Susanne Kabatnik

Leistungen von Funktionsverbgefügen im Text


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in von klipp und klar (B1, 2016) die angesprochene Interpretationsaufgabe zu Funktionsverbgefügen relevant:

      Abbildung 13:

      Interpretationsaufgabe zu Funktionsverbgefügen in klipp und klar (Fandrych et al. 2016: 131)

      Abbildung 13 zeigt eine Übung aus klipp und klar (B1, 2016), in der die Aufmerksamkeit der Lerner und Lernerinnen auf zusätzliche Bedeutungsaspekte im Zusammenhang mit Funktionsverbgefügen gelegt wird. Die zusätzlichen Bedeutungsaspekte der Gefüge beschränken sich laut der Übung aber nicht nur auf die Bedeutung der Gefüge im Vergleich mit den Basisverben, sondern sie hängen auch mit der Abfolge der Wörter im Satz zusammen. So kann zur Debatte in g) Die Eltern stellen dieses Problem noch einmal grundsätzlich zur Debatte und h) Zur Debatte steht seit Jahren auch die Zahl der verfügbaren Studienplätze durch die Stellung der Glieder im Satz unterschiedlich betont werden (Daniels 1963: 228f.; Wöllstein 2014: 39). Diese Übung stellt jedoch einen Einzelfall in den untersuchten Lehrwerken dar. Andere Übungen fokussieren Funktionsverbgefüge im Zusammenhang mit den entsprechenden Basisverben, die die Gefüge in Substitutionsaufgaben ersetzen sollen, vgl. die folgende Übung (Fandrych et al.: 131):

      Abbildung 14:

      Substitutionsübung zu Funktionsverbgefügen in klipp und klar (Fandrych et al. 2016: 131)

      Abbildung 14 zeigt eine Übung aus dem DaF-Lehrwerk klipp und klar (Fandrych et al. 2016: 131), in der die in einem Text vorkommenden Funktionsverbgefüge durch die entsprechenden Verben ersetzt werden sollen. Trotz der Thematisierung von zusätzlichen Bedeutungsaspekten von Funktionsverbgefügen in klipp und klar soll der Text in der Substitutionsaufgabe paraphrasiert werden, was einen Widerspruch darstellt. Bereits im ersten Satz des zu paraphrasierenden Textes Viele Menschen bringen ihre Abneigung gegen Rauchen in der Öffentlichkeit deutlich zum Ausdruck geht durch die Paraphrase mit ausdrücken, also Viele Menschen drücken ihre Abneigung gegen Rauchen in der Öffentlichkeit deutlich aus, die durative bzw. iterative Lesart des Funktionsverbgefüges (vgl. Eroms 2000: 167, Helbig/Buscha 2011: 73) verloren. Die Paraphrase stellt folglich zwar keine echte Ausdrucksalternative dar (vgl. Kap. 4.2 Ergebnisse), soll aber trotzdem eingeübt werden, was aus (fremdsprachen-)didaktischer Perspektive kontraproduktiv erscheint. Zudem wirkt der Textauszug durch die hohe Dichte an Funktionsverbgefügen unauthentisch, geradezu so, als hätte man einen Text mit den entsprechenden Verben einfach umformuliert, und die Lerner und Lernerinnen sollen den Text wieder in die ursprüngliche Form bringen. Dies wäre aber genauso unangebracht, denn auch die mit den Funktionsverbgefügen korrespondierenden Basisverben (entscheiden – Entscheidung treffen) weisen wie auch die Gefüge ein spezifisches Kombinations- und Funktionspotenzial auf (vgl. Storrer 2006a: 176), d.h. sowohl durch die Substitution von Funktionsverbgefügen mit Basisverben als auch durch die Substitution von Basisverben mit Funktionsverbgefügen werden spezifische Ausdrucksmöglichkeiten der jeweiligen Konstruktion ignoriert, was neueren und gebrauchsbasierten Ansätzen für den Fremdsprachenunterricht nicht entspricht (vgl. Goldberg 1995, Tomasello 2003, Stoll 2008, Klages/Pagonis 2014).

      Im Lehrwerk studio d (B1, Funk et al. 2013) werden Funktionsverbgefüge zwar auch thematisiert, im Vergleich zu klipp und klar (B1, Fandrych et al. 2016) jedoch nicht in gleicher Ausführlichkeit, denn in studio d sind keine Erklärungen zu Nomen-Verb-Verbindungen enthalten, d.h. auch keine Definitionen oder andere Hinweise zur Bedeutung und Funktion, vgl. die folgenden Übungen in Abbildung 15:

      Abbildung 15:

      Übungen zu Funktionsverbgefügen in studio d (B1, Funk et al. 2013: 75)

