zieht, der hat sich bluffen lasssen und gedacht, Campbell würde tatsächlich zum Colt greifen. Dabei hat Campbell die Hand doch nur nach unten zucken lassen, um ihn herauszufordern.
Don Walsh erkannte, was Campbell beabsichtigt hatte, um ihn zum Ziehen zu bringen. Campbell hatte die Unerfahrenheit Howies kaltblütig ausgenutzt. Seine kurze Handbewegung hatte Howie glauben lassen, daß er von hinten auf den Rücken von Walsh feuern wollte und darum griff Howie zum Colt.
Dieser großmäulige, dumme Junge, dachte Walsh, eher er herumwirbelte und den Colt herausriß. Jetzt ist alles aus, das schaffe ich nicht mehr. Er hatte eine wertvolle Sekunde verloren. Und die war in diesem Fall entscheidend.
Als Walsh den Revolver schon heraus hatte, sah er, daß Howie die Waffe gerade erst anlüftete. Im Herumwirbeln schwang der Revolver von Don Walsh in die Höhe, und doch kam er zu spät.
Lacy Campbell hatte nach seinem Colt gegriffen, als Howie McGruder die Hand schon am Kolben seiner Waffe hatte. Campbells langläufiger Fünfundvierziger zuckte in die Höhe, richtete sich aber nicht auf Howie. Ein Mann wie Campbell wußte zu genau, daß Howie gegen ihn eine Schnecke war. Er feuerte, ehe Don Walsh ganz herum war.
Der einzige Mann, der alles genau sah und wie gelähmt am Bohlenstapel stehenblieb, war Sam Winters. Der Stellmacher blickte entsetzt zu Howie McGruder. Der packte den Kolben seines Revolvers, während Campbell die Hand mit dem Fünfunvierziger anhob.
Campbell feuerte, indem seine Linke flach über den Revolverhammer schlug. Der Knall zerriß die lastende Stille unter der Hitezglocke des Mittags über Sulphur Springs. Die Kugel traf Walsh mitten in die Brust. Walsh feuerte dennoch. Das Geschoß erwischte ihn um den Bruchteil einer Sekunde zu früh. Er taumelte zwei Schritte zurück. Seine Kugel hatte Campbell nur um wenige Zoll verfehlt und sich in die Bretterwand des Schuppens gebohrt.
Während Walsh ins Stolpern kam und sich schwerfällig um einen festen Stand bemühte, wirbelte Campbell herum.
Einen schrecklichen Augenblick hatte Sam Winters das Gefühl, daß Campbell auch auf ihn schießen wollte. Der Killer riß die Rechte herum, die Linke wanderte mit und schlug noch einmal über den Hammer, ehe Howie McGruder seinen Colt in Zielrichtung gebracht hatte.
Im letzten Moment erkannte auch Howie, daß er auf einen Trick hereingefallen war.
Ehe Howie auf Campbell anschlagen konnte, entlud sich dessen Revolver, und Don Walsh stolperte rückwärts. Plötzlich packte Howie die nackte Furcht. Er sah, wie Campbell herumzuckte, schrie in seiner Angst gellend auf und duckte sich.
Und schon krachte Campbells zweiter Schuß. Die Kugel hätte Howie McGruders Herz durchbohrt, wenn er sich nicht vor lauter Angst geduckt hätte. Sie traf seine linke Schulter mit so fürchterlicher Gewalt, daß er zurückgeschleudert wurde und gegen die scharfen Kanten der Bohlen prallte. Rasender Schmerz durchströmte seinen Körper, seine Knie gaben nach, seine Rechte knallte gegen die vorstehenden Stapellatten, und er verlor im Fallen seinen Colt.
Am anderen Ende des Bohlenstapels war Don Walsh in die Knie gegangen. Es gelang ihm, auf den Knien zu bleiben und den Colt mit beiden Händen zu packen. Er hob die Arme, sah Campbell wieder herumzucken und wußte, während ihn der Schmerz fast zerriß, daß er verloren war. Campbell würde ihn kaltblütig töten.
Dann verließ Walsh die Kraft, er konnte den Colt nicht weiter anheben. Das nackte Grauen in den Augen, sah Walsh, daß Campbells schwerer Revolver bereits auf ihn zeigte. Er schloß die Augen, um jenen Blitz nicht sehen zu müssen, der ihm den Tod brachte.
»Campbell!«
Der scharfe Ruf ließ Walsh die Augen wieder aufreißen. Er blickte nach links, wo eine dünne Staubfahne über der Fahrbahn lag und verriet, daß jemand dort gerannt sein mußte.
Der Mann stand mitten auf der Straße, hielt sein Gewehr im Hüftanschlag und sah, wie Campbell auf dem rechten Absatz herumwirbelte.
