war das erst für 2030 vorgesehen und hätte den Einsatz einer einzelnen Langer Marsch 9 erfordert. Es wäre allerdings fraglich gewesen, ob diese Rakete (die im Übrigen auch für die bemannten chinesischen Mondlandungen benötig wird) bis dahin zur Verfügung steht. Die vorläufig geänderten Pläne sehen nun im November 2028 den Start einer Langer Marsch 3B-Rakete mit einem Lander und einer zweistufigen Aufstiegsrakete vor, sowie einer Langer Marsch 5, die einen Erdrückkehr-Orbiter in eine Marsumlaufbahn entsendet. Die Proben sollen 2031 zur Erde gelangen.
2024 will China eine außerordentlich komplexe Asteroidenmission mit der Bezeichnung „Zheng He“ beginnen, benannt nach dem Kommandanten der chinesischen Forschungsflotte im 15. Jahrhundert. Als Trägerfahrzeug soll eine Langer Marsch 3B eingesetzt werden, was ein Hinweis darauf ist, dass das Gesamtgewicht der Sonde bei unter vier Tonnen liegen wird. Das erste Ziel dieser Raumsonde wird der erdnahe Asteroid 2016 HO3 (469219 Kamoʻoalewa) sein. Zheng He wird hier landen. Bei der extrem geringen Schwerkraft dieses Himmelskörpers sollte man aber eher von „festmachen“ sprechen, und etwa ein Kilogramm an Bodenproben aufnehmen. Dabei sollen auch ein Mini-Rover und ein Nano-Orbiter abgesetzt werden. Etwa zwei bis drei Jahre nach dem Start wird „Zheng He“ zur Erde zurückkehren, einen nahen Vorbeiflug am Heimatplaneten durchführen, und eine kleine Rückkehrkapsel mit dem Gestein abwerfen, die in der Wüste Gobi landen soll. Danach macht sie sich auf zum Kometen 133P/Elst-Pizarro, den sie sieben Jahre später erreicht. In dieser Zeit wird sie wahrscheinlich einen „Gravity Assist“ am Planeten Mars erhalten und möglicherweise noch einen Vorbeiflug an einem weiteren Asteroiden durchführen. Das Unternehmen erfordert einen hohen Geschwindigkeitsbedarf, den elektrische Triebwerke decken sollen.
Um 2029 soll eine Forschungssonde zum Jupiter und seinem Mondsystem fliegen. Die Flugbahn soll dabei ähnlich verlaufen, wie die der europäischen Raumsonde JUICE, mit Gravitations-Unterstützungsmanövern an Erde, Venus und Mars. 2036 soll sie dann in eine Umlaufbahn um den Gasriesen einschwenken. Hauptforschungsgebiet sind neben Jupiter selbst vor allem die galileischen Monde, und hier vor allem Ganymed.
Und nicht zuletzt peilt China in den frühen 30er-Jahren eine Uranus-Mission an, die den Planeten etwa 2040 erreichen soll. Mit diesem Vorstoß in die absolute Weltspitze der Raumfahrtnationen ist China dann auch eine Weltmacht im äußeren Sonnensystem.
Gangayaan – Indiens bemanntes Raumfahrzeug
Russland hat eines, China hat eines und die USA haben sogar zwei. Auch Europa unternahm gelegentlich Anläufe sich so etwas zuzulegen, konnte sich am Ende aber nie dazu durchringen, es auch tatsächlich fertig zu stellen. Dagegen hat sich heimlich, still und leise und weitgehend unbemerkt von der westlichen Öffentlichkeit auch Indien eines zugelegt. Was mag das wohl sein?
Wir sprechen von einem bemannten Raumfahrtprogramm. Dessen Anfänge in Indien gehen bereits zurück bis ins Jahr 2006, eigentlich aber sogar noch 22 Jahre früher. Zwischen dem 3. und 11. April 1984 flog der Luftwaffenoffizier Rakesh Sharma als Gast des sowjetischen Interkosmos-Programms mit Sojus T-11 als erster und bislang einziger Inder in den Weltraum. Dieser Flug zeigte sich aber für Indien zunächst als raumfahrttechnologische Sackgasse. Über eigene Kapazitäten und Fähigkeiten für die Durchführung bemannter Raumfahrt verfügte Indien seinerzeit nicht und so blieb Sharmas Mission ein „One-Trick-Pony“ – eine einzelne, alleinstehende Mission aus der kein Programm erwuchs. Zurzeit von Sharmas Flug verfügte Indien noch nicht einmal über eine sinnvolle Trägerkapazität. Im Jahre 1979 war immerhin auf dem neuen Startplatz, der Shriharikota Rocket Launching Station (SRLS), die SLV 3 startbereit. Die erste Mission im Jahre 1979 war noch ein Fehlschlag, aber im Jahre 1980 hatte Indien seinen ersten eigenen Satelliten mit einer eigenen Trägerrakete in den Orbit gebracht: Rohini 1. Dieser Träger, man würde ihn heute als „Nano-Launcher“ einstufen, denn er konnte nur wenige Kilogramm Nutzlast in den Orbit bringen, war dennoch die Keimzelle der unabhängigen indischen Trägerraketenentwicklung. Seit dieser Zeit verfolgt Indien konsequent den Weg der Autonomie im Weltraum. Immer fortschrittlichere Raumfahrzeuge und Raketentypen wurden gebaut, und heute sind es Träger wie das Polar Satellite Launch Vehicle (PSLV) und das Geostationary Satellite Launch Vehicle (GSLV) die aus dem einstigen Raumfahrt-Entwicklungsland eine der bedeutenden Weltraummächte des Planeten gemacht haben. Eine Raumfahrtnation, die in absehbarer Zeit Europa überholen wird.
