dessen Rahmen Alcoram, dem Allmächtigen, Speise- und Trankopfer dargebracht wurden.
Bis zu sieben Stockwerken türmen sich die Höhlen auf, in denen man noch nicht einmal stehen kann; hier wurden die Damen wie Martinsgänse aufgepolstert. Später haben die Guanchen darin auch Vieh gehalten, Getreide gespeichert und sich im Kriegsfalle verschanzt.
Der eigentliche Versammlungsort der Guanchen mit seinen in den Felsen eingehauenen Sitzen liegt auf dem Gipfel des Berges und wurde einst Baladero „Blutplatz“ genannt, weil man dort bei feierlichen Anlässen Opfertiere verbluten ließ.
Offensichtlich ist es auf die Wohn- und Lebensweise der Guanchen zurückzuführen, daß es auf Gran Canaria viele Höhlenwohnungen gibt; sie sind teilweise recht primitiv, weitaus häufiger jedoch regelrechte „Höhlenvillen“. Es heißt auf der Insel bereits: „Die Reichen wohnen in Höhlen und die Armen in Häusern.“ Diese Höhlenbehausungen sind meist mehrkammerig, im Sommer kühl, im Winter warm, sauber und am Eingang mit einer Fülle von Konservendosen geschmückt, in denen Blumen aller Art wachsen und gedeihen.
Im Höhlendorf Atalaya, das von den Guanchen gegründet wurde, leben noch heute Töpfer, die wie zu Zeiten ihrer Ahnen ohne Rad arbeiten. Fragt man sie nach ihrer Nationalität, dann lautet die Antwort stolz: „Canario“ Das gilt im übrigen für sämtliche Bewohner der Kanarischen Inseln. Obwohl ihre Inseln seit den Tagen des Kolumbus spanisch sind, achten sie doch streng darauf, daß man sie nicht mit den Spaniern in einen Topf wirft.
Die Canarios sind schöne Menschen; sie verdanken ihr angenehmes Äußeres nicht nur den Guanchen und den Spaniern, sondern auch bestem internationalem Seemannsblut. Hawkins und Drake haben sich mit ihren Kumpanen an den Inseln die Zähne ausgebissen, Holländer, französische und arabische Korsaren haben vergebens versucht, auf die Dauer Fuß zu fassen. Die Islas Canarias sind viel umkämpft und umworben worden – selbst Nelson verlor vor Tenerife eine Schlacht und seinen rechten Arm. Die Kanone, die das zuwege brachte, zeigt man heute noch im Hafen von Santa Cruz.
Hochmoderne Tintenfische
Vor allen meinen Fahrten hatte ich mir bei der Überholung meiner Boote von Migo helfen lassen, der im Hafen von Las Palmas eine kleine Werkstatt besitzt. Migo war jedesmal hocherfreut, wenn er seinen Aleman bedienen konnte, wenn er ihm Dreizack oder Harpune schmieden durfte. Jede Bezahlung lehnte er entschieden ab. Auf meiner Faltbootfahrt hatte ich ihm versprochen, beim „nächsten Mal“ werde ich ihn auf eine Sonntagstour mitnehmen. Nun freute er sich wie ein Kind, mich wiederzusehen und wählte eine nächtliche Fischfahrt, um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.
So kam er denn eines Samstagsabends mit zwei befreundeten Fischern an Bord der LIBERIA, und kurze Zeit später lichteten wir den Anker und kreuzten uns in nordöstlicher Richtung vorwärts. Die Fischer brachten zwei Fackeln aus ihrem Gepäck zum Vorschein, die aus zwei Ofenrohren voller öldurditränkter Lappen bestanden.
Als wir etwa zwölf Meilen vom Land entfernt waren, ließen wir das Boot vor Topp und Takel dwars zum Wind2 dümpeln. Die beiden Fischer waren darauf vorbereitet, Haie, Schwertfische oder große Thunfische zu angeln, und ihrer Ausrüstung, ihrer abgerissenen Arbeitskleidung und ihren früheren Erfolgen nach zu schließen, durften wir mit einem ausgezeichneten Fang rechnen.
Aber nach zwei Stunden vergeblichen Angelns, wobei die drei ihre schönsten Witze zum besten gaben – eine Nationalleidenschaft der Spanier –, war keiner von ihnen enttäuscht, nur ich. Geduldig wechselten sie ihr Angelgerät und suchten jetzt nach Tintenfischen, die auf den Inseln eine Art von Volksnahrungsmitteln sind.
Während die LIBERIA in der hohen Atlantikdünung ganz abscheulich dümpelte, zogen unsere Fischer bereits nach kurzer Zeit die ersten glitschigen Tintenfische an Bord, quetschten ihnen mit der Hand die Augen aus und warfen die etwa fünf bis zwanzig Pfund schweren beutelförmigen Tiere auf das saubere Waschdeck.
Spanier, Franzosen und Italiener verstehen Tintenfische so hervorragend zuzubereiten, daß selbst der Nordeuropäer im allgemeinen seinen Ekel vor dem häßlichen Tier vergißt und es mit Genuß verzehrt. Die Tintenfische zählen zu den Kopffüßlern, die als Oktopoden acht und als Kalmare zehn Fangarme besitzen. Da sie so abscheulich aussehen, sind sie dem Menschen wenig sympathisch.
