Susanne Kabatnik

Leistungen von Funktionsverbgefügen im Text


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1985: 218f.; Seifert 2004: 192; Heine 2006: 162ff.)

       Referenzfähigkeit (Heidolph et al. 1984: 441; Eroms 2000: 170), Wiederaufnahme im Folgetext (Seifert 2004: 197; Schmidt 1968: 73; Hinderdael 1985: 221; Storrer 2006a/2013, Gautier 1998; Helbig/Buscha 2011: 88)

      Semantische und syntaktische Leistungen von Funktionsverbgefügen werden mit kommunikativen verknüpft und die Autoren und Autorinnen weisen auf besondere Leistungen von Funktionsverbgefügen im Textzusammenhang hin (vgl. Gautier 1998, Seifert 2004, Storrer 2006a, 2013). Beispielsweise können die Funktionsnomen durch Attribute modifiziert werden und so auf eine bestimmte Weise im Text dargestellt werden (vgl. Daniels 1963: 230; Popadić 1971: 56; Hinderdael 1985: 256; Heine 2006: 163f.; Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 171) oder die Informationen können im Text unterschiedlich angeordnet und wiederaufgenommen werden, wodurch sich eine „unterschiedliche kommunikative Struktur“ (Hinderdael 1985: 218f.; s.a. Heine 2006) ergibt, die die „thematische Progression“ (Seifert 2004: 192; s.a. Storrer 2013) im Text beeinflusst.

      Die aufgeführten Arbeiten zeigen, dass Funktionsverbgefüge spezifische semantische, syntaktische und kommunikative Funktionen erfüllen können. Trotz der zahlreichen Hinweise in der Forschungsliteratur auf den Zusammenhang von Funktionsverbgefügen mit der Strukturierung von Informationen im Text, existiert keine mir bekannte deutsche, polnische bzw. deutsch-polnische Monographie, die Leistungen von Nomen-Verb-Verbindungen auf der Ebene des Textes fokussiert. Was also bislang fehlt, ist eine systematische Klassifikation von Funktionsverbgefügen nach ihren Leistungen im Textzusammenhang. Auf den textlinguistischen Hintergrund der vorliegenden Arbeit gehe ich im Folgenden ein.

      3 1. Textlinguistischer Hintergrund

      In der Forschungsliteratur zu Funktionsverbgefügen werden Leistungen der Konstruktionen in Gegenüberstellung mit Basisverben aufgeführt (vgl. z.B. Seifert 2004), die sich auf syntaktische, semantische und kommunikative Eigenschaften von Äußerungen beziehen. Dazu gehören beispielsweise die Erweiterung der Nominalphrase des Gefügenomens, Änderungen der Thema-Rhema-Gliederung und die Wiederaufnahme des Gefügenomens im Folgetext (Hinderdael 1985: 218f.; Seifert 2004: 192; Heine 2006: 162ff.; Heidolph et al. 1984: 441; Eroms 2000: 170). Diese Leistungen lassen sich von der Ebene des Textes aus betrachten, also aus Sicht der Textlinguistik, auf deren wesentliche Konzepte und Theorien ich im Folgenden eingehe.

      Die Textlinguistik befasst sich mit dem Zusammenhang sprachlicher Einheiten und ihrer Verknüpfung zu einem textuellen Gebilde (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 13; Brinker/Cölfen/Pappert 2018: 13). Die grundlegende Analyseeinheit der Textlinguistik ist der Text, der definiert wird als

      […] thematisch und/oder funktional orientierter, kohärenter sprachlicher oder sprachlich-figürlicher Komplex, der mit einer bestimmten […] Kommunikationsabsicht […] geschaffen wurde, eine erkennbare kommunikative Funktion […] erfüllt und eine inhaltlich und funktional abgeschlossene Einheit bildet. (Göpferich 1995: 56f.)

      Wesentlich ist innerhalb der Textlinguistik das hier angesprochene Konzept der Kohärenz, das sich als inhaltlicher und formaler Zusammenhang von Sinnrelationen im Text beschreiben lässt (vgl. Busse 1992; Brinker/Cölfen/Pappert 2018: 24). Kohärenz kann implizit durch die mentale Verknüpfung von sprachlichen Einheiten durch den/die Rezipent*in erzeugt werden oder explizit durch grammatisch-funktionale sprachliche Mittel auf der Textoberfläche, d.h. durch die sog. Kohäsion und ihre Kohäsionsmittel, mit denen Inhalte im Text miteinander verknüpft und wiederaufgenommen werden können (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 84f.; Brinker/Cölfen/Pappert 2018: 29/36; Breindl 2016: 42; s. Kap. 3.4; 4.2.5).

