dunkelharrig die andere, schlank, blau die Augen.
»Barry, was soll das? Um Gottes willen, Mrs. Weiser, wie kommt der Junge auf den Tresen? Was sollen die Sachen neben ihm? Himmel, so viele Lutscher! Barry, du durftest dir das alles doch nicht nehmen. Sagen Sie, Mrs. Weiser, haben Sie ihm das etwa erlaubt? Barry, Junge, was hast du nur gemacht? – Das hat er noch nie getan, glauben Sie mir, Mrs. Weiser. Ich weiß gar nicht, was in den Jungen gefahren ist. Was hat er denn am Daumen? Barry, was hast du angestellt?«
»Das war ich!«
Der alte Löwe trat hinter dem Regal hervor. Der Boden dröhnte, als er kam, die Frau ansah, die ihm seinen ältesten Sohn weggenommen hatte. Sie war gerade vor Verlegenheit blutrot geworden – jetzt wurde sie blaß, genauso wie Judy Weiser.
»Was ist das für eine Art?« polterte der Alte los. »Man läßt doch so einen kleinen Burschen nicht allein auf Schemel klettern, dazu noch neben der Tür. Ich habe ihn vom Schemel gestoßen, als ich die Tür aufmachte. Dabei hat er sich am Glasdeckel geschnitten. Hätte sich ja sonstwas aufschneiden können. Die Stiefel habe ich ihm angezogen, verstanden? Und die Sachen da, die sind für ihn. Und ein Pony bekommt er von mir und auch den richtigen Sattel, verstanden? Den Jungen allein auf Schemel steigen zu lassen – so was! Zigarren, Judy – meine Sorte!«
Herr im Himmel, kann ich brummen. Und wie sie dasteht, blaß, zu Tode erschrocken. Barbierstochter – mexikanische Eltern. So sieht sie also aus. Nun ja, schlank, blaue Augen, schwarzes Haar – verteufelt hübsch.
»Na, wo bleiben meine Zigarren, Judy? Alles auf meine Monatsrechnung, verstanden?«
»Er braucht ein ordentliches Pflaster!« raunzte der Alte weiter. »Na, was ist, bekommt er bald ein Pflaster? Ah, endlich, meine Zigarren!«
»Sir…«
»Was?« knurrte er und fuhr herum, warf das Streichholz auf den Boden und sah die Frau an, die ihm den Sohn einfach so mir nichts dir nichts gestohlen hatte. Verdammte Tat!
»Sir, ich – ich wollte…«
»Na, was denn?«
»Ich – ich hoffe, Matt nimmt das an, Sir. Er hat seinen eigenen Kopf, fürchte ich. Damals. Ich habe ihn weggeschickt. Ich wußte, daß Sie es nicht zulassen würden. Schließlich bin ich von zu Hause fortgegangen, weil ich dachte, er würde mich vergessen, aber er kam mir nach. Ich wollte ihm kein Unglück bringen, Sir. Matt trifft keine Schuld, Sir, ich hätte noch weiter fortgehen sollen. Sir, er ist ein guter Mann. Einen besseren Vater könnte kein Junge auf dieser Welt haben, aber etwas fehlt ihm, Sir. Er kann noch so glücklich sein, etwas wird ihm immer fehlen, verstehen Sie, Sir? Sie mögen mich hassen, aber nicht ihn, Sir, das – das verdient er nicht, Sir. Er will seinem Bruder nichts nehmen, bestimmt nicht. Und ich – ich zähle nicht, ich will gar nichts für mich, ich bitte nur für meinen Mann, Sir. Niemand weißt so gut wie ich, was ihm fehlt. Er ist so stolz, Sir, und Sie sind so stolz, das weiß ich, aber – Sie haben ihm etwas voraus: die Weisheit, Sir, die man nur in einem ganzen Leben erwerben kann. Ich will beten, daß er es annimmt.«
»Soso – meinst du?« grollte der alte Löwe und trat vor sie hin. »Meinst du, ich wäre weise? Hast Mut, sehe ich. Liebst ihn wohl sehr, ja?«
»Ja, Sir.«
Da hatte sie die Augen voll Tränen.
»Na, na!« sagte er. »Kann heulende Frauen nicht leiden, verstanden?«
Einen Moment sah es so aus, als würde er sie in seine Arme nehmen. Dann drehte er sich abrupt um, packte seine Zigarren, stampfte zur Tür und verließ den Laden.
»Du großer Geist!« entfuhr es Judy Weiser. »Clarissa, ich glaube, ich habe geträumt.«
Draußen verklangen die Schritte. Die Tür von O’Connors Sattlerei fiel hart ins Schloß. Clarissa McGruder zitterten die Knie.
