Эдгар Аллан По

50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2


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bewahrt, wenn Josi und ich an einem Schein von Schuld und am Aberglauben des Dorfes sterben sollen?«

      Der Garde, der mit Peter Thugi das Wasserrad, das in die Leitung eingeschaltet werden soll, auf den Berg schaffte, hat Josi das Versprechen abgenommen, daß er die paar Wochen, die noch zur Vollendung nötig sind, an den Weißen Brettern bleibe. Er kommt nicht mehr zu Thal. Auch der Garde ist im tiefsten Herzen überzeugt, daß Josis Werk gut ist, aber er kennt die furchtbare Empörung im Dorf. Wo er zum Guten redet, begegnet er höhnischem, kaltem Lächeln und drohendem Schweigen, die Gemeinde horcht nur noch auf den bösen verrückten Kaplan Johannes.

      Eine Weile hat ihr allerdings die wohlgemeinte Warnung und Drohung des Pfarrers Zügel angelegt, aber jetzt knurren die Dörfler: »Der Alte wagt es nicht, uns die Kirche zu verschließen, wir wollen ihn schon meistern,« und die Weiber hangen an Kaplan Johannes. »Er hat ein besseres Herz für uns als der Pfarrer, der nichts von unseren alten heiligen Sagen wissen will.« Und wenn ein Halbvernünftiger noch den Einwurf erhebt, man wolle doch nicht so stark zu einem Verrückten halten, sonst komme man gewiß an ein böses Ziel, antworten die anderen: »Kaplan Johannes ist schon närrisch, aber gerade denen, die Gott etwas geschlagen hat, giebt er dafür besondere Weisheiten. Der Kaplan Johannes sieht und weiß mehr als sieben Pfarrer.«

      Er hat gute Zeiten, sein Bettelsack ist immer voll, wo er geht, rufen die Weiber: »Kommt doch ein wenig zu uns herein, Johannes!« Klagt ein Bauer: »Meine Kühe fressen nicht mehr und geben keine Milch,« so antwortet Johannes: »Merkt Ihr es, merkt Ihr es! Das kommt vom Teufelssalz. Das ganze Thal riecht nach Schwefel.« Nun spüren auch die Dörfler den Geruch. In irgend einem Haus ist eine schwere Geburt. »Seht Ihr,« flüstern es die Frauen einander zu, »die Kinder können nicht mehr zur Welt kommen. Das rührt vom Sprengen her!«

      Die von St. Peter spüren es kaum, wie der Kaplan ein Netz des Aberglaubens um sie zieht. Und plötzlich geht die feste Sage unter denen von St. Peter, es sei eine weiße arme Seele durch das Dorf gewandelt und habe dreimal gerufen:

      »O weh, o weh – am Teufelssalz

      Stirbt dieser Tage Jung's und Alt's!«

      So in drei Nächten!

      Und warum rollen die Gletscher im Herbst, wo sie doch sonst schweigen? Das bedeutet: »Am letzten Weinmonat geht St. Peter mit Menschen und Vieh unter. In dem Augenblick, wo der Wasserhammer der neuen Leitung einsetzt, verlassen die erzürnten armen Seelen die Krone, die Firnen fallen mit so schrecklichem Donner auf das Dorf, daß das bloße Hören schon tötet!«

      Drei Männer nur noch, der Presi, der Garde und der Pfarrer, und einige stille, wie Eusebi und Peter Thugi, glauben an Josis Werk.

      Die Regierung hat sich übrigens auch nicht ganz von dem Werk zurückgezogen, wie sie drohte, sie meldet, sie hoffe, die Leute von St. Peter haben sich, da das Werk einen so erfreulichen Fortgang nehme, wegen des Dynamites beruhigt, und lade den Gemeinderat ein, auf den Tag der Vollendung, den letzten Weinmonat, ein hübsches Gemeindefestchen zu Ehren Josi Blatters zu veranstalten. Sie wolle sich dabei vertreten lassen und ersuche Josi Blatter, daß er die letzten rettenden Schüsse auf diesen Tag verspare, an dem man, während im Thal die Glocken läuten, in feierlicher Prozession an die Weißen Bretter ziehen wolle.

      Dazu schütteln der Garde und der Presi wehmütig und ungläubig die greisen Häupter, aber es ist gut, wenn auf diesen Tag jemand von der Regierung kommt – Vielleicht ist dann ein Mann der Staatsgewalt am nötigsten – es wird der Tag sein, wo in St. Peter der Aufruhr losbricht, denn so sind die Leute des Thales – sie warten in der Voraussetzung, daß doch irgend noch ein Ereignis geschehen und ihre That überflüssig machen könnte, den letzten Augenblick zum Handeln ab.

