die Diagnose einer PSP bei diesem Patienten früher gestellt werden können?
Indizien, die bei der klinischen Unterscheidung zwischen dem IPS und der PSP helfen können, aber auch Limitationen der klinischen Diagnosemöglichkeiten sollen anhand des folgenden Fallberichtes beispielhaft aufgezeigt werden.
Einleitung
Für die klinische Diagnose eines idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS) finden in der klinischen Routine üblicherweise die UK Brain Bank-Kriterien (United Kingdom Parkinson’s Disease Society Brain Bank) (Gibb et al. 1988) (
Die PSP stellt als atypisches Parkinson-Syndrom eine wichtige Differenzialdiagnose des IPS dar. Ihre Prävalenz wird auf 3–6 pro 100.000 Einwohner geschätzt. Im Vergleich zum IPS haben Patienten mit PSP eine deutlich schlechtere Prognose: die Erkrankungsdauer bis zum Tod beträgt im Durchschnitt ca. sechs bis neun Jahre. Die PSP ist eine neuropathologisch definierte Krankheitsentität, deren klinische Manifestation insbesondere in den ersten Krankheitsjahren ganz unterschiedlich sein kann. Typische Symptome, die aber längst nicht bei allen Patienten auftreten, sind eine frühe posturale Instabilität mit Stürzen und eine supranukleäre Blickparese. Nach der im Vordergrund stehenden klinischen Symptomatik werden bei der PSP daher verschiedene klinische Manifestationsformen unterschieden, die als Prädominanztypen bezeichnet werden. Die häufigsten sind die PSP mit prädominantem Richardson-Syndrom (PSP-RS) und die PSP mit prädominantem Parkinson-Syndrom (PSP-P) (Respondek et al. 2014).
In Ermangelung zuverlässiger Biomarker bzw. Bildgebungsmarker für die Diagnose der PSP und des IPS sind Anamnese, detaillierte klinisch-neurologische Untersuchung durch einen in Bewegungsstörungen erfahrenen Neurologen für die Differenzialdiagnose besonders wichtig.
Anhand dieses Falles soll den Fragen nachgegangen werden, 1. welche Kriterien bei der klinischen Unterscheidung zwischen einem IPS und einer PSP hilfreich sind, 2. wie sicher und wie früh die richtige klinische Diagnose gestellt werden kann und 3. welche Relevanz die klinische Diagnose für den Patienten hat.
Falldarstellung
Anamnese
Wir befinden uns in der Ambulanz für Bewegungsstörungen im Klinikum rechts der Isar in München im Sommer 2017. Herr S. stellt sich in Begleitung seiner Ehefrau erstmals für eine diagnostische Zweitmeinung vor. Der aktuell 63-jährige Patient habe im Jahr 2011 die Diagnose eines IPS von einem damals aufgesuchten niedergelassenen Neurologen erhalten. Begonnen habe die Symptomatik ebenfalls im Jahr 2011 mit einer Feinmotorikstörung und einem gelegentlichen Zittern der rechten Hand. Eine REM-Schlafverhaltensstörung oder eine Hyposmie hätten damals wie heute nicht bestanden. Autonome Funktionsstörungen, wie orthostatischer Schwindel und Blasenstörung bestünden nicht. Bei Herrn S. hätten bisher weder er selbst noch seine Ehefrau Einschränkungen des Gedächtnisses oder der Orientierung wahrgenommen. Lediglich die Multitasking-Fähigkeit sei reduziert. Nennenswerte Vorerkrankungen seien ebenfalls nicht bekannt. Die Familienanamnese sei bezüglich neurodegenerativer Erkrankungen negativ.
Therapeutisch habe Herr S. im Jahr 2011 zunächst Dopaminagonisten erhalten (Präparat und Dosierung unklar). Hierunter sei es jedoch zu einer ausgeprägten Tagesmüdigkeit und nur einer fraglichen Besserung der Symptomatik gekommen, sodass bald eine Therapie mit L-Dopa initiiert worden sei. Mit einer Dosierung von 600 mg pro Tag habe sich die Feinmotorikstörung zunächst deutlich gebessert. Dennoch sei im Jahr 2012 bereits eine Steigerung auf 800 mg L-Dopa pro Tag nötig gewesen, um eine ausreichende Linderung der Symptome zu bewirken.
Im Jahr 2014 seien Sehstörungen hinzugekommen, die Herr S. als Verschwommensehen und Fokussierungsprobleme beim Lesen beschreibt. Daher sei ein Augenarzt konsultiert worden, der allerdings außer einem Sicca-Syndrom keine Auffälligkeiten habe finden können. Die zunehmende, nun auch die linke Hand betreffende Feinmotorikstörung sowie eine seit 2015 bestehende und seit 2016 zu Stürzen führende Gleichgewichtsstörung hätten Herrn S. schließlich zur aktuellen Vorstellung veranlasst. Herr S. sei nun innerhalb eines Jahres dreimal gestürzt, ohne dass hierfür eine unmittelbare Ursache erkennbar gewesen sei. Mittlerweile habe Herr S. in Eigenregie die L-Dopa-Dosis reduziert, da er ersten nach einer Dosissteigerung auf 1.000 mg pro Tag keine Besserung bemerkt habe und es zweitens nach Auslassversuchen zu keiner Verschlechterung der Symptomatik gekommen sei. Nun nehme Herr S. 3 x täglich 100 mg L-Dopa ein.
Klinisch-neurologische Untersuchung
Kognition: