John Howard Yoder

Die Politik Jesu


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      Hätte ich gewusst, dass das Buch als Prototyp einer ambitionierten oder fundierten Methodik auf den Prüfstand gestellt würde, hätte ich mich womöglich stärker auf eine Erörterung der theoretischen Prolegomena eingelassen – oder gerade das verweigert, denn in der abstrakten Methodendiskussion gerät man leicht an einen Punkt, wo solche Diskussion sich dem biblischen Text in den Weg stellt und ihm seine zentrale Rolle in der Identität der Kirche streitig macht.

      1 Etwa von Birch und Larry Rasmussen, die mich in zwei Auflagen von Birch & Rasmussen (1976) auf verschiedene Weise und in verschiedenen Belegen so zitierten. Ähnlich bei Curran (1981).

      KAPITEL 1

      Die Möglichkeit einer messianischen Ethik

      Das Problem

      Unter den Theologiestudenten der westlichen Welt fiel die „Theologie der Befreiung“ auf fruchtbaren Boden, weil sie eben diese Behauptung aufstellt. Kann die christliche Ethik diese These genauso schlagfertig (bzw. leichtfertig) zurückweisen, wie sie oft aufgestellt wird? Könnte der Vorwurf mangelnder Ehrfurcht oder der Vereinnahmung für eigene Ziele nicht leicht auf sie zurückfallen? Oder steckt hinter dieser vielleicht übertriebenen Aussage eine biblische Wahrheit, die nun erst, da Revolution zum Schlagwort unserer Zeit geworden ist, in die allgemeine Wahrnehmung einbricht? Hat die ehrfurchtsvolle und „verantwortliche“ christliche Ethik in dieser Beziehung versagt?

      Eben dies zu tun, ist alles, was die vorliegende Arbeit leisten will; die Geschichte von Jesus so sprechen zu lassen, dass jeder, der sich mit Sozialethik befasst, zuhören kann, statt wie bisher mit einer Reihe von Standardausflüchten anzunehmen, Jesus sei nicht oder zumindest nicht in erster Linie relevant für gesellschaftliche Angelegenheiten.

      Ein solcher Versuch der interdisziplinären „Übersetzung“ hat seine spezifischen, ernstzunehmenden Risiken. Er muss beiden Parteien, die er gegenseitig in Hörweite bringen will, übervereinfachend erscheinen, da er damit beginnt, die Grenzen und Axiome der jeweiligen Disziplin nicht zu respektieren. Zudem ist der „Übersetzer“ oder Brückenbauer immer irgendwie ein Fremder, in gewisser Weise ein Laie, der außerhalb seines Fachgebietes wildert. Wir können zur Entschuldigung nur geltend machen: Hätten die Experten die dringend benötigte Brücke gebaut, so hätte der Laie dazu nicht antreten müssen.

      Ich gehe daher im vorliegenden Buch das Risiko der Synthese weder blind noch unverantwortlich ein, indem ich vorschlage, den Jesus der kanonischen Evangelien mit der Gegenwart zu konfrontieren. Dieses gefährliche Wagnis bedeutet keine Respektlosigkeit gegenüber den vielfältigen, durchaus angemessenen historischen Fragen zur Verbindung zwischen dem Jesus der kanonischen Evangelien und den anderen Jesus-Figuren, die die Wissenschaft entwerfen kann.

      Die herrschende Ethik: Jesus ist nicht die Norm

      2. Jesus war, wie seine franziskanischen und tolstoianischen Nachahmer gesagt haben, eine einfache ländliche Gestalt. Er sprach zu Fischern und Bauern, Aussätzigen und Ausgestoßenen über