Das Programm
Erste Studien zur Vorbereitung eines bemannten Raumfahrtprogramms begannen bereits im Jahre 2006 unter der generischen Bezeichnung “Orbital Vehicle”. Geplant war zu diesem Zeitpunkt eine simple Kapsel mit einer Flugdauer von maximal einer Woche, die nach vollendeter Mission im Meer landen sollte. Dieser Entwurf wurde im März 2008 der indischen Regierung vorgelegt und die zugehörige Finanzierung beantragt. Die wurde jedoch nur zu einem kleinen Bruchteil gewährt. Damit verblieb das Vorhaben im Vorentwicklungsstadium. Immerhin konnte in dieser Zwischenphase im Januar 2007 ein Flugtest mit einer maßstäblich verkleinerten, nur 550 Kilogramm schweren Kapsel durchgeführt werden. Der Versuch und die Kapsel trugen die Bezeichnung „Space Capsule Recovery Experiment“ (SRE).
Ursprünglich war im Programmvorschlag von 2008 der erste – noch unbemannte – orbitale Testflug für das Jahr 2013 festgelegt. Dieser Plan wurde dann auf 2016 revidiert. 2012 und 2013 verschlechterten sich die Aussichten für das Vorhaben jedoch erneut und schließlich stand das Orbital Vehicle-Programm unmittelbar vor der Stornierung. Im Februar 2014 wurde aber das indische Raumfahrtbudget erheblich aufgestockt, und damit auch das Gangayaan-Projekt wiederbelebt. Durch die formelle Bestätigung für die Durchführung des Vorhabens durch Ministerpräsident Narenda Mori am 15. August 2018 im Rahmen des 13. Fünf-Jahres-Planes wurde das Programm schließlich fest in der staatlichen Planung verankert.
Für die Planung der Flüge und die Vorbereitung der Crews wurde eine eigene Astronauten-Trainingseinheit in Bangalore geschaffen. Beim Training der Astronauten unterstützt auch Russland, das daneben auch noch wichtige Subsysteme liefert, wie das Lebenserhaltungssystem und das Thermalkontrollsystem.
Bis Anfang 2020 war der erste bemannte Flug für den August 2022 geplant. Trotz aktueller Verschiebungen durch die Corona-Pandemie soll dieser Termin, das ist die feste Absicht der indischen Regierung, weiterhin bestehen bleiben. Das Gangayaan-Team spricht von einer Zeitreserve von acht Monaten, die das Vorhaben hat. Das Zieldatum ist wichtig für Indien, denn es markiert den 75. Jahrestag der indischen Unabhängigkeit. Die Gesamtkosten für das Gangayaan-Vorhaben werden mit knapp 1,4 Milliarden Euro beziffert, was für ein bemanntes Raumfahrtprojekt sensationell niedrig wäre.
Der Träger: die GSLV Mark III
Der Name lässt vermuten, dass es sich beim GSLV Mark III nur um eine Variante oder Weiterentwicklung der GSLV Mark II handelt. Dem ist allerdings nicht so, denn tatsächlich ist sie eine weitgehend neue Rakete. Die GSLV Mark III ist Indiens Schwerlastträger für die Starts von Satelliten in geostationäre Transferbahnen, Flüge von Raumsonden zu Mond und Planeten, und eben für die Unterstützung des zukünftigen bemannten indischen Raumfahrtprogramms. Sie besteht aus einer Basis-Stufe mit der Bezeichnung L110, die von zwei Vikas-Triebwerken angetrieben wird, zwei S200-Feststoffboostern und einer mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff betriebenen Drittstufe mit der Bezeichnung C25. Das Vikas-Triebwerk geht im Übrigen zurück auf den Raketenmotor, den die europäischen Trägerraketentypen Ariane 1 – 4 in ihren ersten und zweiten Stufen verwendeten. Ursprünglich war es ein reiner Lizenznachbau, inzwischen hat sich das von Indien verbesserte Design aber schon weit vom Original entfernt. Die Rakete weist eine Startmasse von 630 Tonnen auf und kann etwa zehn Tonnen in eine erdnahe Umlaufbahn und etwa vier Tonnen Nutzlast auf eine geostationäre Transferbahn transportieren. Die Nutzlastverkleidung umschließt ein Volumen von 100 Kubikmetern. Sie ist neun Meter lang und hat einen Durchmesser von fünf Metern. Den Orbitalflügen ging am 18. Dezember 2014 ein suborbitaler Einsatz voraus. Der erste Orbitaleinsatz des Trägers erfolgte am 5. Juni 2017.