in Pinien- und Zypressenhaine gewandet, ein altes Schloß am Hafen und dahinter tiefblaue See.
Don Juan und die Pfannkuchen
Als wir von Bayona abfuhren, herrschte Flaute, so daß wir durch die Riffe tuckerten, während die Segel schlapp hin und her flappten. Das Meer lag spiegelglatt, nur die gewaltige Nordwestdünung jagte geisterhaft unter unserem Boot dahin. Flaute zehrt mehr an den Nerven als ein Sturm, wenn man in einer seetüchtigen Yacht sitzt. Und unsere LIBERIA IV war eine Hochseeyacht, ein Spitzgatter, ein moderner Colin-Archer-Kutter, der schon einen ganzen Sack voll Wind braucht, um in Schwung zu kommen. Da aber jetzt die Windgötter Urlaub feierten, ließen wir den Motor laufen und schauten auf die Seekarte, ob da nicht ein kleiner Hafen war, der uns für die Nacht aufnehmen konnte.
Wir fanden tatsächlich einen; mit untergehender Sonne liefen wir in das malerisch am Bergabhang gelegene La Guardia ein, warfen Anker und begrüßten gleich darauf den Hafenkommandanten an Bord, dessen blitzsaubere Kleidung in einem auffallenden Gegensatz zu dem alten verfallenen Hafen stand.
Während der ganzen Nacht sauste die Dünung unaufhörlich in den ungeschützten Hafen hinein, so daß ich mehrfach nach dem Anker schauen mußte, weil ich befürchtete, die LIBERIA könnte sich losreißen und gegen die Berge klatschen. Der Anker aber hielt; wir setzten morgens bei kümmerlichen Windverhältnissen unsere Fahrt fort.
Um uns herum dümpelten portugiesische Fischerboote, die ihre Netze einholten. Der Kapitän eines der Boote empfand offenbar Mitleid, als er uns so mühselig dahinschleichen sah. Er hielt auf uns zu, kam längsseits und – schenkte uns einen Eimer Sardinen.
Genau genommen heißen Sardinen ja erst Sardinen, wenn sie in Reih’ und Glied in der Blechbüchse liegen. Was wir geschenkt bekamen, das waren junge Fischbrüder aus der Heringsfamilie. Wir gaben den Portugiesen als Gegengeschenk Zigaretten, und sie dampften und qualmten hochbeglückt davon. Ich aber nahm die Fische aus, warf den vielen Seeschwalben und Wellenläufern die Innereien zu, und dann brutzelten sie, die Sardinen, denn jetzt lagen sie in einer Reihe, wenn auch in der Bratpfanne.
Niña hatte wie immer die erste Nachtwache. Um ein Uhr löste ich sie ab, um bis zum Morgen zu wachen. Als meine Sinne an der frischen Luft langsam zu neuem Leben erwachten, stieg in meine noch halb schlafende Nase bester Kölnisch-Wasser-Geruch. Ich schnüffelte und schnupperte verwundert herum, um die Quelle dieses unerwarteten Genusses aufzuspüren. Schließlich fragte ich Niña, ob sie eine Flasche zerbrochen hätte. Ich wurde beruhigt: sie habe lediglich das Cockpit3 mit Parfüm bespritzt, um den Fischgeruch zu vertreiben.
In den folgenden 24 Stunden schafften wir bei frischem achterlichen Wind 137 Seemeilen. Niña sprach von Sturm, jedoch der Seemann, der von Bord eines größeren Schiffes herunterschaut, nennt das nur eine steife Brise. Als wir das westlichste Kap des europäischen Festlandes, Cabo da Roca, auf der Höhe von Lissabon passierten, bekam ich plötzlich Appetit auf Pfannkuchen.
„Die könnten wir uns schön zum Abendbrot in Cascais machen“, meinte ich zu Niña und überredete sie, zu diesem Zwecke nach Portugal zu fahren.
Aus den Pfannkuchen wurde nichts – der Wind schlug um, erst nach Mitternacht rasselte unser Anker in der Bucht von Cascais, dem bekannten Fischerdorf vor den Toren Lissabons, in die Tiefe. Todmüde fielen wir in die Kojen und ließen Pfannkuchen Pfannkuchen sein.
