Katia Iacono

Dolmetschen im Medizintourismus


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ÄrztInnen, Krankenschwestern, Krankenpfleger usw. Dolmetschendes mehrsprachiges nicht medizinisches Personal Reinigungspersonal, Küchenpersonal usw. DolmetscherInnen vor Ort Angestellte oder selbstständig tätige DolmetscherInnen DolmetscherInnen aus der Ferne Angestellte oder selbstständig tätige DolmetscherInnen Lingua Franca Alle Gesprächsbeteiligten bedienen sich einer Lingua Franca (häufig Englisch)

      Tab. 5:

      Lösungsstrategien zur Überwindung von Sprachbarrieren im Gesundheitswesen

      Die Vor- und Nachteile der oben dargestellten Möglichkeiten werden in der medizinischen Literatur zur Kommunikation mit fremdsprachigen PatientInnen immer wieder thematisiert (vgl. u.a. Bischoff/Loutan 2004, Hoefert 2008, Bischoff/Hudelson 2010, Kaelin et al. 2013, Spickhoff 2015), wobei häufig Kostengründe und rechtliche Grundlagen im Vordergrund stehen. Hoefert (2008: 105ff.) argumentiert, dass der Einsatz von Begleitpersonen der PatientInnen als Dolmetschende als vorteilhaft zu sehen sei, da sie leicht verfügbar sind und mit den PatientInnen den kulturellen Hintergrund sowie die Kenntnis der Krankenbiografie teilen. Als nachteilig erweisen sich aber deren fehlendes medizinisches Know-how, etwaige Scham und ihr Involviertsein. Diese Einschränkungen oder Probleme aufgrund einer Dolmetschung durch Angehörige können dazu führen, dass gewisse Nachrichten abgeschwächt oder überhaupt nicht übermittelt werden. Das mehrsprachige medizinische Personal ist ebenso leicht verfügbar, verursacht keine zusätzlichen Kosten und besitzt das nötige medizinische Know-how. Allerdings ergibt sich für diese Personen, falls sie als Dolmetschende eingesetzt werden, ein Mehraufwand, und es kann sogar zu Loyalitätskonflikten zwischen dem dolmetschenden Personal, das mit den Landsleuten sympathisiert, und dem Krankenhaus als Arbeitsgeber kommen. Das nicht medizinische Personal ist laut Hoefert ebenso kostenneutral, verfügt allerdings weder über medizinisches Know-how, noch ist es stets loyal und in der Lage, die vollständige Wiedergabe des Gesagten zu gewährleisten. Obwohl der Einsatz von Begleitpersonen und nicht medizinischem Personal für den Aufbau einer Beziehung zwischen ÄrztInnen und PatientInnen hilfreich sein kann, bleiben in beiden Szenarien die Probleme der Unparteilichkeit und der fehlenden Koordinationskompetenz der Kommunikation ungelöst. Neben Pöchhackers Studie (2000a) belegen weitere Untersuchungen (vgl. u.a. Kadrić/Pöchhacker 1999, Pöchhacker 2000b, Bührig/Meyer 2004, Valero-Garcés 2007, Menz et al. 2013), dass Menschen ohne formale Dolmetschausbildung Inhalt und Handlung der ÄrztInnen-PatientInnen-Kommunikation erheblich beeinflussen; dies betrifft sowohl Begleitpersonen als auch medizinisches und nicht medizinisches Personal.

      Ausgebildete DolmetscherInnen werden von Hoefert zwar als neutral, genau und pünktlich beschrieben, allerdings erweisen sich die durch sie entstehenden hohen Kosten als problematisch. Hoefert (2008: 125) und Reisewitz (2015: 3) führen als weitere Schwierigkeit das Beispiel von DolmetscherInnen an, die das notwendige Fachvokabular – d.h., die terminologische Kompetenz – nicht hinreichend beherrschen.3 Ebenso scheinen manche MedizintourismusexpertInnen wie Bialk-Wolf et al. (2017: 77) die Vorteile der von ausgebildeten DolmetscherInnen vermittelten Kommunikation nicht zur Gänze zu verstehen und heben neben dem hohen finanziellen Aufwand auch deren angeblich mangelnde Sachkompetenz hervor. Neben den Kosten und der Kompetenzfrage können die Verfügbarkeit und die Wahrnehmung der Dolmetschqualität weitere Kriterien bei der Wahl einer dolmetschenden Person darstellen. In ihrer Studie zur Verständigung mit anderssprachigen PatientInnen in den Genfer Universitätskrankenhäusern betonen Bischoff und Hudelson (2010: 18), dass das zweisprachige medizinische Personal in der Regel sofort verfügbar ist. Ausgebildete DolmetscherInnen würden erst dann beauftragt, wenn andere Lösungsstrategien (Dolmetschung durch Angehörige, nicht medizinisches oder medizinisches Krankenhauspersonal) fehlgeschlagen sind. Auch Bischoff und Hudelson weisen darauf hin, dass der Einsatz von zweisprachigem medizinischen Personal trotz der sofortigen Verfügbarkeit kritisch zu hinterfragen ist, da es für die Dauer der Dolmetschzeit seiner eigentlichen Tätigkeit nicht nachgehen kann (vgl. Bischoff/Hudelson 2010: 18). Des Weiteren sollten die Kosten für dessen Weiterbildung berücksichtigt werden, damit die erbrachte Dolmetschleistung bestimmte Qualitätskriterien erfüllt.

