Marisa Frank

Fürstenkrone Staffel 10 – Adelsroman


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schon? Soso. Merkwürdig, ich hatte gedacht… Dieses Jahr hat Sie sehr verändert, Prinzessin. Ich sagte es Ihnen wohl schon bei der Begrüßung.«

      »Ja.« Edina nickte.

      »Hübsch sind Sie geworden. Eine reizende junge Dame.«

      Edina schwieg und wartete weiter. Jetzt mußte es kommen. Jetzt mußte er sagen, daß er…

      »Sind Sie gern zurückgekehrt nach Schloß Norawa, Prinzessin?«

      »O ja, sehr gern! Ich konnte es kaum erwarten.«

      »Das freut mich. Auch ich finde das Land hier wunderschön und komme immer wieder gern zurück. Man spürt es schon, wo man verwurzelt ist, nicht wahr?«

      »O ja.«

      »Na, ich denke, darüber werden wir uns noch öfter unterhalten können. Jetzt ist dieser Tanz leider vorbei, und ich muß mich um meine anderen Gäste kümmern. Darf ich Sie zu Ihrem Herrn zurückbringen, Prinzessin?«

      Mechanisch legte Edina eine Hand auf den Arm des Fürsten, der sie quer durch den Saal zu ihrem Platz zurückführte.

      Viele Blicke folgten ihnen, und manch einer der Anwesenden mochte denken, daß die beiden ein schönes Paar abgeben würden.

      Aber das hatte man auch vorhin gedacht, als der Fürst mit Gräfin Valeska tanzte. Und außerdem war die Prinzessin von Norawa noch reichlich jung.

      Edina konnte es nicht fassen, daß sie plötzlich wieder an ihrem Platz saß, daß Graf Brosz sich um sie bemühte, ihr Artigkeiten sagte. Sie konnte es nicht fassen, daß Fürst Drago mit ihr getanzt hatte, ohne ihr seine Liebe zu gestehen.

      Sie war doch so sicher gewesen. Und nun? War nun alles vorbei?

      Edinas Blicke folgten dem Fürsten, der gerade mit einer anderen Dame sprach, einer älteren Dame mit silberweißem Haar und in violetten Samt gehüllt trotz der sommerlichen Temperatur.

      Da lächelte Edina wieder. Natürlich, der Fürst war ja der Hausherr. Er mußte sich um alle seine Gäste kümmern, ganz besonders zu Beginn des Festes. Er konnte sich nicht ausschließlich ihr widmen, wenn das wohl auch sein eigentlicher Wunsch war. Aber er hatte Rücksichten zu nehmen, und dafür hatte sie natürlich Verständnis.

      Sie wollte nicht mehr ungeduldig sein. Sie wollte warten.

      Und einmal, das glaubte sie ganz genau zu wissen, würde der Fürst zu ihr kommen, und dann mußte das geschehen, wonach sie sich so unbeschreiblich sehnte.

      Prinzessin Edinas Optimismus war unverwüstlich, und für den Rest des Festes war sie sogar blendend gelaunt.

      Wie jedes junge Mädchen freute sie sich darüber, daß sich die Tänzer förmlich um sie rissen, daß sie so viele Komplimente zu hören bekam wie in ihrem ganzen Leben noch nicht.

      Trotzdem war sie in Gedanken immer bei Fürst Drago. