Tarzan damals vor Jahren, als er sich auf die Suche nach Geschöpfen seiner Art und Färbung gemacht hatte, jenen Terkop klein kriegte, so ging er jetzt mit demselben Griff, den ihm ein Zufall in jenem Kampfe offenbarte, auf dies neue gewaltige Ungeheuer los.
Schon mochte die kleine Schar wütender Menschenaffen das leise Knacken vernehmen, das sich unheimlich in ihres Königs schreckliches Jammergebrüll mischte.
Und dann gab es plötzlich einen Krach, als würde ein Baum, eben noch fest und trotzig in der Erde verwurzelt, vom rasenden Orkan geknickt wie ein Streichholz. Nach vorn sank das riesige Haupt, nieder auf die behaarte Brust. Schlaff die Halsmuskeln, zu Ende das Kreischen und Gebrüll …
Die kleinen »Schweinsaugen« der Zuschauer wanderten unschlüssig von ihres Führers regungslosem Körper zu dem weißen Affen. Der erhob sich und trat zur Seite. Und dann bohrten sich ihre Blicke wieder in die Gestalt ihres Königs, gleich als wunderten sie sich, warum er nicht aufspränge und diesen vermessenen Fremdling niederschlüge.
Sie sahen, wie der Neuling seinen Fuß in den Nacken seines Gegners setzte, – und der zuckte sich nicht! Tarzan warf mit einem Ruck sein Haupt zurück, und unsagbar wild entquoll seiner Kehle der gewaltige Affen-Ruf. Da wussten sie: der König war tot.
Und weithin trug der Dschungel jenen schrecklichen Siegerruf. Das Schnattern der kleinen Affen in den Baumkronen verstummte, es schwiegen die Stimmen der buntgefiederten Vogelwelt, und von fern her kam eines Leoparden klagende Antwort und das tiefe Brüllen eines Löwen.
Der alte Tarzan war’s, der seine Augen jetzt fragend auf diesen kleinen Affentrupp vor sich richtete. Der alte Tarzan, wie er jetzt sein Haupt schüttelte, als hätte er die Fülle seines Haares aus dem Gesichte zurückzuwerfen: Eine alte Gewohnheit aus den Tagen, da ihm das Haar in dichten schwarzen Strähnen bis auf die Schultern herabhing und ihm gar oft den freien Blick zu nehmen drohte, wenn es auf Leben und Tod ging.
Tarzan wusste, dass er mit sofortigem Angriff von einem der Überlebenden – es schien ihm, als sei dieser ganz besonders gut gebaut, ja als hielte er sich allein zum Kampfe um die Königswürde seines Stammes berufen – zu rechnen hatte. Es war ihm aber auch von früher her in der Erinnerung, dass man einen völlig Fremden bisweilen in die Stammesgemeinschaft aufnahm, ja dass dieser sich nach Erledigung des Königs sogar zum Stammesgebieter und Oberhaupt der alten königlichen Familie aufschwingen konnte.
Wenn er anderseits jetzt ihnen nicht zu folgen suchte, würden sie sich vielleicht auch wegschleichen, fort aus seinem Bereiche, und dann nur untereinander um die Führerschaft kämpfen … Dass er ihr König sein könne, wenn er nur wollte, so viel war ihm klar; nicht aber, ob er auch die mancherlei lästigen Pflichten, die notwendig mit dieser Würde zusammenhingen, auf sich nehmen wollte. Denn darin lag jawohl kein besonderer Vorteil.
Der Affe, noch jung, aber mit furchtbaren Muskeln gerüstet, rückte näher an ihn heran. Aus dem weitgeöffneten Munde blitzten stattliche Fangzähne, und ein tiefes, unwilliges Brummen ließ sich hören.
Wie in Stein gemeißelt stand Tarzan da. Keine Regung seines Gegenüber schien ihm zu entgehen. Einen Schritt zurückweichen? Oder sich vorstürzen? Beides würde wohl nur einen unmittelbaren Angriff auslösen, dachte er. Oder? Könnte er nicht auch so den Kampflustigen in die Flucht schlagen? Nun, das hinge eben alles von des jungen Affen Mut ab.
