Susanne Kabatnik

Leistungen von Funktionsverbgefügen im Text


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bezeichnet (Kamber 2008) – zu definieren, gestaltet sich insgesamt jedoch problematisch und ist Ágel (2017: 315) zufolge „eine der undankbarsten grammatischen Aufgaben“. Der Gegenstand müsste nach Ágel (2017: 315) einerseits von angrenzenden Disziplinen, wie der Phraseologie- und Kollokationsforschung, abgegrenzt werden. Und andererseits ergeben sich durch die Abgrenzungsproblematik unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Konstruktionen zum Untersuchungsgegenstand Funktionsverbgefüge gerechnet werden können und welche nicht. Denn es existieren verschiedene Typen von Gefügen, die sich nicht nur semantisch, morphologisch und (morpho)syntaktisch, sondern auch pragmatisch voneinander unterscheiden (vgl. Helbig/Buscha 2011: 83ff.).

      Semantische Besonderheiten weisen beispielsweise Nomen-Verb-Verbindungen, wie in Kontakt kommen und in Gang bringen, auf, denn in Kontakt kommen im Sinne von ‚jemand kommt mit etwas in Kontakt‘ unterscheidet sich von kontaktieren durch den Ausdruck von Passivität (vgl. Eroms 2000: 168f.) und in Gang bringen von gehen durch die Anzeige von Kausativität (vgl. Helbig/Buscha 2011: 84) im Sinne von ‚jemand bewirkt, dass etwas in Gang gebracht wird‘. In anderen Gefügen, wie z.B. Antwort geben oder Entscheidung treffen, ist der Ausdruck von Passivität oder Kausativität in Gegenüberstellung mit den Basisverben antworten und entscheiden nicht zu verzeichnen (vgl. Hoffmann 2017: 225; Heringer 2014: 115; Storrer 2013: 198). Morphologische Unterschiede zu Nomen-Verb-Verbindungen, wie in Kontakt kommen und Entscheidung treffen, finden sich in Gefügen, wie Angst haben und Dienst leisten: Denn Angst haben steht nicht mit einem Verb in einem Ableitungsverhältnis, wie bei Kontaktkontaktieren und Entscheidungentscheiden, sondern mit einem Adjektiv (vgl. Welke 2007: 219; Helbig 1979: 274; Kamber 2008: 22), d.h. Angst steht mit ängstlich in Relation, und außer Kraft setzen weist kein korrespondierendes Basisverb auf (vgl. Helbig/Buscha 2011: 70ff.), vgl. *kraften. Morphosyntaktisch können die Gefüge aus einem Verb und einer Nominalphrase bestehen, wie z.B. Arbeit und Hilfe leisten, oder aus einem Verb und einer Präpositionalphrase, wie z.B. zum Staunen oder Laufen bringen (vgl. Helbig/Buscha 2011: 68; Hinderdael 1985; Heidolph et al. 1984: 440). Zudem weisen einige Nomen der Gefüge die Fähigkeit zur freien Artikelwahl und zur Pluralbildung sowie die Möglichkeit zur Attribuierung auf, andere dagegen nicht (vgl. Helbig/Buscha 2011: 89f.; Heidolph et al. 1984: 441f.), vgl. z.B. die richtigen Entscheidungen treffen vs. *in die richtigen Fahrten kommen.

      Engelen (1968) beispielsweise zählt nur präpositionale Verbindungen, wie zur Entscheidung kommen oder in Vergessenheit geraten, zum Gegenstandsbereich der Funktionsverbgefüge. Dagegen finden sich bei von Polenz (1963), Daniels (1963), Schmidt (1968) und Popadić (1971) sowohl präpositionale Gefüge als auch akkusativische, wie in Ordnung und zur Aufführung bringen oder Entscheidung treffen und Antwort geben. Welke (2007: 219), Helbig (1979: 274) und Kamber (2008: 22) rechnen zu Nomen-Verb-Verbindungen sowohl Verbalsubstantive, wie in Fahrt kommen von fahren, als auch Adjektivableitungen, wie in Gefahr sein von gefährlich. Die Definitionsproblematik ist jedoch nicht nur der Grund für die unterschiedlichen Ein- und Abgrenzungskriterien der Gefüge, sondern auch für die terminologische Vielfalt in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand:

       Funktionsverbformel (von Polenz 1963)

       Nominale Umschreibung (Daniels 1963)

       Streckform (Schmidt 1968)

       Funktionsverbgefüge (Engelen 1968, Herrlitz 1973, Persson 1975, Helbig 1979/1984, von Polenz 1987, Gautier 1998, Pottelberge 2001, Heringer 1988, Seifert 2004, Heine 2006, Storrer 2006a, Storrer 2006b, Storrer 2013, Kamber 2008, Zifonun et al. 1997, Burger 2015, grammis 2019: Elementare Prädikate1, Ágel 2017, Taborek 2018)

