soll etwa ab 2022 die L110-Zentralstufe durch eine Stufe mit der Bezeichnung SCE-200 abgelöst werden, die mit Kerosin und flüssigem Sauerstoff arbeitet. Das einzelne Triebwerk dieser Stufe basiert auf dem ukrainischen RD-810 Triebwerk von Juschnoje und soll einen Startschub von 1.820 Kilonewton leisten. Dadurch soll die Nutzlastkapazität für den geostationären Transferorbit auf 6.000 Kilogramm steigen. Für den niedrigen Erdorbit wird die Nutzlast bis auf 12.000 Kilogramm anwachsen, womit Gewichtssteigerungen in späteren Gangayaan-Versionen gut aufgefangen werden können.
Raumfahrzeug und Testflüge
Die Bezeichnung „Gangayaan“ bedeutet in Sanskrit so viel wie „Himmelsfahrzeug“. Entwickelt und hergestellt wird es von Hindustan Aeronautics Limited. Betreiben wird es der Auftraggeber, die Indian Space Research Organisation (ISRO). Das Raumschiff ist für eine zwei- bis dreiköpfige Besatzung ausgelegt. Es besteht aus zwei Komponenten: dem etwa 3,6 Tonnen schweren Crew-Modul und dem etwa drei Tonnen schweren Service-Modul. Zusammen werden sie als „Orbitalmodul“ bezeichnet. Das Raumfahrzeug wiegt damit etwa 600 Kilogramm weniger als ein bemanntes Sojus-Raumschiff, 1,5 Tonnen weniger als eine Shenzhou oder vier Tonnen weniger als ein Crew Dragon. Alles in allem ist Gangayaan also sehr leicht, wobei bedacht werden muss, dass für diese vorläufige bemannte Ausführung einiges an Ausrüstung noch fehlt, die erst später gebraucht wird, wie zum Beispiel ein Rendezvous- und Dockingsystem. Das Service-Modul verfügt über zwei flüssigkeitsbetriebene Haupttriebwerke. Für die Sicherheit der Astronauten wird das Orbital Vehicle mit einem Startrettungssystem ausgerüstet, das bereits vor dem Start „scharf“ geschaltet wird und die Flugphasen bis zum Beginn des Betriebs der zweiten Stufe abdeckt. Bereits im Frühjahr 2009 wurde ein Mock-Up in Originalgröße der Gangayaan-Kapsel an das Satish Dhawan Raumfahrtzentrum für das Training der Astronauten geliefert. Am 13. Februar 2014 übergab die Hindustan Aeronautics Limited den ersten Boilerplate-Prototypen an die ISRO für die Durchführung des Experimentes mit der Bezeichnung CARE (für: Crew Module Atmospheric Re-entry Experiment). Eine „Boilerplate“ ist ein Dummy, ein nur teilweise funktionsfähiges Vehikel, das aber dem originalen Raumfahrzeug genau nachgebildet ist. Es wird für die Test von Komponenten, Subsystemen und Systemen eingesetzt Bei der ISRO wurde diese Kapsel mit verschiedenen Systemen ausgerüstet, wie etwa dem Lebenserhaltungssystem und dem Navigations- und Flugführungssystem, und dann für den Versuch vorbereitet. Dieser erste Flugtest mit einer originalgroßen Kapsel fand am 18. Dezember 2014 statt. Die Mission war gleichzeitig der erste Testeinsatz der GSLV Mark III-Rakete. Der Start erfolgte um 9:30 Uhr Ortszeit an der Rampe 2 des Sathish Dhawan-Weltraumbahnhofs. Dabei wurde die Boilerplate-Kapsel auf eine suborbitale Flugbahn geschickt, die bis in 180 Kilometer Höhe führte. In einer Flughöhe von 126 Kilometern trennte sich die Kapsel von der Rakete, flog die geplante Parabel ab und landete etwa 25 Minuten später im Golf von Bengalen in der Nähe der Nikobaren. Der Test wurde als extrem erfolgreich bezeichnet. Alle Subsysteme funktionierten gut, ebenso das Fallschirmsystem und der Hitzeschild, der bei diesem Flug bis zu einer Temperatur von 1.600 Grad Celsius belastet wurde. Für die Tests des Startrettungssystems, ein klassischer Fluchtturm wie ihn auch die Mercury-, Apollo- und Sojus-Raumfahrzeuge verwendeten (und in letzterem Fall immer noch verwenden), sind zwei Versuche vorgesehen. Der erste fand am 5. Juli 2018 statt. Dabei wurde ein sogenannter Pad Abort simuliert, also ein Rettungsfall bei dem die Trägerrakete entweder noch auf der Startrampe steht oder erst eine geringe Flughöhe erreicht hat. Es wird auch noch einen sogenannten Inflight Abort-Test geben, also einen simulierten Flugabbruch in größerer Höhe und bei höheren Geschwindigkeiten. Dessen Datum stand aber bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Die Mission
Vor dem ersten bemannten Orbitalflug werden zwei unbemannte Testflüge stattfinden. Die erste Testmission war eigentlich für Dezember 2020 geplant. Dies dürfte nun aber durch die Corona-Epidemie wahrscheinlich eine Verzögerung von sechs bis acht Monaten erfahren. Ein zweiter orbitaler Testflug sollte sechs Monate darauf stattfinden.
