Susanne Kabatnik

Leistungen von Funktionsverbgefügen im Text


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bilden in der vorliegenden Arbeit Funktionsverbgefüge (Kamber 2008) – d.h. Konstruktionen, die aus einem Funktionsnomen und -verb bestehen, wie z.B. Beitrag leisten, die mit einem korrespondierenden Basisverb, z.B. beitragen, in Verbindung stehen (vgl. Kamber 2008; Heine 2006: 49; Hermann 2019). Derartige Nomen-Verb-Verbindungen sind jedoch erstens sehr heterogen und zweitens schwer zu erfassen, weil sowohl die Ein- als auch Abgrenzung des Gegenstandbereichs auf verschiedenen linguistischen Ebenen erfolgt, sodass es keine völlige Einheitlichkeit geben kann (vgl. Ágel 2017: 315; s. Kap. 1.1). Im Folgenden soll ein Verfahren zur Detektion von für die vorliegende Untersuchung relevanten Funktionsverbgefüge vorgestellt werden, das Nomen-Verb-Verbindungen zum einen durch statistisch-mathematische Kookkurrenzanalysen aus dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) generiert und zum anderen auf der Abfrage von Vorkommensfrequenzen basiert. Die daraus entstehende Liste von statistisch signifikanten Nomen-Verb-Verbindungen wird auf ihren Bestand im polnischen überprüft, sodass anschließend deutsche und polnische Funktionsverbgefüge-Paarungen für die vorliegende Untersuchung ausgewählt werden können.

      Funktionsverbgefüge können sich semantisch, morphologisch, (morpho-)syntaktisch, aber auch pragmatisch voneinander unterscheiden (vgl. Helbig/Buscha 2011: 83ff.). Es existieren beispielsweise Gefüge, die aus einem Funktionsverb und einer Nominalphrase bestehen, wie z.B. Kritik üben oder Beitrag leisten, sowie Verbindungen, die sich aus einem Funktionsverb und einer Präpositionalphrase zusammensetzen, wie z.B. in Gang bringen oder in Auftrag geben (vgl. Helbig/Buscha 2011: 68; Hinderdael 1985; Heidolph et al. 1984: 440). Gemeinsam haben die Gefüge Kritik üben, Beitrag leisten, in Gang bringen und in Auftrag geben, dass sie mit einem Verb in Ableitungsrelation stehen, also mit kritisieren, beitragen, gehen und beauftragen. Es gibt jedoch auch Nomen-Verb-Verbindungen, die nicht mit einem Verb in Ableitungsrelation stehen, sondern beispielsweise mit einem Adjektiv, wie z.B. Angst haben mit ängstlich, in Zorn geraten mit zornig oder in Insolvenz gehen mit insolvent (vgl. Welke 2007: 219; Helbig 1979: 274; Kamber 2008: 22). Andere Gefüge wiederum weisen kein Basisverb auf, wie z.B. Dienst leisten*diensten, in Abrede stellen – *abreden und in Kraft treten*kraften (vgl. Helbig/Buscha 2011: 70ff.). Zudem kann in einigen Fällen zwar ein formal ähnliches Verb gebildet werden, es entspricht aber nicht der Bedeutung des Funktionsverbgefüges, z.B. Abstand nehmenabstehen und Anstoß nehmen ≠ anstoßen. Weiter weisen einige Funktionsnomen die Fähigkeit zur freien Artikelwahl und zur Pluralbildung sowie die Möglichkeit zur Attribuierung auf, andere dagegen nicht (vgl. Helbig/Buscha 2011: 89f.; Heidolph et al. 1984: 441f.), vgl. z.B. die richtigen Entscheidungen treffen vs. *in die richtigen Fahrten kommen. Häufig findet sich in der Forschungsliteratur zu Funktionsverbgefügen die Gegenüberstellung von Konstruktionen, wie in Gang bringen, einerseits und Nomen-Verb-Verbindungen, wie Beitrag leisten, andererseits. Die Unterscheidung dieser Typen von Funktionsverbgefügen im weiteren Sinn (vgl. Helbig/Buscha 2011: 85) basiert v.a. auf morphosyntaktischen und semantischen Unterschieden in Bezug auf den Grad der Festigkeit und Lexikalisierung des jeweiligen Konstruktionstyps, der sich beispielsweise

      1 in der Attribuierungsfähigkeit, vgl. einen guten Beitrag leisten vs. *in guten Gang bringen,

      2 der freien Artikelwahl, vgl. diesen Beitrag leisten vs. *in diesen Gang bringen,

      3 der Möglichkeit zur Pluralbildung, vgl. Beiträge leisten vs. *in die Gänge bringen,

      4 der Referenzfähigkeit, vgl. …leistete einen Beitrag. Dieser… vs. *…wurde in Gang gebracht. Er…

      der Gefüge manifestiert (vgl. Heidolph et al. 1984: 441f.; Helbig/Buscha 2011: 87ff.; s. Kap. 3; 4.2.1).