Ruhiges Abwarten schien ihm also der rechte Mittelweg zu sein. Brummend und zähnefletschend würde der Affe bis dicht an ihn herankommen, so fingen sie ja gewöhnlich an; er würde sich dann ganz vorsichtig um ihn herumzuschleichen suchen, immer darauf aus, seine Schulter zu packen. Und so kam es auch.
Sollte das ein besonders königlicher Trick sein, oder würde eine plötzliche Regung der immer unbeständigen Affennatur plötzlich und ohne jeden warnenden Laut den zottigen Koloß wie einen reißenden Wolf über seinen Gegner hereinbrechen lassen?
Das Ungeheuer kreiste. Tarzans Augen wichen keine Sekunde von ihm, denn, so jung es sein mochte: Es schien ihm vollauf ebenbürtig dem eben verendeten Stammeshaupt, ihn dünkte, es würde eines Tages ohnehin auch über jenen hergefallen sein. Wie wunderbar die Formen dieses Untiers, wie es so dastand und die kurzen gekrümmten Beine mit dem wuchtigen Leibe um mehr als zwei Meter überragte! Selbst in dieser Haltung reichten seine großen, dicht behaarten Arme bis zur Erde, und wie lang und scharf schienen gar die Fangzähne, als sie jetzt sich drohend Tarzans Gesicht zuwandten! Nur wenig Unterschied glaubte Tarzan zwischen diesem Stamm hier und den Affen, bei denen er seine Jugend zugebracht, zu bemerken.
Zuerst, als Tarzan die zottigen Menschenaffen gewahrte, war es ihm wie ein Hoffnungsschimmer vorgekommen: Vielleicht hatte ihn doch die Laune irgendeines unergründlichen Schicksals nun gerade zu seinem alten Stamme zurückgeführt? Aber als er jetzt näher hinsah, war er überzeugt, dass ihm hier doch andere gegenüberstanden.
Unermüdlich kreiste das Ungetüm weiter, hartnäckig blieb es in seiner drohenden Haltung, und ab und zu schien es jetzt zu einem plötzlichen Vorstoß anzusetzen. Als wären sie zwei Hunde, die einander zum ersten Male in den Weg liefen, so kam es ihm vor. Dann fiel ihm mit einem Male ein, dass er doch probieren müsse, ob eigentlich die Sprache dieses Affenstammes irgendetwas Gemeinsames mit der seiner alten Genossen aufweise. Und so wandte er sich in Kerschaks wohlbekannten Lauten an sein Gegenüber. Wer bist du? fragte er. Wer wagt sich gegen den Affen-Tarzan?
Überraschung flammte in des struppigen Ungeheuers Augen auf.
Akut bin ich, kam die Antwort von drüben.
Wie Tarzan vermutete: Ganz die gleichen ureinfachen Laute, wie die seines alten Stammes, bei dem er die ersten zwanzig Jahre seines Lebens zugebracht! So wenig entwickelt jedes Wort, dass es gar nicht anders sein konnte.
Akut bin ich, sagte der Affe. Molak ist tot, jetzt bin ich der König. Fort mit dir, oder ich werde dich töten.
Du sahst, wie leicht ich Molak tötete, erwiderte Tarzan. Verlangte ich König zu sein, ginge es dir ebenso. Aber der Affen-Tarzan will nicht über den Stamm der Akuts herrschen. Nichts weiter will er als friedlich leben in seinem Lande. Wir wollen Freunde sein. Der Affen-Tarzan kann euch helfen, ihr könnt dem Affen-Tarzan helfen.
Du kannst Akut nicht töten, entgegnete der andere. Niemand ist so groß wie Akut. Hättest du Molak nicht getötet, würde Akut es getan haben, denn Akut war gerüstet, die Macht an sich zu reißen.
Der Affenmensch antwortete hierauf