Wir kannten beide Lissabon und die portugiesische Riviera von früher her, aber das tat unserer Begeisterung beim Wiedersehen keinen Abbruch. Von Cascais fuhren wir nach Estoril. Hier wimmelte es von Königen, Prinzen, Großfürsten und anderen Exzellenzen, etwa drei Dutzend kommen auf den Quadratkilometer, und als wir vom Yachtclub auf unser Boot zurückpullten, hörten wir, daß unsere Nachbaryacht dem Thronprätendenten von Spanien, Don Juan, gehöre. Als ich die Ankerkette unter den Augen der weiblichen Prinzengarde doppelt so schnell wie gewöhnlich einhievte, merkte ich nicht, daß der Wind die bürgerliche LIBERIA IV mit unerwartetem Schwung auf die königliche Yacht zutrieb. Niña zog sich in der Kabine gerade um und konnte mich nicht warnen. Plötzlich sah ich die Gefahr. Der neue Klüverbaum,.den mir ein früherer Mitsegler schon einmal zerbrochen hatte, näherte sich unheimlich schnell Don Juans Yacht, auf deren Deck die Damen gerade Cocktails serviert bekamen. Gebannten Blickes erwarteten sie die Attacke der roten LIBERIA. Entsetzt griff ich nach dem Bootshaken, setzte ihn, so behutsam es ging, gegen das königliche Schanzkleid, stemmte mich mit aller Kraft dagegen und dann krachte es – der Bootshaken brach! Was tat’s! Mein neuer Klüverbaum verschrammte nichts vorn Lack der noblen Yacht, das war die Hauptsache.
Auf dem Boot hatte man sich wieder vorn Schreck erholt, und als ich mich ob dieser peinlichen Bedrohung bei der Prinzenmutter auf Spanisch entschuldigte, freute sie sich über die nicht erwarteten Sprachkenntnisse und lobte den Mut der Niña, die inzwischen, halb angezogen, aufgetaucht war und ihr erzählte, daß wir nach Las Palmas auf den Kanarischen Inseln segeln wollten, die immerhin über 1200 Kilometer entfernt waren.
Am Winde segelte die LIBERIA allein aus der Mündung des Tejo heraus. Was würden die nächsten sieben Tage uns bescheren? Flauten? Stürme? Oder gar Unfälle?
„Mann über Bord“
Der Wind ließ einen Tag auf sich warten, zwei Tage, am dritten Tag schließlich machten wir Ferien vom Boot, so konnten wir unsere Rettungsmanöver im Schlauchboot auch nennen. Die LIBERIA schaukelte wie ein Stehaufmännchen und dümpelte wie ein Betrunkener, so daß die kurze Fahrt im Schlauchboot eine Erholung und willkommene Abwechslung war.
Einige Stunden später – der Wind hatte sich wieder eingestellt – meldete Radio Lissabon einen Zyklon, mit dessen Ausläufern wir rechnen mußten. In der Nacht begann es zu stürmen, die See rohrte und tobte, der Wind pfiff und heulte.
Für Niña kam die Bewährungsprobe. Bei ihrer Abfahrt aus Deutschland hatten die meisten ihrer Freunde die Hände überm Kopf zusammengeschlagen, als sie ihnen eröffnete, sie wolle in einer kleinen Yacht aufs Meer. Es ist wenig bekannt, daß man in einer gut ausgerüsteten Hochseeyacht – und die LIBERIA IV war es – bei vernünftiger Führung ebenso sicher ist, wie auf einem großen Passagierdampfer. Vielleicht sogar sicherer: auf unserer Rückreise von New York nach Cuxhaven erlebten wir auf einem solchen Dampfer einen harmlosen Sturm, in dem es über 25 Verletzte gab!
Auf meiner 14.000-Seemeilen-Fahrt mußte ich mich mindestens einmal im Monat mit einem solchen Sturm auseinandersetzen, und unter solchen Bedingungen habe ich die meisten Seemeilen zurückgelegt, ohne, wie es unser Luxusdampfer tat, beidrehen zu müssen. Nicht einmal blaue Flecken habe ich bekommen! Gefahren für seetüchtige Yachten gibt es fast ausschließlich an den Küsten, nicht auf hoher See.
Für den Fall jedoch, daß Niña im Sturm von einer überkommenden See aus dem Cockpit gerissen werden sollte (was bei Yachten seltener vorkommt als bei größeren Booten), hatte ich ihr gesagt, wie sie sich dann verhalten müsse.
„Was tust du, wenn du über Bord gehst?“ fragte ich sie.
„Ich schreie.“
„Aber nur solange das Boot in unmittelbarer Nähe ist. Wenn ich aber deine Hilferufe nicht mehr hören kann, was machst du dann?“
„Dann schwimme ich dir nach!“
„No, Señora! Du bleibst, wo du bist, und du bewegst dich so wenig wie möglich. Keine Panikstimmung aufkommen lassen! Spare deine Kräfte, wie du nur kannst, du wirst sie brauchen! Leg dich auf den Rücken und spiele toter Mann! Selbst wenn du nicht schwimmen könntest, vermag das Salzwasser dich zu tragen … Und wenn ich dann bemerke, daß du verschwunden bist, muß ich dich auf dem entgegengesetzten Kurs wieder suchen. Finde ich dich nicht und hast du das Boot aus den Augen verloren, dann kannst du dich nur noch nach den Gestirnen oder dem Wind orientieren – aber das hat natürlich nur Sinn, wenn Land in der Nähe ist.“
„Aber Hannes, das ist doch alles graue Theorie!“
„Es gibt Beispiele.“
„Und wenn ein Hai sich für mich interessiert?“ fragte Niña schaudernd.
„Von