      Verbindungen des Typs Beitrag leisten verhalten sich syntaktisch wie freie Wortverbindungen, wie z.B. in ein tolles Buch lesen und es [das Buch] dann weitergeben (vgl. Helbig/Buscha 2011: 88ff.; Storrer 2006b: 286), d.h. die Nomen sind attribuierbar, die Artikelwahl ist frei, Pluralbildung ist möglich und die Nomen der Gefüge sind referenzfähig (vgl. Eroms 2000: 170; Helbig/Buscha 2011: 85) – sie können also je nach kontextuellen Gegebenheiten und Erfordernissen verändert und angepasst werden. Gerade diese Unterscheidung nach dem Grad der Festigkeit und Lexikalisierung der Konstruktionen erscheint in Bezug auf die Ebene des Textes wesentlich, weil kommunikative Funktionen von Funktionsverbgefügen häufig mit dem weniger festen und lexikalisierten Konstruktionstyp in Verbindung gebracht werden (vgl. Helbig/Buscha 2011: 88ff.; Storrer 2006a/2013; Heine 2006: 162ff.).1 Ziel ist es, für die vorliegende Untersuchung von Funktionsverbgefügen im Textzusammenhang erstens Gefüge vom Typ Beitrag leisten zu ermitteln, die zweitens keine Randerscheinungen des Deutschen darstellen, d.h. die auch im quantitativen Sinn für eine Korpusstudie geeignet sind. Die Funktionsverbgefüge sollen außerdem ein Basisverb aufweisen, das der Bedeutung des Gefüges entspricht. Dass die Konstruktionen ein Basisverb aufweisen, ist für die vorliegende Untersuchung unabdingbar, weil die Analyse der Funktionsverbgefüge im Textzusammenhang (s. Kap. 4.2) auf der Substitution mit dem Basisverb als qualitative Untersuchungsmethode (vgl. Ágel 2017: 504f.) basiert, die die Leistungen der Gefüge auf der Ebene des Textes sichtbar macht. Zudem wird den Forderungen der Stilratgeber auf diese Weise Rechnung getragen, die seit Wustmann 1891 bis in die Gegenwart im WWW fordern, Funktionsverbgefüge mit Basisverben zu ersetzen, was in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache zur Übung gemacht wird (vgl. Fandrych et al. 2016: 130f.; Funk et al. 2013: 75; s. Kap. 1.2.1).

      Für die Generierung der deutschen Funktionsverbgefüge aus DeReKo (2018-I) bilden bereits bestehende Auflistungen verschiedener Funktionsverbgefüge den Ausgangspunkt der Kookkurrenzanalyse (vgl. z.B. Kamber 2008, Helbig/Buscha 2011, Popadić 1971, Hinderdael 1985, Schmidt 1968), die jedoch erstens nicht auf statistisch-mathematischen Analyseverfahren basieren. Ob Konstruktionen, wie Beobachtungen anstellen oder Kritik üben, frequente Konstruktion des Deutschen sind oder nicht, ist der Funktionsverbgefüge-Listen nicht zu entnehmen (vgl. Helbig/Buscha 2011: 70; Popadić 1971, Hinderdael 1985, Schmidt 1968). Und zweitens liegt der Fokus in den Auflistungen häufig auf festen und lexikalisierten, präpositionalen Gefügen (vgl. z.B. Kamber 2008) – für die Untersuchung sollen aber weniger feste und lexikalisierte Gefüge generiert werden, was mit dem Merkmal ‚besteht aus Funktionsverb und Nominalphrase‘, z.B. in Beitrag leisten, korreliert (vgl. Helbig/Buscha 2011: 85). Für die Kookkurrenzanalyse werden also zunächst die (di-)transitiven Funktionsverben ausgewählt, die von den Autoren und Autorinnen wiederholt aufgeführt werden (vgl. Kamber 2008, Popadić 1971, Heidolph et al. 1984: 440; Fabricius-Hansen 2006: 262; Helbig/Buscha 2011: 70–83):

       ausüben, anstellen, erteilen, üben, vornehmen, erheben, leisten, treffen, halten, setzen, stellen, nehmen, geben

      Um eine korpusbasierte Generierung von Funktionsverben und Kookkurrenzpartner-Funktionsnomen zu erhalten, wurde für jedes dieser Funktionsverben eine Kookkurrenzanalyse mit COSMAS II (IDS) durchgeführt. Bei der Kookkurrenzanalyse beispielsweise von treffen wurden mithilfe von COSMAS II zunächst alle Kookkurrenzpartner des Funktionsverbs unter Eingabe von &treffen für alle Wortformen des Verbs ermittelt. Von diesen automatisch generierten Kookkurrenzpartnern wurden die 100 salientesten aus der COSMAS-II-Liste exportiert. Die statistische Signifikanz setzt sich dabei aus einem hohen LLR-Wert, dem Rang in der Liste (#) und der Häufigkeit zusammen (vgl. Keibel 2008, 2009).2 Statistisch signifikant sind in Bezug auf das Verb treffen z.B. die Lexeme hart oder Mittwoch. Bei hart handelt es sich jedoch nicht um ein Nomen und Mittwoch steht in keiner Ableitungsrelation mit einem Verb, d.h. hart treffen und (am) Mittwoch treffen sind keine Funktionsverbgefüge und werden deswegen aussortiert. Dagegen haben andere Kookkurrenzpartner von treffen ein Verb in Ableitungsverhältnis, wie z.B. Schuss von schießen oder Blitz von blitzen; in Schuss treffen oder Blitz treffen ist treffen in wörtlicher Lesart zu interpretieren (vgl. DWDS: treffen3), weshalb derartige Kookkurrenzen ebenfalls bereinigt werden. Alle übrigen Verbindungen sind Funktionsverbgefüge mit einem korrespondierenden Basisverb, vgl. die folgende Tabelle:



# LLR