Bei beiden Missionen soll eine instrumentierte Testpuppe den Platz eines Astronauten einnehmen. Diese Puppe ist beinlos, weiblich und mit einem Kommunikationssystem ausgerüstet. Sie kann einige grundlegende Funktionen an Bord des Raumfahrzeugs wahrnehmen. Der Name dieser Puppe, oder wie es die ISRO lieber hört des „Androiden“, ist Vyommitra.
Sechs Monate nach dem zweiten unbemannten Testflug soll der erste bemannte Einsatz erfolgen. Den bezeichnet die ISRO im Übrigen ebenfalls als „Testmission“. Spätestens im August 2022, wenn Indien den 75. Jahrestag seiner Unabhängigkeit feiert, sollte Gangayaan etwa eine Woche lang in den Orbit starten. Noch ist nicht klar, ob zwei Astronauten fliegen werden, oder nur einer. Das Raumfahrzeug ist aber im normalen Einsatzbetrieb für drei Besatzungsmitglieder ausgelegt. Es wird im Übrigen auf jeden Fall eine rein männliche Crew sein, denn in Russland trainieren derzeit ausschließlich (insgesamt sechs) Männer. Die Trägerrakete wird das Raumschiff in eine Erdumlaufbahn mit einer Höhe von 300-400 Kilometer bringen. Beim Flugprofil einer GSLV Mark III, mit dem relativ schubschwachen aber sehr effizienten Wasserstoff-Sauerstoff-Triebwerk der zweiten Stufe dauert das etwa 16 Minuten. ISRO will bei diesem Flug vier biologische Experimente und zwei Mikrogravitationsexperimente durchführen. Die Mission ist auf eine Dauer von fünf bis sieben Tagen ausgelegt. Vor der Landung und nach der Zündung eines der beiden Haupttriebwerke für das Retromanöver wird die Gerätesektion abgeworfen. Die Landung soll im Arabischen Meer vor der Provinz Gujarat erfolgen. Eine Reserve-Landezone liegt im Golf von Bengalen. Das Crew- Modul ist mit zwei Hauptfallschirmen ausgerüstet, kann aber auch mit nur einem einzelnen Schirm sicher landen. Die Fallschirme reduzieren die Geschwindigkeit von etwa 780 Kilometer pro Stunde, ausgehend von der „Terminal Velocity“ (also der Fallgeschwindigkeit der Kapsel unter Berücksichtigung der atmosphärischen Bremsung) auf unter 40 Kilometer pro Stunde beim Auftreffen auf das Wasser.
Wie geht es nach diesem ersten Orbitaleinsatz weiter? Die Pläne dafür liegen bereits auf dem Tisch. Gangayaan muss dafür in der nächsten Phase des bemannten indischen Raumfahrtprogramms mit der Fähigkeit für die Durchführung von Rendezvous- und Docking-Manövern ausgestattet werden. Auch ein Ziel für Indiens Raumschiff ist bereits in Vorbereitung. Bei einer Pressekonferenz anlässlich der Chandrayaan 2-Mondmission am 13. Juni 2019 gab der ISRO-Vorsitzende Dr. Kailasavadivoo Sivan bekannt, dass Indien den Bau einer nationalen Weltraumbasis ins Auge fasse. Diese aus zwei Modulen bestehende Kleinraumstation könnte bereits im Zeitraum 2025-2027 realisiert werden. Wir haben es eingangs bemerkt: Indien verfolgt konsequent den Weg zur Autonomie im Weltraum. Der Aufstieg zu den ganz großen Weltraumnationen ist fest in der indischen Raumfahrt-Agenda fixiert.
Schiffe für die Raumfahrt
Die Sache mit den Schiffen in der Raumfahrt begann im Apollo-Programm mit der Entwicklung der Saturn-Trägerraketen. Der Bau dieser gigantischen Träger war nicht nur ein ungeheures technisches Unterfangen, es war auch eine logistische Herausforderung erster Ordnung. Komponenten von über 20.000 Auftragnehmern und Unterauftragnehmern mussten nicht nur rechtzeitig fertig gestellt werden, sondern auch rechtzeitig bei den großen NASA-Centern eintreffen, damit sie dort geprüft und zu größeren Einheiten integriert werden konnten.
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