       Funktionsverbfügung (Heringer 1968, Bahr 1977)

       Analytische Verbalverbindung (Popadić 1971)

       Nominalisierungsverbgefüge (von Polenz 1987, Storrer 2006a, Storrer 2006b, Zifonun et al. 1997, grammis 2019: Elementare Prädikate2, Ágel 2017)

       Verbonominale Konstruktionen (Pottelberge 2001)

       Streckverbindungen (Heringer 1988)

       Streckverbgefüge (Storrer 2006b, Storrer 2013)

       Verbale Phraseme und singuläre Kollokation (Burger 2015)

       Kollokativgefüge (Ágel 2017)

      Nach der Einteilung der Autoren und Autorinnen handelt es sich bei den in der vorliegenden Arbeit untersuchten Gefügen Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen (s. Kap. 2.1) nach Storrer (2006b, 2013, Taborek 2018) um Streckverbgefüge, nach Heringer (1988) um Streckverbindungen, nach Zifonun et al. (1999) um Nominalisierungsverbgefüge, nach Ágel (2017) um Kollokativgefüge und nach Kamber (2008) um Funktionsverbgefüge im weiteren Sinn. Die verschiedenen Termini können sich dabei auf den gesamten Gegenstandsbereich beziehen oder sie fokussieren einen bestimmten Subtyp der Nomen-Verb-Verbindungen.

      Trotz der verschiedenen Herangehensweisen der Autoren und Autorinnen haben sich v.a. drei Definitionsansätze durchgesetzt: Erstens bezieht sich der Terminus ‚Funktionsverbgefüge‘ als Oberbegriff auf verschiedene Nomen-Verb-Verbindungen (vgl. z.B. Gautier 1998, Helbig/Buscha 2001/2011, Seifert 2004, Heine 2006, Kamber 2008), d.h. sowohl in Gang kommen, in Kontakt treten, in Frage stellen und in Kauf nehmen als auch Frage stellen, Schaden nehmen und Anwendung finden werden als Funktionsverbgefüge bezeichnet, auch wenn sie sich syntaktisch, semantisch und funktional voneinander unterscheiden (Abbildung 1). Zweitens wird in Anlehnung an von Polenz (1987) sowohl der Terminus ‚Nominalisierungsverbgefüge‘ als auch ‚Funktionsverbgefüge‘ verwendet (vgl. von Polenz 1987, Zifonun et al. 1997, Storrer 2006a, grammis 2018: Elementare Prädikate3, Ágel 2017). Als ‚Funktionsverbgefüge‘ werden lediglich die Konstruktionen bezeichnet, die sich durch den Ausdruck einer bestimmten Aktionsart vom entsprechenden Verb unterscheiden – Kontakt halten unterscheidet sich von kontaktieren durch den Ausdruck von Durativität (Abbildung 2). Mit ‚Nominalisierungsverbgefüge‘ werden dagegen verschiedene Nomen-Verb-Verbindungen als Oberbegriff zusammengefasst, also z.B. Antwort geben oder in Wegfall kommen. Drittens wird diese Unterscheidung mit ‚Nominalisierungsverbgefügen‘ als Oberbegriff und ‚Funktionsverbgefügen‘ als Terminus für einen bestimmten Subtyp durch einen weiteren Subtyp ergänzt: Funktionsverbgefügen, wie in Gang bringen oder in Wegfall kommen, werden Streckverbgefüge, wie Frage stellen oder Entscheidung treffen, gegenübergestellt (vgl. Storrer 2006b, 2013; Taborek 2018; Abbildung 3).4

      

Abbildung 1:

      ‚Funktionsverbgefüge‘ als Oberbegriff für Nomen-Verb-Verbindungen

      Abbildung 2:

      ‚Funktionsverbgefüge‘ als Teilmenge von Nominalisierungsverbgefügen

      Abbildung 3:

      ‚Funktionsverbgefüge‘ und Streckverbgefüge als Subtypen von Nominalisierungsverbgefügen

      Die Gegenüberstellung von Gefügen, wie in Gang bringen oder in Wegfall kommen, einerseits und Nomen-Verb-Verbindungen, wie Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen, andererseits (Abbildung 3) basiert v.a. auf morphosyntaktischen und semantischen Unterschieden in Bezug auf den Grad der Festigkeit und Lexikalisierung des jeweiligen Konstruktionstyps, der sich beispielsweise a) in der Attribuierungsfähigkeit, b) der freien Artikelwahl, c) der Möglichkeit zur Pluralbildung und d) der Referenzfähigkeit der Gefüge manifestiert (vgl. Heidolph et al. 1984: 441f.; Helbig/Buscha 2011: 87ff.; s. Kap. 3; 4.2.1):5

       a) Attribuierung

Gruppe 1 Gruppe 2
*in