      Mit Konnexion wird die Textverknüpfungsart bezeichnet, mit der sprachliche Einheiten auf linearer Ebene durch Konnektoren miteinander verbunden werden (vgl. Brinker et al. 2001: 331; Schwarz-Friesel/Consten 2014: 84ff.), wie z.B. durch die Kon- oder Subjunktionen und und weil im folgenden Beispiel:

      1 Karl und Sophie können nicht kommen (S1), weil sie keine Zeit haben (S2).

      Sowohl die Nominalphrasen Karl und Sophie als auch die beiden Sätze Karl und Sophie konnten nicht kommen und sie hatten keine Zeit werden durch die Kon- bzw. Subjunktionen und und weil additiv bzw. kausal miteinander verbunden. Je nach Art der Verknüpfung wird hier von einer textuellen Ko- oder Subordination gesprochen (vgl. Brinker et al. 2001: 331f.). Demnach werden die Nominalphrasen Karl und Sophie durch und koordiniert, die beiden Sätze S1 und 2 werden dagegen subordiniert.

      Konnexion kann aber auch implizit realisiert werden, d.h. die Verknüpfung der sprachlichen Einheiten ist auf der Textoberfläche nicht sichtbar, sondern wird vom/von der Rezipient*in/en mental hergestellt, wie z.B.:

      1 Sie konnten nicht kommen (S1). Sie haben keine Zeit (S2).

      Die Verknüpfung zwischen Satz 1 und 2 kann hergestellt werden, weil angenommen wird, dass durch die Anordnung der Sätze eine Folge und Ursache ausdrückt wird, d.h. eine kausale Relation (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 86f.). Dass es sich bei Satz 2 um eine Begründung für den in Satz 1 ausgedrückten Sachverhalt handelt, wird nur nicht – wie oben in Bsp. (1) durch eine kausale Subjunktion – explizit gemacht (vgl. Brinker et al. 2001: 338f.), sondern wird geschlussfolgert. Dieser Schlussfolgerungsprozess wird in der Textlinguistik als Inferenz bezeichnet (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 70; Breindl 2016: 38ff.; s. Kap. 4.2.5.1.5).

      Dass die beiden Sätze als Folge und Ursache verstanden werden können, liegt zudem an ihren Subjekten sie, die als dieselben Textreferent*innen interpretiert werden können – sie aus Satz 1 wird in Satz 2 wiederaufgenommen. Die Wiederaufnahme und Weiterführung von Textreferenten wird in der Textlinguistik mit dem Konzept der Phorik beschrieben (vgl. Brinker/Cölfen/Pappert 2018: 29; Schwarz-Friesel/Consten 2014: 76f.; Stede 2018: 64f.): In einem Text werden nämlich nicht nur sprachliche Einheiten durch Konnexion miteinander verknüpft, sondern es wird auch eine Textwelt aufgebaut, in die fiktive wie real existierende Textreferenten eingeführt werden können (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 58f.), wie z.B.:

      1 Heute ist ein Virologe zu Gast.

      Durch die Nominalphrase ein Virologe wird ein bislang unbekannter Textreferent in die Textwelt eingeführt, der sog. Antezedent (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 58f.). Markiert wird der Unbekanntheitsstatus des Virologen mit dem indefiniten Artikel ein (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 56f.; s. Kap. 3.1.1; 4.2.5). Durch die Wiederaufnahme eines Textreferenten im Folgetext kann auf denselben Textreferenten Bezug genommen werden, wodurch das Thema des Textes fortgesetzt wird, die sog. Thematische Progression (vgl. Brinker/Cölfen/Pappert 2018: 44, s. Kap. 4.2.4; 4.2.5):

      1 Heute ist ein Virologe zu Gast (S1). Der Virologe spricht heute über das neue Virus (S2).

      Durch der Virologe in Satz 2 wird der in Satz 1 eingeführte Textreferent wiederaufgenommen. Weil es sich bei Virologe um dasselbe Wortmaterial handelt, ist diese Wiederaufnahme als Rekurrenz zu klassifizieren (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 112; Dressler 1973: 20) – das Wiederaufnahmeverfahren, bei dem vorerwähnte Textreferenten durch die Wiederholung von identischem Wortmaterial wiederaufgenommen werden und zwischen den Einheiten Referenzidentität besteht (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 112). Dass es sich bei dem Virologen um denselben Textreferenten wie in Satz 1 handelt, wird durch den definiten Artikel der angezeigt (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 56f., s. Kap. 3.1.1; 4.2.5).

      Neben dem Wiederaufnahmeverfahren der Rekurrenz gehören zu den wesentlichen Verfahren zur Wiederaufnahme von Textreferenten weiter die Substitution und die Pronominalisierung (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 112f.; Gansel/Jürgens 2007: 37f.). Bei der Substitution handelt es sich um ein Wiederaufnahmeverfahren, bei dem der Textreferent, durch ein sprachliches Element ersetzt wird, vgl. folgendes Beispiel:

      1 Heute ist ein Virologe zu Gast (S1). Der Wissenschaftler spricht über das neue Virus (S2).

      In diesem Beispiel wird der in S1 eingeführte Textreferent ein Virologe in S2 durch der Wissenschaftler wiederaufgenommen und im Text weitergeführt. Die Substitution des Textreferenten kann hier durch eine weitere Nominalphrase realisiert werden,