      Aber dann – –

      In diesen Tagen der äußersten Spannung, die durch die Stille des Dorfes noch unheimlicher wurde, sagte der Presi einmal zu Binia: »Der Garde hat mich gefragt, wie denn dein Ring, der jetzt denen im Dorf so viel zu reden giebt, in den Teufelsgarten gekommen sei. Ich habe geantwortet, du habest ihn Thöni zurückgegeben und er habe ihn wohl auf der Flucht fortgeworfen. Ist es so?«

      Ahnungslos fragt der Presi, Binia aber schwankt vor Entsetzen. Sie wagt es nicht mehr, dem Vater das gräßliche Geheimnis länger vorzuenthalten. Jeder der schönen Herbsttage, die kommen und gehen, vermehrt die Gefahr, daß Thönis Leiche gefunden werde, denn die Wasser der Glotter fließen immer spärlicher und immer klarer, und der arme Vater darf doch nicht ungerüstet von der Entdeckung der Leiche überrascht werden.

      Zögernd legte sie, die Hände gefaltet, die Augen auf den Boden geheftet, mit leiser und feiner Stimme die furchtbare Beichte ab. Als sie erzählt, wie sie Josi in den Teufelsgarten bestellt habe und dann heimlich durch die Wetternacht dort hinausgegangen sei, da lodern die Augen des Presi noch einmal in alter Zornglut auf und mit böser Stimme sagt er: »Gott's Donner! Du giebst es mir recht zu schmecken, daß du immer ein Trotzkopf gegen deinen Vater gewesen bist. Da kommt ja eine höllische Geschichte aus.«

      Binia nimmt seine Hand, sie beichtet mit dem Mut der Verzweiflung. Plötzlich wird der rote Kopf des Presi blaß. Weil sie vor ihm in die Kniee sinkt und schreit:

      »So ist's gegangen! verzeihe mir, Vater – verzeihe mir!« da zieht er sie mit zitternden Armen empor und preßt die leichte, schöne Gestalt seines Kindes stürmisch an seine breite Brust.

      »Bini – arme Bini,« stöhnt er, »da ist nichts zu verzeihen – du bist den Weg gegangen, den du hast gehen müssen, und es ist geschehen, was hat geschehen müssen. – Es ist Schicksal – –«

      Seine Stimme bricht schluchzend ab und plötzlich fühlt Binia, wie zwei warme Thränen über die Wangen des Mannes rollen, den sie nie zuvor hat weinen gesehen. In mächtiger Bewegung halten sich Vater und Kind umschlungen, eine Stille waltete in dem Gemach, als ginge ein Engel auf leisen Sohlen an den zweien vorbei.

      So halten sie sich in Glück und Elend lange, lange.

      Das Leben des Presi hat durch die Beichte Binias einen Stoß erhalten wie noch nie.

      Er findet den Mut nicht, in der gräßlichen Angelegenheit irgend etwas zu thun. Er klammert sich an die Hoffnung, Thönis Leiche würde schon deswegen nicht gefunden, weil sie niemand suche. Ein halbes Jahr ist jetzt vorüber, seit die That geschehen ist, und niemand kümmert sich um Thöni mehr. Ist es nicht bei Unglücksfällen schon häufig genug vorgekommen, daß man mit dem größten Eifer die Leichen solcher, die in die Glotter gestürzt sind, nicht mehr hat finden können? Entwederlagen sie in den Schlünden der Schlucht verborgen oder der mächtige Wasserschwall des Sommers hatte sie weiter geschwemmt und in den Strom hinausgeführt. So mochte es auch mit der Leiche Thönis gegangen sein.

      Viel mehr als die Angst vor einer Entdeckung quälen den Presi die Erinnerungen an Thöni, das Bewußtsein, daß er die Verantwortung für das unglückliche Leben trägt.

      »Thöni, der mir alles von den Augen absah, hat gemeint, es sei mir ein Gefallen, wenn Josi tot bliebe. Er hat den ersten Brief unterschlagen, dann hat er nicht mehr rückwärts gehen können, hat falsch geschrieben, und es ist gekommen, wie's hat kommen müssen. Daß er ein Schelm und fremd geworden ist, daran bin ich schuld.«

      Das tönt ihm unaufhörlich durch die Sinne.

      Das Schrecklichste aber! Er glaubt nicht daran, daß Thöni selber in die Glotter gelaufen sei. Es klingt so unglaubwürdig. Sein Kind redet es sich nur so ein, um nicht in dem Gedanken, sie liebe einen Totschläger, umzukommen – – aber der Presi wagt es nicht, sie noch einmal darüber zu fragen – nein – nein – er zittert nur davor, eines Tages könnte in Josi doch die Selbstanklage erwachen, wie sie in seiner Brust erwacht ist, und es würde die zwei, die nicht ohne einander leben können, trennen.

      Ein Fluch des Unglücks ginge dann von ihm und seinen Gewaltthaten noch in das folgende Geschlecht hinein.

      Das sinnt der Presi in entsetzlicher Furcht. Er glaubt nicht mehr an ein schönes Alter, aber wenn er die dunklen Augen Binias traurig auf sich gerichtet sieht. so lächelt er sie mit seinem wärmsten Lächeln an, hebt den gebeugten Rücken und meint vor ihr verbergen zu können, wie rasch er zusammenfällt und aus den Kleidern schwindet.