      Eine alternative Lösungsstrategie ist das Ferndolmetschen (vgl. u.a. Braun 2015, Brunson 2015, Havelka 2017, Angelelli 2019). Das Ferndolmetschen wird meistens in Form von Telefondolmetschen oder Videodolmetschen realisiert. Beim Ferndolmetschen nehmen die DolmetscherInnen nicht persönlich an der Kommunikation teil: Sie befinden sich entweder bei einer/einem der Gesprächsbeteiligten oder sind räumlich komplett von den Gesprächsbeteiligten getrennt. Da sich nicht alle Kommunikationsbeteiligten am selben Ort aufhalten, fehlt den DolmetscherInnen der „Überblick“ über die Situation. Besonders im Rahmen des Telefondolmetschens erschwert die fehlende visuelle Komponente die Gesprächskoordination. Weitere Faktoren, die die Verdolmetschung (negativ) beeinflussen können, sind unzuverlässige Technologien und ein „lack of interpersonal clues“ (Tipton/Furmanek 2016: 144). Das Videodolmetschen kompensiert zwar teilweise den „lack of interpersonal clues“ sowie die physische Distanz, dennoch stellt das Bild, das die DolmetscherInnen wahrnehmen, nur einen Ausschnitt des gesamten Geschehens dar (vgl. Havelka 2017: 122). Die Verwendung des Ferndolmetschens als Lösung zur Überwindung von Sprachbarrieren ist aus wirtschaftlicher Sicht besonders effizient (vgl. Braun 2015: 347ff., Tipton/Furmanek 2016: 143ff.), da die Kommunikation zwischen ÄrztInnen und PatientInnen wie üblich stattfinden kann, während DolmetscherInnen z.B. mittels Videokommunikation die Gespräche verdolmetschen. In einigen Fällen sind die eingesetzten DolmetscherInnen Angestellte der medizinischen Einrichtungen (vgl. Angelelli 2019: 71), in anderen Fällen arbeiten sie entweder als angestelltes oder freiberufliches Personal eines externen Unternehmens, das Ferndolmetschdienste anbietet. Locatis et al. (2010) stellen fest, dass Ferndolmetschen generell mehr Akzeptanz bei PatientInnen und ÄrztInnen als bei ausgebildeten DolmetscherInnen findet; letztere bevorzugen eher die physische Präsenz.4 Brunson (2015) weist darüber hinaus darauf hin, dass die schnelle Verfügbarkeit der eingesetzten DolmetscherInnen von den medizinischen Einrichtungen sehr geschätzt wird.

      Eine weitere Lösung zur Überbrückung von Sprachbarrieren in der medizinischen Kommunikation bietet die Verwendung von Englisch als Lingua Franca. Die Sinnhaftigkeit dieser Lösung hängt allerdings überwiegend von den Sprachkenntnissen aller im Gespräch beteiligten Menschen ab. PatientInnen sind nicht immer in der Lage, den ÄrztInnen die benötigten Informationen auf Englisch zu vermitteln, was in der Folge zu einer Fehldiagnose oder zu einer falschen Behandlung führen kann (vgl. Crezee 2013: 13f.). In ihrer Untersuchung der Anforderungen und interkulturellen Erfahrungen bei der Behandlung medizintouristischer PatientInnen zeigen Bialk-Wolf et al. (2017: 71ff.), dass die Verwendung von Englisch als Lingua Franca keine geeignete Lösung bietet, da keine/keiner der beteiligten AkteurInnen über einen ausreichenden Wortschatz verfügt, um sich angemessen auf Englisch auszudrücken. Der Erfolg der medizinischen Behandlung hängt aber von einer einwandfreien Verständigung ab, die nur auf der Basis einer von interkultureller Kompetenz, Sprachkompetenz und Empathie getragenen Kommunikation gewährleistet werden kann (vgl. Bialk-Wolf et al. 2017: 92).

      In der Diskussion über Sprachbarrieren oft außer Acht gelassen, aber zentral für Krankenhäuser und das medizinische Personal ist die rechtliche Frage, „wer das Risiko zu tragen hat, wenn es zu einem Schaden kommt und wer verantwortlich dafür ist, dass ein Dolmetscher herangezogen werden muss“ (Kletečka-Pulker 2013: 46). Aus rechtlicher Sicht ist es notwendig, dass die PatientInnen vor einer Behandlung aufgeklärt werden, damit sie ihre Einwilligung zu dieser Behandlung geben können. Um dies zu gewährleisten, müssen sich alle am medizinischen Gespräch beteiligten Personen verständigen können – das bloße Aushändigen von schriftlichen Unterlagen kann nicht als ausreichend betrachtet werden. Das Aufklärungsrecht sowie die Aufklärungspflicht sind immer gültig, außer bei medizinischen Notfällen (vgl. Spickhoff 2010: 65). Werden die PatientInnen nicht oder nicht ausreichend aufgeklärt, wird deren Einwilligung zur Behandlung unwirksam, und die behandelnden ÄrztInnen tragen