Platz für etwa 80 Menschen bietet. Hier haben Susan und Eric 1941 geheiratet. Wir stellen uns vor, wie das wohl ausgesehen haben mag.
Der nächste Morgen beginnt früh. Für die Mädels – wir haben Besuch von Catis alter Freundin Inga, die jetzt in Wales lebt – noch vor dem Aufstehen. Aber ich treibe meine Crew an, denn der Schlag nach Portland wird lang. Wir wollen und müssen Meilen machen. Wir haben den zweiten Oktober, und der Herbst kommt näher. Der Wetterbericht sieht mau aus. Also verholen wir gegen 9 Uhr an die Tankpier und füllen 60 Liter nach. Als ich die Maschine starte, fällt mein Blick auf den Separ-Filter mit seinem Schauglas, und ich bekomme einen Schreck: »Nein, nein! Wir haben Heizöl getankt! Der Filter verfärbt sich von Gelb auf Rot!« Schnell google ich nach den Einfärbungen des Sprits in den verschiedenen Ländern und finde heraus: Alles gut, Diesel in England ist rot. »Das wird ein Spaß, dem Zoll in Deutschland zu erklären, warum unser Sprit rot ist …«, sage ich. Aber das soll jetzt nicht unsere Sorge sein. Denn bis wir wieder zu Hause in Deutschland einlaufen, tanken wir sicher noch oft nach.
Der Tag bleibt flau, und wir motoren. Die ganze Strecke. Inga bekommt ihre erste Stunde im Schiffsteuern. Denn Cati und ich machen das ziemlich ungern. Inga auch, wie wir schnell feststellen. Doch irgendwer muss ans Rad, solange kein Wind weht und wir nicht die Windsteueranlage anklemmen können. Unser elektrischer Radpilot funktioniert schon seit Brighton nicht mehr. Auch nicht bei glatter See. Klang nach Getriebeschaden, also habe ich das Getriebe abgebaut und mich bestätigt gesehen: Die Plastikzahnräder fielen mir einfach entgegen.
Glatte See und Motorfahrt sind jedoch hervorragende Verhältnisse, um ein bisschen mit den GoPros zu spielen, die uns das Kamerateam mit auf die Reise gegeben hat. Sie lassen sich sogar mit dem iPad verbinden und fernsteuern, cool. Nur unter Wasser funktioniert das WLAN natürlich nicht, was ich mir hätte denken können. Ein Selfiestick müsste her, um die Kamera mit ihrem extremen Weitwinkel vor das Boot zu bekommen. »So eine Idiotenantenne kaufst du dir auf keinen Fall«, verbietet mir Cati. Also muss ich erfinderisch werden und montiere die GoPro an eine lange Alustange, die irgendwie vom Bootsumbau übrig geblieben ist. Damit gelingen mir tolle Aufnahmen von der Bugwelle.
Über den Hafen in Portland wissen wir genau so viel, wie in der Seekarte steht: ein Wort. Er ist von einer gigantischen Mole umgeben, die mehrere Seemeilen lang zu sein scheint. Mitten im Hafenbecken sind neun blaue Kreise zu sehen. »Jetzt erinnere ich mich«, rufe ich. »Bert hat von dem Hafen erzählt. Das ist ein alter Marinehafen.« Das macht Sinn. »Und die Mauer muss in der Tat gewaltig sein. Denn die Kreise, das sind Schwoikreise für Flugzeugträger.«
DARTMOUTH
Von Johannes
Die Sonne ist noch nicht zu sehen, als wir früh am nächsten Morgen lostuckern. Doch sie wird sich auch den ganzen Tag nicht blicken lassen. Es bleibt grau in grau. Typisch britisch. Dafür ist der Wind zurückgekehrt, und wir setzen gleich nach dem Passieren des Leuchtturms am Portland Bill die Segel. Für Inga ist das der erste Segeltörn überhaupt. Und sie weiß noch nicht so recht, ob er ihr gefällt oder ob sie langsam seekrank wird. Hoch am Wind preschen wir quer über die große Bucht hinüber auf die andere Seite, zur Grafschaft Devon. Unser Ziel ist Dartmouth. Ein langer Ritt. Daher ist es fast 21 Uhr, als wir im Dunkeln in den Mouth des River Dart einbiegen. Erst sind wir uns gar nicht so recht sicher, dass es da irgendwo hineingeht, denn bis kurz vor dem Eingang liegt das Land als dunkler Haufen in unserem Norden. »Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«, fragt Cati. Der Fluss und die Stadt waren vor langer Zeit Ausgangshafen für zahlreiche Entdeckerfahren und außerdem Stützpunkt der Royal Navy. Deshalb vermutlich so gut getarnt. Wir motoren an gewaltigen Felswänden vorbei, biegen um die Ecke, und plötzlich sehen wir die gelb beleuchteten Häuser an den Berghängen kleben. Ein wahnsinnig schönes Bild. Auf der linken Seite erkennen wir schemenhaft die Umrisse des Dartmouth Castle, das um 1481 errichtet wurde, um die Flussmündung zu überwachen. Denn trotz der geschützten Lage war es den Franzosen im Hundertjährigen Krieg zweimal gelungen, die Stadt zu plündern.
