Kai Hirdt

Perry Rhodan Neo 247: Die Welt jenseits der Zeit


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gibt es keinen Ausweg, der Sie nicht auf die eine oder andere Art mit Quinto zusammenführt. Möglicherweise gelingt es ihm und seinen Spezialisten, Ihr Problem zu lösen.«

      »Ich fühle mich schwach«, behauptete Jessica. »Ich würde mich gern noch ein wenig erholen, bevor ich zu ihnen gehe.« Nichts davon stimmte. Sie wollte in Wahrheit so schnell wie möglich weg, hinaus aus NATHANS innerster Kammer, bevor sich genug neue Technosporen für einen wirkungsvollen Angriff gebildet hatten. Aber wegen Hondros eiserner Kontrolle wartete sie still und geduldig.

      »Das ist verständlich und angesichts Ihrer Verfassung empfehlenswert«, stimmte NATHAN zu. Ohne Hast wechselten die Formen seines Holoavatars iterativ, Vier-, Sechs-, Acht-, Zwölf- und Zwanzigflächner.

      Jessica spürte, wie Hondro triumphierte.

      Ihr Blick fiel auf Oriels unteren Kegel. Bleierne Resignation erfasste sie. »Oriel«, sagte sie. »Er hätte sich jederzeit teilen können, nachdem er die Sporen aufgenommen hatte. Warum hat er so lange gewartet? Das hat doch nur das Risiko erhöht, für dich und für ihn.«

      »Sie gedenken seiner«, stellte NATHAN fest. »Das würde ihn freuen. Mich freut es ebenfalls.«

      Jessica lächelte traurig. »Und das Rettungsprogramm? Warum hat es mich vor dem Sturz in den Brunnen bewahrt? Ich hätte den Tod verdient gehabt.«

      »Noch einmal«, sagte NATHAN mit leichtem Tadel in der Stimme. »Nichts von dem, was hier geschieht, ist Ihre Schuld. Bitte vergegenwärtigen Sie sich das. Um Ihre Frage zu beantworten: Ich versuche, Leben zu schonen, insbesondere so faszinierendes und stets überraschendes Leben wie das menschliche. Oriels Opfer hat es möglich gemacht, Sie zu retten. Andernfalls hätte ich Sie wahrscheinlich frühzeitig in den Brunnen stürzen müssen, damit Sie die Sporen nicht freisetzen.«

      »Ich habe einmal einen Sturz in einen Zeitbrunnen überlebt. Weißt du vielleicht, warum?«

      »Nein«, gab die Hyperinpotronik freimütig zu. »Bei dem Vorgang handelte es sich um eine Anomalie. Außer in alternativlosen, letalen Bedrohungssituationen würde ich keine Strategie auf der Hypothese aufbauen, dass diese speziellen Umstände reproduzierbar sind. Die Passage durch einen Zeitbrunnen ist für Menschen üblicherweise nur mit einem speziellen Schutz möglich, den ich Ihnen leider nicht bieten kann.«

      Die geschraubte Ausdrucksweise brauchte Jessica unwillkürlich zum Lächeln. Doch beim nächsten Atemzug verschwand die gelöste Empfindung sofort wieder. Sie bekam nicht so viel Luft, wie sie sollte. Nun wusste sie, welchen Teil ihres Körpergewebes die Sporen angriffen: Ihre Lunge löste sich auf.

      Wunderbar, hörte sie Iratio Hondro frohlocken. Du opferst dich für einen guten Zweck. Sag ihm jetzt, dass du den blauen Schirm verlassen und zu Quinto gehen willst.

      Sie tat, was er ihr befohlen hatte. Was auch sonst?

      »Davon möchte ich abraten«, erwiderte NATHAN. »Die Sporenlast in Ihren Atemwegen ist mittlerweile so hoch, dass selbst die Anstrengung eines kurzen Fußwegs Sie töten könnte.«

      »Du weißt es?«, fragte Jessica perplex. »Du weißt, was geschieht, und lässt mich trotzdem in deinem Innern?«

      »Der blaue Schirm schützt mich nicht schlechter als zuvor«, versicherte NATHAN. »Für mich ist der Zeitpunkt Ihres Aufbruchs irrelevant. Für Sie hingegen sieht das anders aus. Sie haben im Kampf mit Sergeant Clyde Callamon Ihren Strahler verloren. Bitte heben Sie ihn auf. Ich habe das Energiemagazin neu aufgeladen.«

      »Warum?« Automatisch griff sie nach der Waffe, während sie versuchte, NATHANS Worte mit Sinn zu füllen. Ein blaues Dodekaederholo wurde zum Zwanzigflächner.

      »Ich darf Ihnen mitteilen, dass Ihr Moment gekommen ist. Vielen Dank für den netten Austausch.«

      »Was?«, fragte Jessica verwirrt. »Was für ein Moment?«

      Das Ikosaederhologramm erlosch. NATHAN antwortete nicht.

      Der Sturm brauste wieder auf und riss Jessica Tekener mit sich in den Zeitbrunnen. Dieses Mal bremste nichts ihren Sturz.