      Abbildung 15 zeigt vier Übungen zu Funktionsverbgefügen aus dem DaF-Lehrwerk studio d (B1, Funk et al. 2013: 75). Es sollen zuerst Funktionsverben mit Funktionsnomen verknüpft werden, die danach entsprechenden Basisverben zugeordnet werden sollen. Mit dem Hinweis „Nomen-Verb-Verbindungen können ersetzt werden“ sollen in der nächsten Übung alle Funktionsverbgefüge im Text mit Basisverben ersetzt werden und im Anschluss daran soll diskutiert werden, welcher Text verständlicher und besser im Ausdruck ist (Funk et al. 2013: 75). Zwei von vier Aufgaben zielen in studio d auf die Substitution mit dem Basisverb; die vierte Aufgabe zur Diskussion in der Gruppe thematisiert die Verständlichkeit des Textes mit und ohne Funktionsverbgefüge. Der Grund für derartige Aufgaben mit dem Fokus auf die Substitution von Funktionsverbgefügen könnte sein, dass Funktionsverbgefüge seit über einem Jahrhundert in Schreibratgebern als schlechter und unverständlicher Stil abgetan werden (vgl. Wustmann 1891: 416ff.; Daniels 1963: 9f.; Reiners 2009: 72; Mackowiak 2011: 72; s. dazu ausführlich Kap. 1.2.1). Gefüge, wie Frage stellen und Entscheidung treffen, sollen den Ratgebern zufolge vermieden werden und mit einem Basisverb, wie fragen oder entscheiden, ersetzt werden (vgl. Reiners 2009: 72), was in Lehrwerken, wie studio d – Die Mittelstufe (B1, Funk et al. 2013) und klipp und klar (B1, Fandrych et al. 2016), zur Übung gemacht wird.

      Die Analyse der Lehrwerke Radio D (2005), Berliner Platz 1 (2009), studio d (A1, Band 1 und 2, 2012), studio d – Die Mittelstufe (B1, 2013) und klipp und klar (B1, 2016) ergibt, dass Funktionsverbgefüge trotz ihrer Relevanz für den DaF-Unterricht durch ihr Vorkommen in verschiedenen Textsorten und Sprachen sowie ihre Frequenz nur in zwei von drei untersuchten DaF-Lehrwerken behandelt werden. Die ausführlichste Darstellung von Funktionsverbgefügen bietet das DaF-Lehrwerk klipp und klar (B1, 2016). Es ist das einzige der untersuchten Lehrwerke, das eine Übung mit dem Schwerpunkt auf semantischen Funktionen der Gefüge anbietet. Fokussiert werden in den Übungen die Zuordnung von Funktionsverben und -nomen sowie die Substitution mit einem einfachen Verb. Funktionsverbgefüge werden insgesamt also kaum im konkreten Sprachgebrauch thematisiert, was erstens als Hinweis für den Einfluss von Ratschlägen zur Vermeidung von Funktionsverbgefügen aus der Ratgeberliteratur gewertet werden kann und zweitens auch neueren Ansätzen der Fremdsprachendidaktik nicht entspricht. Im nächsten Abschnitt werden Untersuchungsergebnisse aus 60 Jahren Forschung zu Funktionsverbgefügen zusammengefasst.

      2.3. 1. Funktionsverbgefüge in der linguistischen Forschungsliteratur

      Die germanistische Forschungsliteratur blickt gegenwärtig auf knapp sechzig Jahre Forschung zu Funktionsverbgefügen zurück, die anhand der Vorstellung verschiedener Forschungszweige zu Funktionsverbgefügen in Grundzügen vorgestellt werden soll.1 Trotz der unterschiedlichen Untersuchungsschwerpunkte haben die Forschungsarbeiten zu Funktionsverbgefügen den Bezug zur Kritik am Gebrauch von Funktionsverbgefügen gemeinsam (z.B. Daniels 1963, von Polenz 1963, Heringer 1968, Schmidt 1968, Storrer 2013), die in zahlreichen Stil- und Schreibratgebern wiederholt aufgegriffen wird: Funktionsverbgefüge gehören zu schlechtem Stil und sollen mit einfachen Verben ersetzt werden (vgl. Wustmann 1891: 416ff.; Reiners 1943–2009), weil sie „Texte weniger verständlich machen“ würden (Mackowiak 2011: 72; s. dazu ausführlich Kap. 1.2.1). Der Forschungszweig zu Funktionsverbgefügen in Verbindung mit dem Ausdruck von Aspekt und Aktionsart mit den frühen Arbeiten z.B. von Kolb (1963), v. Polenz (1963), Heringer (1968) und Klein (1968) legt jedoch offen, dass sich Funktionsverbgefüge von Basisverben unterscheiden:

      Durch die Verbindung des punktuellen Grundverbums entscheiden mit einem Erstreckungsverbum wird der an sich momentane Vorgang des Entscheidens zeitlich zerdehnt. Zur Entscheidung bringen ist nicht dasselbe wie entscheiden, sondern bedeutet ‚einer Entscheidung zuführen, eine Entscheidung herbeiführen‘ oder ‚eine Entscheidung vorbereiten und treffen‘. (von Polenz 1963: 14; Hervorhebung im Original)

      Die pauschale Verurteilung nominaler Fügungen ist nicht gerechtfertigt. Die grammatikalisierten Funktionsverbfügungen mit kommen und bringen werden vor allem dazu benutzt, um die Wertigkeit und die Aktionsart des Grundverbs zu verändern. (Heringer 1968: 121; Hervorhebung im Original)

      Wegen der semantisch-aspektuellen Unterschiede zwischen den Konstruktionstypen können Funktionsverbgefüge