Wir hingegeben bekommen nach Inga erneut willkommenen Besuch: Unser Kamerateam kommt an Bord. Schon bevor uns die drei morgens um 8:30 Uhr die Hand schütteln, haben sie aus den Bergen eine Totale des Yachthafens gedreht und ein paar Details der Dampflok im Kasten, die alle paar Stunden neben dem Yachthafen hält. Das ist die normale Zugverbindung hierher nach Dartmouth, wo die Zeit ohnehin stehen geblieben zu sein scheint. Wir beginnen mit Aufnahmen einer Frühstückssituation im Salon der MAVERICK TOO, verlassen das Schiff und fahren mit der Fähre hinüber in die Altstadt. Das bedeutet Kameraaufnahmen vom Umfeld der Fähre, Details von einer Seerobbe, die um die Fähre schwimmt, Aufnahmen, wie wir an der Fähre ankommen, wie wir die Gangway hinunterlaufen, wie wir an Deck der Fähre sitzen und bedächtig in die Ferne schauen … In Dartmouth schauen wir uns einen Andenkenladen an und spielen für die Kamera, dass Cati da gerne reinmöchte, ich aber lieber weiter. Wir besichtigen den Ort, an dem vor 400 Jahren die Pilgerväter mit der MAYFLOWER abgelegt haben, flüchten vor dem Regen in eine britische Telefonzelle und sitzen in einem Café und essen eine typische britische Pastries.
Kurz vor Feierabend will Arne dann noch unsere Abfahrt nachstellen. Also Maschine an, Ölzeug auch, Leinen los. Wir tuckern bis zum Castle und setzen die Segel, um sie dann gleich wieder zu bergen und zu unserem Liegeplatz zurückzukehren. Am Abend kehren wir dann erschöpft von dem langen Tag im Regen in eine Fish-and-Chips-Bude ein. Alle Aufnahmen sind im Kasten. Punktlandung, denn bei mir kündigt sich eine Erkältung an. Ich bin erleichtert, dass ich das Tagesprogramm mit sonorer Stimme, rotziger Nase und tierischen Gliederschmerzen noch hinbekommen habe. Jetzt zieht der Körper einen Schlussstrich und sucht nach dem Druckabfall durch den Stress der letzten Monate und Jahre ein Ventil. Es war einfach alles zu viel gewesen.
Mit dem Schiff in der Werft und einem alten Haus hatten wir über die vergangenen zwei Jahre zwei Baustellen: Das Haus sollte soweit hergerichtet werden, dass wir eine Wohnung vermieten könnten – und das Schiff bedurfte einer Grundüberholung, vor allem einer Osmosebehandlung. Es war eine Heidenarbeit.
Soziale Kontakte waren während der ganzen Zeit auf null heruntergeschraubt. Während Cati eher die groben Aufgaben erledigte und nach dem Spachteln sowohl das komplette Unterwasserschiff als auch das Deck schliff, ging ich später über zu Zimmermannsarbeiten und Elektrik. Es wurde ALLES getauscht. Einzig Rumpf und der hölzerne Innenausbau blieben. Ein Neubau gefangen in einem GFK-Klassiker.
Mein monatliches Gehalt hätte der Verlag auch direkt an die Ausrüster überweisen können. Aber selbst das hätte nicht ausgereicht, denn die Ausgaben waren immer viel höher als das Gehalt. Also musste ich mehr Geld verdienen. Noch eine Vortragstour über die Einhand-Atlantikreise. Inzwischen hatte ich über 170 Vorträge gehalten.
Doch ich war weiterhin ein schlechter Geschäftsmann, dankbar für jeden Euro. Später bekam ich in vielen Fällen heraus, dass andere Segler das doppelte Honorar herausgeschlagen hatten, weil sie sich besser verkaufen konnten. Leute, die viel langweiligere Reisen im Kielwasser hatten. Neben dieser Lebenserfahrung sammelte ich also eine Menge Autobahnkilometer. Einige Male nahm ich mir einen Tag frei, um abends einen Vortrag in München zu halten und verbrachte den ganzen Tag auf der Autobahn zu einem Land-Rover-Autohaus. Nach dem Vortrag war ich um 22:30 Uhr wieder auf der Autobahn nach Norden, um 8 Uhr in Hamburg und um 9 Uhr im Büro. Jeder Euro zählte und war die kräftezehrende Tour wert. Es ist immer alles gut gegangen. Aber oft war die Klimaanlage auf dem Rückweg eiskalt eingestellt, damit ich nicht einschlafe.
Die Abende in den Autohäusern, Dorfgemeinschaftshäusern, Kinos und bei Buchhändlern waren toll. Doch die Kohle reichte immer noch nicht. Also suchte ich mir noch mehr Nebenjobs und begann nachts für Profi-Segler Boris Herrmann zu arbeiten. Boris segelte damals zusammen mit einem Amerikaner ein Rennen nonstop um die Welt, das Barcelona World Race. Eigentlich sollte ich als Webmaster nur dafür verantwortlich sein, Pressebilder in seine Website einzupflegen, ab und zu mal eine Meldung zu posten, die Boris während des Rennens an Bord seines Open 60 schrieb. Doch am Ende postete ich täglich eine Rennzusammenfassung mit Hintergrundinformationen, Wetterberichten, Aussichten, gepaart mit den Berichten direkt von Bord. Boris’ Tastatur war im Southern Ocean kaputtgegangen und viele Tasten lösten mehrfach aus. Eine Heidenarbeit, überflüssige Buchstaben auszumisten