      2.

      Das eigene Niesen weckte Gucky auf. Er öffnete die Augen und fand sich von einem Glitzern in der Luft umflirrt. Es war aber nicht der Mondstaub, mit dem er hatte rechnen dürfen. Ihn umgab auch nicht die sterile Atmosphäre einer lunaren Untergrundanlage, sondern eine sanfte Brise und ein Duft wie von irdischen Tannennadeln. Waren sie auf der Erde rematerialisiert statt auf dem Mond?

      Er blinzelte ein wenig Glitzerstaub aus den Augen und beantwortete die eigene Frage mit einem klaren Nein. Sofgart, Omar Hawk, dessen Okrill Watson und Gucky höchstselbst waren irgendwo aus dem Zeitbrunnen gefallen, aber ganz sicher nicht im irdischen Sonnensystem.

      Denn das Licht dieser Welt stammte nicht von einer Sonne. Stattdessen verlief am Himmel über ihm ein glimmendes Band, das sich von Horizont zu Horizont zog. Es leuchtete nur schwach. Aber da es so eine große Gesamtfläche hatte, spendete es trotzdem genug Helligkeit, um die Umgebung in ein eigenartiges Dämmerlicht zu tauchen.

      Neben seinen drei Begleitern beleuchtete es die schwarz wabernde Fläche eines Zeitbrunnens, der das Zentrum einer fünfzig Meter durchmessenden Lichtung mitten in einem Urwald bildete. Der Boden rund um den Brunnen war mit unbearbeiteten, gelblichen Natursteinplatten gepflastert, auf denen eben jener Staub glänzte und schillerte, der in Guckys feine Nase geraten war und ihn geweckt hatte.

      Drei Wege führten von der Lichtung fort, alle breit genug für mehrere Fahrzeuge nebeneinander. Allerdings sahen sie nicht so aus, als würden sie noch benutzt. Denn auch auf diesen Pfaden schillerte Kristallstaub, unberührt wohl seit Monaten, vielleicht sogar seit Jahren.

      Watson regte sich. Der Okrill, das achtbeinige, krötenhafte Riesentier vom Planeten Oxtorne, stieß mit der Schnauze sein Herrchen an. Omar Hawk brummte und drehte sich auf die Seite.

      Der Schwung der eigenen Bewegung beförderte ihn ein paar Zentimeter in die Luft. Der darauf folgende Aufprall weckte ihn endgültig. Vorsichtig richtete er sich auf. Seine Augen wurden schmal. Still musterte er die Umgebung. Erst nachdem er alles gesehen hatte, wandte er sich an Gucky. »Wo sind wir?«

      »Gute Frage.« Der Ilt fegte mit seinem breiten Biberschwanz den Kristallstaub von einer Steinplatte und setzte sich. »Nicht auf Luna jedenfalls. Da müssen wir aber hin. Und zwar pronto.« Womöglich stand das Schicksal der Menschheit auf dem Spiel. Der größenwahnsinnige Plophoser Iratio Hondro strebte nach der Herrschaft über die gesamte Solare Union, und er hatte wahrscheinlich irgendeine Schweinerei auf dem irdischen Mond ausgeheckt.

      Sofgart hatte Gucky und Hawk versprochen, sie durch den Zeitbrunnen dorthin zu führen, wo sie dem Übeltäter das Handwerk legen wollten. In der Theorie klang es immer einfach.

      Hawk stand endgültig auf und machte einen vorsichtigen Schritt auf den bewusstlosen Arkoniden zu. »Mein Mikrogravitator ist hinüber«, klagte der Oxtorner. »Ich kann die niedrige Schwerkraft hier nicht ausgleichen.«

      Gucky verzichtete auf den Hinweis, dass die Gravitation für seinen Geschmack sogar ein wenig zu hoch war. Hawk stammte nun mal von einer Welt mit der mehrfachen Masse Terras. Entsprechend amüsant wirkte es, wenn er versuchte, sich ohne technische Hilfe auf erdähnlichen Planeten zu bewegen – seine Bewegungen glichen denen von normalen Menschen, die auf dem Mond außerhalb der künstlichen Schwerkraftzonen zu rennen versuchten.

      Gucky prüfte die Technik seiner eigenen Bordkombination. Die Montur war nur ein schlichter Schutzanzug; er war unvermittelt und ohne große Vorbereitung zu diesem Einsatz aufgebrochen. Aber auch eine supersonder-iltangepasste Kampfrüstung mit ausfahrbaren Carbonfaserbiberschwanzschutzlamellen, Mäuseohrenhelm und Terminatorbewaffnung hätte ihm fraglos nichts gebracht. Denn sogar die wenigen in seine Kleidung integrierten Hilfsmittel waren sämtlich tot wie ein funkelnagelneues Spielzeuggeschenk ohne Energiezelle.

      »Lebenszeichen?«, fragte Hawk.

      »Bislang nichts gesehen.« Gucky betrachtete alle drei Straßen. Den Weg, der im rechten Winkel von dem schimmernden Band