mit der Leiche? – Auf den Kirchhof. Die Bahre steht. Um sie knieen im sinkenden Abend die Dörfler.
Von der Freitreppe des Bären schreitet im Sonntagsstaat würdig und feierlich der Presi, der den schrecklichen Anfall vom Morgen überwunden hat. Zitternd, doch hochaufgerichtet steigt er langsam zum Kirchhof empor und scheu geben die Dörfler Raum.
Er zieht den Hut, tritt an die Bahre und nimmt die schneeweiße Hand des Ertrunkenen. Ruhig spricht er, so daß es alle hören können: »Thöni Grieg, du weißt es, daß ich dich erschlagen habe, daß Josi und Binia unschuldig sind. – Garde und Gemeinde, ich ergebe mich euch als der Mörder Thöni Griegs!«
So spricht der Presi!
Was er erwartet, erfüllt sich aber nicht. Das Volk stürzt sich nicht auf ihn, sondern stutzt in Verwirrung und Hohngelächter erschallt ringsum. Die Rede des Garden und des Presi widersprechen sich. – Der Garde schluchzt laut auf: »O Presi, was habt Ihr gesagt!« Er fällt seinem Freund an die Brust.
Ein unbeschreiblicher Aufruhr entsteht. Die Dörfler schreien: »Sie spielen Komödie – der Garde draußen, der Presi hier – sie lügen – Josi Blatter und Binia Waldisch sind die Mörder. – Die Führer der Gemeinde sind auch des Teufels und mit ihnen gegen uns verschworen.«
Zu diesem Aufruhr kommt von der Kirchenthüre herüber ein zweiter – ein entsetzliches Geschrei: »Wehe St. Peter – wehe – wehe – wir sind exkommuniziert.«
Ein Blitz, der in den Kirchhof gefahren wäre, hätte die Verwirrung nicht vermehren können.
Wo am Morgen die Schrift des Kaplans hing, klebt eine andere. Der Pfarrer schreibt:
»An die räudige heidnische Rotte von St. Peter. Im Namen der heiligen Kirche sind die Siegel an dieses Gotteshaus gelegt. Wer sie bricht, der sei einem Selbstmörder gleich geachtet, wer am Strang der Glocke zieht, den soll die Religion nicht lossprechen in seinem Sterben, und wer in der heiligen Erde wühlt, soll selbst kein geweihtes Grab finden. Das soll so lang gelten, als ihr nicht mit dem rechtmäßigen Pfarrer Frieden macht und von dem Baalspfaffen Johannes und seinem Teufelsglauben laßt!«
Darunter steht das Pfarramtssiegel. – Die Leiche Thöni Griegs ist über dem Schrecken, den die neue Botschaft erregt, vergessen. Man sucht den Pfarrer, man findet ihn nicht, in aller Heimlichkeit hat der alte gekränkte Mann das Thal verlassen, einige, die an der Glotter standen, haben ihn sogar gesehen.
Da liegt ein Toter, der begraben sein sollte, und übermorgen ist Allerheiligen – dann Allerseelen! Kirche und Kirchhof aber sind gesperrt. Nun rüttelt und schüttelt das Entsetzen ein ganzes Dorf.
»Die Regierung hat uns ins Elend geführt, unsere alten Vorsteher lügen uns an, die Kirche giebt uns auf – und alles kommt vom Rebellen und der Hexe – den Mördern. – Gut, wenn man will, daß wir wilde Tiere meiden, so wollen wir wilde Tiere sein und uns unseres Lebens wehren – der Rebell und die Hexe müssen sterben.«
So rasen die von St. Peter.
Der Presi schwankt, wie er sieht, daß seine Selbstaufopferung nichts hilft, davon – die Dörfler beachten es im Aufruhr kaum – der Garde will reden – aber ihm antwortet der hundertstimmige Ruf kreischender Weiber und tobender Männer: »Wir wollen nichts mehr von euch – ihr seid alle Verräter.«
Die neblige Herbstnacht ist hereingesunken – das Grauen wächst.