*
Ich werde verrückt, dachte Bill Shivers und starrte das Pony, das Lawson aus Bowie geholt hatte, wie ein achtköpfiges Wunder an. – Ein Pony? Zuerst schickt er Rocky in die Stadt, um einen Kindersattel zu holen. Und was für einen Sattel. Den hat er nun schon drei Tage in seinem Zimmer neben dem Schreibtisch liegen. Und nun noch das Pony!
Der Alte nahm das Pony am Zaumzeug, lief eine Stück mit ihm.
»Wirklich lammfromm, Lawson?«
»Ja, Boß. Brian Hodges ließ zuerst seine Tochter reiten, dann holte ich eins der draußen spielenden Kinder und hob es in den Sattel. Das Pony ist wirklich lammfromm, Boß.«
»Gut«, sagte der Alte. Er stand in seinem grauen Anzug und mit blanken Stiefeln am Vorbau. »Walsh – Howie!«
Howie hatte das Pony genauso verrückt angestarrt wie alle anderen. Vor drei Tagen hatte Howie wissen wollen, für wen denn der Sattel eigentlich wäre. Der Alte hatte ihn angebrüllt, er solle sich gefälligst um seinen eigenen Dreck kümmern.
»Howie«, knurrte der alte Löwe, »du reitest mit Don Walsh in die Stadt und bestellst einen neuen Buckboard bei Winters! Eigentlich sollte ich dir das Fell gerben, statt einen neuen Wagen zu bezahlen. – Walsh, du paßt auf, daß er nichts anstellt. Sollte ihm wieder das Fell jucken, bremst du ihn mit jedem Mittel – mit jedem, verstanden?«
»Ja, Sir.«
»In Ordnung.« Lionel McGruder nickte. »Mein Pferd! Bill, ich reite fort und komme wahrscheinlich erst morgen wieder.«
»Lionel, du wirst doch wohl nicht allein reiten?« fragte Bill Shivers bestürzt. »Was ist, wenn wieder jemand auf dich schießt?«
»Ich reite schließlich am Tag und nicht nachts«, fuhr ihn der Alte schroff an. »Das feige Stinktier hat sich nur nachts zu schießen getraut. Ist mein Pferd vielleicht bald hier?«
Lionel McGruder verschwand im Hause, um sein Gewehr zu holen. Sie blickten ihm nach und rätselten alle, was ihm jetzt wieder eingefallen sein mochte. Als er herauskam und auf sein Pferd stieg, gab er auch keine Erklärung ab. Er ritt an, das Pony an der Longe, und entfernte sich in südlicher Richtung. Erst in diesem Moment kam Bill Shivers ein Gedanke, doch er hielt ihn für zu verrückt, als daß etwas daran sein konnte. Lionel McGruder hatte sich in seinem Leben weder jemals für etwas entschuldigt, noch hatte er auch nur einmal nachgegeben.
*
John Warrens Unbehagen wuchs, als er den hageren Mann im dunklen Anzug aus Rossmans Saloontür in die Sonne treten sah. Der Mann hatte die dunkle Jacke geöffnet, die goldene Uhrkette blinke über seiner Weste, und er setzte sich auf den Stuhl rechts neben der Tür.
Anscheinend hatte er sein Mittagessen hinter sich, er schien die Sonne zu genießen und blickte schläfrig über die Straße.
»Na, wie gefällt er dir?« fragte Archie Slater in Warrens Rücken. Der Sheriff stand am Fenster seines Offices, bereit, zu Nora McClure hinüber zu gehen und mit Archie zu Mittag zu essen.
»Wie gesagt, er kam gestern am späten Nachmittag auf einem Bermudian-Falben, der ziemlich staubig war. Und er ritt an McClures Hotel vorbei, um bei Rossman abzusteigen.«
Warren war erst vor einer Stunde aus Bowie zurückgekommen, wo es Streit zwischen einigen Leuten gegeben hatte. Der Mann drüben streckte die langen Beine aus und lehnte sich zurück. Er hatte seinen Hut tief in die Stirn gezogen, um nicht von der Sonne geblendet zu werden.
»Ein Typ wie Don Walsh«, stellte Warren kurz fest. »Was will er hier? Auf wen wartet er?«
»Ich wollte ihn nicht fragen«, antwortete Archie und zupfte an seinem neuen dunkelroten Halstuch, das ihm Judy Weiser morgens umgebunden hatte. »John, das ist ein Killer, und jeder scheint es zu wissen. Ich dachte, ich sollte warten, bis du zurück bist.«
Archie Slater trug den Deputystern an der dunkelbraunen Lederweste über seinem gelben Hemd und schnippte einen Wollfaden von seiner gebügelten Hose. Der ehemalige Säufer hatte seit neun Tagen kein Glas mehr angerührt. Er ging aufrecht, der Sympathie der Bewohner von Sulphur Springs sicher, seine Runden, wenn er John Warren ablöste. Daß er Little Joey gerettet hatte,