Tintenfische sind archaische Tiere mit hochmoderner Ausrüstung: sie bedienen sich der Rückstoßwirkung eines nach vorn ausgestoßenen Wasserstrahles, um rückwärts zu schwimmen – eine Art von Düsenantrieb. Zu ihren Leckerbissen gehören Muscheltiere, die sie entweder mit ihrem Papageienschnabel zerknachen oder aber durch einen Trick öffnen: sie schieben einen Stein zwischen die Schalen und saugen dann in aller Ruhe die Austernmahlzeit aus.
Früher waren die Tintenfische selbst einmal Schalentiere, aber da sie mehr Wert auf Intelligenz als auf einen Panzer legten, ließen sie die Schalen verkümmern. Sie sind erregbar, nervös und tatsächlich äußerst intelligent. Im Vergleich zu ihren hochentwickelten, umheimlichen Glotzaugen ist das menschliche Auge winzig klein.
Tintenfische – nur wenige Arten erzeugen Tinte – sind die Champions der Farbanpassung, der Camouflage; ihnen gegenüber nimmt sich selbst ein Chamäleon wie ein Anfänger aus. Treiben sie in Planktonwolken, können sie sich durchsichtig machen, schwimmen sie im türkisfarbenen Wasser der Kariben, nehmen sie eine grünblaue Farbe an, im lehmigen Wasser der Flußmündungen werden sie lehmfarben, auf Sandboden gelb, und im Aquarium wechseln sie ihre Farbe je nach der Umgebung. Ihr Farbspiel gibt alle Stadien der Gemütserregung wieder: Furcht vor dem Feind, Eifer bei der Nahrungssuche, Liebesleidenschaft.
Sie sind Nachttiere, die wie Falter von unseren Lichtquellen angezogen werden. Neugierig stürzen sie sich auf den Lichtköder der Fischer und lassen sich meist mühelos an Deck ziehen. Was sie in den dunklen Tiefen der Meere an Leuchtwundern vollbringen, das kann mit der besten bengalischen Beleuchtung konkurrieren.
Selten wird ein Oktopus über zweieinhalb Meter groß, aber andere Mitglieder seiner Familie, die Riesenkraken, erreichen um so größere Ausmaße. Der Laie kennt sie aus Jules Vernes Roman „20.000 Meilen unter Meer“, wo sie mit der Mannschaft des „Nautilus“ kämpfen, oder aus Victor Hugos Buch „Die Arbeiter des Meeres“, in dem beschrieben ist, wie sie einen Menschen „inhalieren“. An der Ostküste Neufundlands strandete einst ein Riesenkrake von siebzehn Meter Länge!
Begegnungen mit Riesenkraken
Einer der bestbelegten Berichte über Begegnungen mit Riesenkraken wurde 1861 von der französischen Korvette „Alecton“ abgegeben.
Am 30. November jenes Jahres – das Boot lag etwa 50 Seemeilen im Norden von Lanzarote – rief der Wachhabende vom Ausguck: „Zwei Strich backbord voraus ein großer roter Körper, halb über und halb unter dem Wasser!“ Man glaubte, es handle sich um ein Wrack. Neugierig geworden, ließ der Kapitän darauf zuhalten. Voller Entsetzen stellte die Besatzung dann fest, daß das „Wrack“ ein Riesenkrake war. Er hatte einen etwa sechs Meter langen Körper, mehr als acht Meter lange Fangarme und schwarze Stilaugen vom Durchmesser einer Schokoladentorte.
Als das Ungeheuer längsseits vom Kriegsschiff lag, gab der Kommandant den Befehl „Feuer!“ Mit Musketen, Harpunen und Kanonen schoß man auf die Bestie, der es offensichtlich nicht viel ausmachte, ein bißchen gepiekt zu werden. Sie tauchte mehrmals unter, kam aber nach wenigen Minuten immer wieder an die Wasseroberfläche. Der Kommandant hatte Freude an der realistischen Schießübung, und seine Besatzung sandte all ihren aufgespeicherten Haß auf das Seeungeheuer mit den Geschossen mit; selbst die Smutjes kamen aus der Kombüse gelaufen, um sich aktiv an dem Seekampf zu beteiligen. Die See war ruhig, und die Sonne brannte heiß auf die wackeren Krieger hernieder.
Plötzlich traf eine Kanonenkugel den Kopf des Tieres und verwundete es tödlich. Noch im Tode brachen aus dem Ungeheuer dunkle Massen einer entsetzlich riechenden Flüssigkeit, die bald die tapferen Mannen mit pestilenzartigem Geruch einhüllte. Nichtsdestotrotz versuchten sie das noch zuckende Tier an Bord zu hieven. Mit einem parfümierten Taschentuch vor der Nase gab der Kommandant Boyer seine Befehle. Aber trotz der verzweifelten Bemühungen der Besatzung konnte nur ein kleines Stück des Kraken an Bord