Da schwingt sich Kaplan Johannes mit einer qualmenden Kienfackel auf die Bahre und beleuchtet das zerwaschene Gesicht des Toten; der Ruf läuft durch die dunklen Gruppen: »Wir haben niemand mehr, der sich unser erbarmt, als Johannes – Kaplan, führt uns – sagt uns, was sollen wir thun?«
Der Schwarze lächelt höllisch: »Erschlagt die Teufelin und den Rebellen – sie ist bei ihm an den Weißen Brettern, ich öffne euch den Weg.«
Da ruft der alte greise Peter Thugi: »Ergebt euch nicht in die Gemalt des Schwarzen – ihr werdet es bereuen.«
Im gleichen Augenblick aber ertönt ein seltsames klirrendes Geräusch durch den Kirchhof. Alle erschaudern. Wahnsinnige Weiber haben die ersten Kreuze ausgerissen. Die Männer knirschen dumpf: »Jetzt können wir nicht mehr zurück – vorwärts also – wir müssen Totschläger sein!«
Das vom Entsetzen gerüttelte Dorf rüstet sich zum schrecklichen Auszug an die Weißen Bretter, die Grabkreuze klirren durch die Nacht. Hinter Kaplan Johannes, der das Kreuz Seppi Blatters an sich gerissen hat und den Weg mit seiner Kienfackel beleuchtet, zieht die heulende, betende Schar, die sich der Hölle ergeben hat. Sie hat aber das Dorf kaum verlassen, da röten sich die nächtlichen Nebel und schon rennen die Ausziehenden schreiend zurück: »Es brennt in St. Peter. – Feurio! – Feurio!«
Die unbestimmt in die Nebel flutende, wogende, wachsende Glut reißt alle ins Dorf zurück. – »Vielleicht ist es unser Haus – vielleicht ist es unser Vieh, das verbrennt,« jammern sie; es scheint durch die schwelenden Nebel, als stehe das ganze Dorf in Flammen.
Fluchend sieht es der Kaplan, wie seine Herde die Kreuze von sich wirft und zu ihren Häusern rennt.
Wie die Erschrockenen aber zurückkommen, brennt der Bären, steigen die Lohen schon prasselnd durch das Dach in die Nebel empor. Der Bären, das alte schöne Haus, der Stolz von St. Peter, das Wahrzeichen des Dorfes, brennt. Sie stehen erschüttert davor – und ihre erste Eingebung ist: retten – helfen, – das Gewissen für die bürgerliche Pflicht erwacht.
Wie aber einige zur Kirche hinauf eilen und die Sturmglocken ziehen wollen, prallen sie wieder an die Siegel des Pfarrers. Es brennt und man darf nicht läuten.
Die Verzweiflung packt das Dorf. – Die Leiche Thöni Griegs, die noch auf dem Kirchhof steht, steigert das Entsetzen. Das Brandlicht fliegt über sie und giebt den Zügen einen Schein des Lebens. – –
»Wer hat den Bären angezündet?« – »Ein Voreiliger vom Ahorn!« So redet ihnen das schlechte Gewissen ein. »Wo ist der Presi? Wenn er im Haus verbrennte?« – Einige Beherzte steigen in den Bau, er ist nicht darin.
Da predigt von der Kirchhofmauer herunter der schwarze Kaplan, der schrecklich im Schein der Flammen steht, mit seiner hohlen Grabesstimme: »Meine fromme Gemeinde. Dich rufen heiligere Pflichten – wir müssen Teufelstöter sein – folgt ihr mir, so wird zu Allerheiligen ein erlösendes Wunder für alle geschehen, die mit mir sind – folgt ihr mir nicht, so seid ihr um Mitternacht schon in der Gewalt des Feindes – der Presi ist auf dem besten Tier nach Hospel geritten und bietet die äußeren Dörfer gegen uns auf. Er hat das Haus angezündet, um uns aufzuhalten.«
Das erste glauben die Dörfler, das letzte nicht, denn zu sehr hat der Presi sein schönes Heim geliebt.
Das Entsetzen steigt. – Mord und Feuersbrunst in der Gemeinde – und morgen militärische Besetzung oder Untergang. – Dazu den Zorn und die Strafen der Kirche.
Der Brand, dem man nicht wehrt, wirft seine rauschenden Funkengarben auf das Dorf, Frauen und Kinder flehen die Männer auf den Knieen an, daß sie das Dorf retten, der Garde mahnt mit Thränen in den Augen zur Vernunft.
Endlich, endlich arbeitet die Feuerspritze, er kommandiert, Wasserstrahlen stiegen auf die Kirche und die nächsten Häuser. Die Nacht ist windstill, die riesige Lohe des Bären verfließt wie eine feurige Wolke im Nebel, die gewaltigen Mauern halten stand, aber aus den berstenden Fenstern zischen die Flammen und zerstören die alten Jagdtrophäen am Dachgebälk und prasselnd fällt das graue Bärenhaupt auf die Straße und zersplittert.
Aus dem Erdgeschoß ist einiges gerettet morden und nun schreit Bälzi: »Der Wein! der Wein! Laßt uns doch den Wein holen!«
Er dringt mit einigen Burschen in den Keller, sie wälzen die Fässer auf die Straße, und da man sich wegen der steigenden Hitze zurückziehen muß, zum Kirchhof hinauf.
Die Flaschen, Krüge, Becher und Gläser kreisen.
»Wenn doch St. Peter untergehen muß,« gröhlen die Männer, »so wollen wir noch trinken. Zum Wohl – zum Wohl!«
Ein