In dieser Sekunde erkannte Big John Warren, daß er sich in Campbell nicht getäuscht hatte. Der Killer hatte weder Respekt vor einem in drei Staaten bekannten Sheriff, noch machte er sich etwas daraus, ob ein Mann einen Stern trug.
Lacy Campbell riß seinen langläufigen Colt hoch. Die Waffe schoß auch auf fünfzig Yards noch genau. Und auf diese Distanz war Big John herangekommen.
Irgendwann, während er sich eine Gabel Bohnen in den Mund geschoben hatte, hatte die Unruhe Big John aufstehen lassen. Er hatte aus dem Fenster geblickt, die beiden Pferde vor dem Haltebalken zwischen Stellmacherei und Schmiede stehen, aber nichts mehr von Lacy Campbell gesehen. Im selben Moment war Big John losgerannt, hatte sein Gewehr an sich gerissen und aus der Tür gestürmt.
Der verstörte Archie Slater besaß jenen sechsten Sinn, den ein Mann wie Big John im Verlauf vieler Jahre erworben hatte, noch lange nicht.
John Warren feuerte, als Campbells Fünfundvierziger auf ihn zeigte. Die Kugel war kaum heraus, als Campbells Revolverlauf eine grauschwarze Pulverwolke ausstieß. Das Pfeifen der Kugel ging über Big Johns Kopf hinweg. In Rossmans Saloon zerplitterte eine Fensterscheibe, die Scherben regneten herunter, und ihr Klirren vermischte sich mit Campbells zweitem Schuß.
Der Killer taumelte um die Ecke des Schuppens auf die Straße. Es sah aus, als wollte er auf Big John zulaufen und ihn dabei niederschießen.
Die zweite Kugel schlug vor dem Sheriff in den Staub. Sie riß eine Fontäne hoch. Die dritte Kugel verpuffte zwischen Big John und Campbell und die vierte und letzte jagte unmittelbar vor Campbells staubigen Hosenbeinen in die Straße. Dann knickte der Killer ein, stützte sich nach dem Sturz einen Moment auf die linke Hand und brachte die rechte noch einmal hoch. Er schien wieder schießen zu wollen und vergessen zu haben, daß sein Fünfundvierziger nur sechs Schuß in der Trommel gehabt hatte.
Big John Warren stand still. Sein Gewehr zeigte auf Campbell. Aus der Mündung kräuselte eine dünne Rauchfahne. Irgendwo weit hinten hörte John den Schrei Noras, und er ging langsam los. Campbell fiel in dieser Sekunde auf die Brust, krümmte sich zusammen und wälzte sich auf die Seite. Sein Colt lag neben ihm.
»Nun?« fragte Big John düster. Er blickte auf den Mann hinab, der sich auf den Rücken wälzte. »Nun, Campbell, so schnell stirbt es sich. Wer hat dich geholt, Mann?«
Campbell sah ihn mit flatternden Lidern an. Seine Hände preßten sich auf die rechten unteren Rippen. Zwischen seinen Fingern quoll langsam dunkles Blut über seine dunkelgraue Weste und die von der Kugel zerfetzte Uhrkette.
»Nachricht… Er hat mir – Nachricht nach Santa Rita geschickt – schon vor Wochen«, sagte Campbell stockend.
Big John beugte sich hinab, denn der Killer sprach immer leiser und in größeren Abständen.
»Wer hat dir Nachricht geschickt?«
Warren hörte, wie Leute heranliefen, sah aber nicht hoch. Der Mann starb vielleicht zu schnell und würde nichts mehr sagen können.
»Wer hat dir Nachricht geschickt, daß Walsh hier zu finden sei?« wiederholte Big John scharf. »Rede, Campbell, rede – den Namen! Wer hat dich geholt?«
»Car – Carpenter – Angus Carpenter«, flüsterte Campbell mühsam.
Doc Maydland kniete sich nieder, sah Big John an und schüttelte dann unmerklich den Kopf.
»Der andere Mann – wer ist der andere Mann, der auf Lionel McGruder schoß?« forschte John. »War es Angus Carpenter selbst? – Wer feuerte auf McGruder?«
»Weiß nicht«, lallte Campbell. »Vorgestern nach Dos Cabezas gekommen. Habe nur mit Carpenter gesprochen. War schon Nacht – war allein mit Carpenter, kein anderer…«
Sein Kopf fiel zur Seite. Er war tot, und Big John richtete sich hastig auf. Dann ging er, ohne auf die Menschen zu achten, in den Hof von Winters. Dort hatte man Howie an das Holz gelehnt. Walsh lag im Schatten, biß sich auf die Lippen und stöhnte: »Howie – Howie hat sich tricksen lassen, Sheriff. Der Narr kannte den Falltrick der Revolverhand nicht.«
»Ja«, sagte Big John Warren. »Wem hast du erzählt, daß du Ärger