. Er sagte glatt, daß seine Eltern scheinheilig-verlogen wären. Deshalb gebrauchte ich auch das Wort bigott, das etwas dezenter ist.«

      »Er war doch auch nicht offen«, sagte Cordula mit einem Anflug von Bitterkeit.

      »Er war das Produkt dieses Familienlebens. Er hat keinen geliebt, seinen Vater nicht, seine Mutter nicht, und seinen Bruder auch nicht. Und jetzt haben wir die Erklärung: Er gehörte nicht in diese Familie, da bin ich ganz sicher.«

      »Aber seine Mutter hat ihn zur Welt gebracht«, beharrte Cordula.

      »Jedoch unter welchen Voraussetzungen? Voller Angst und Sorge, daß ihre Affäre mit allen Folgen bekannt würde, daß sie tatsächlich an den Pranger gestellt würde. Daß sie die einmalige Chance; die ihr die Ehe mit dem reichen Ahlen bot, nicht nutzen könnte. Sie muß schon ganz schön berechnend gewesen sein. Vielleicht hat Morrell das schnell herausgefunden, nachdem er mal kurz in sie verliebt war.«

      »Jedenfalls scheint Jean Pierre nicht sehr viel zu wissen«, erklärte Cordula. Dann erzählte sie ihrem Vater ausführlich, daß sie die Zeit mit Jean Pierre eigentlich nur in der Behnisch-Klinik verbracht hatte.

      »Ich habe auch mit Dr. Behnisch gesprochen. Er macht sich ebenfalls Gedanken wegen der Ähnlichkeit. Er war völlig verblüfft, als er Jean Pierre kennenlernte, das hat er mir gesagt.«

      »Und wann lerne ich ihn kennen?« fragte Hans stockend.

      »Sicher bald, Paps, aber du kannst ganz beruhigt sein: Wir werden bestimmt gute Freunde, jedoch mehr nicht. Ich werde sogar versuchen, eine Brücke zu seiner Freundin zu schlagen.«

      »Du scheinst doch schon recht vertraut mit ihm zu sein, Cordula.«

      »Wir verstehen uns, und ich glaube, er braucht mich irgendwie, Paps.«

      Hans nahm seine Tochter in die Arme. »Laß dein Herz sprechen, mein Liebes«, sagte er weich. »Kapsele dich nicht ein. Du kannst soviel geben, Cordula!«

      »Aber jetzt muß ich erst mal mit meiner so einfallsreichen Tochter klarkommen, die bestimmt nicht lockerlassen wird, bis sie den Großvater von Ahlen in Augenschein genommen hat. Nun, dann lerne ich ihn wohl doch noch kennen.«

      *

      Jean Pierre lernte an diesem Abend ebenfalls jemanden kennen, und das war in dieser Geschichte wohl der irrsinnigste Zufall.

      Er hatte nur eine Kleinigkeit essen wollen und war dazu in ein ganz unscheinbares Restaurant in der Nähe seines Hotels gegangen, weil er dem feudalen Getriebe in diesem entfliehen wollte.

      Er hatte das Restaurant gerade erst betreten, als die junge Frau am Tresen einen schrillen Schrei ausstieß und dann auf ihn zugestürzt kam.

      »Leon, du lebst!« stieß sie hervor. »Du bist gar nicht tot! Mein Gott, haben sie dich auf mich gehetzt? Ich konnte das doch nicht ahnen, bitte, tu mir nichts.«

      Sie hatte anscheinend schon einiges getrunken, aber Jean Pierre wußte natürlich nicht, was er denken sollte!

      Aber er hatte den Namen Leon vernommen und konnte kombinieren, und er war klug genug, diese Frau mit einer Ablehnung nicht vor den Kopf zu stoßen, weil er hoffte, von ihr mehr erfahren zu können.

      Er faßte sich an die Stirn. »Kannst du mir mal weiterhelfen? Mein Gedächtnis funktioniert nicht gut«, sagte er.

      »Ich bin doch Sonja, Sonja Keller. Du mußt dich erinnern! Bestimmt hat dein Vater gesagt, daß ich wegen des Kindes bei ihm war. Bitte, laß dir alles erklären. Aber wieso bist du gar nicht tot?«

      »Ich weiß es nicht«, sagte Jean Pierre. »Ich weiß gar nichts. Ich heiße auch nicht Leon, sondern Jean Pierre.«

      »Dann hast du anscheinend ein ganz tolles Ding gedreht«, sagte sie, »aber ich bin dabei«, fuhr sie kichernd fort. »Ging es vielleicht um die Versicherung, und hat deine hochnäsige Frau da mitgespielt? Ich habe wegen des Jungen bei deinem Vater und ihr angeklopft.«

      »Um was für einen Jungen geht es?« fragte Jean Pierre.

      »Um meinen Sohn. Du wirst es natürlich auch leugnen, daß du der Vater bist, aber ich dachte, daß dein stinkreicher Vater ruhig was blechen könnte. Verstanden haben wir uns doch mal ganz gut.«

      Sie sah ihn verführerisch an, und sie legte ihre Hand auf seine Schulter. Jean Pierre fand das Spielchen interessant, besonders deshalb, weil sie ihn tatsächlich für Leon zu halten schien.

      »Jean Pierre gefällt mir auch«, sagte sie da girrend. »Du wirst schon wissen, was du tust. Wir müssen uns unbedingt aussprechen. Ich wollte dich ja wegen Juan nicht zur Kasse bitten, aber deinem Vater dürfte es doch nicht wehtun! Vielleicht können wir da was gemeinsam drehen. Oder weiß er schon, daß du lebst?«

      »Ich heiße Jean Pierre Morrell«, sagte er, da es ihm nun doch mulmig wurde.

      »Ist ja okay, der Name gefällt mir auch«, sagte sie, »und du gefällst mir noch viel besser als früher. Setz dich an den Tresen, da können wir reden.«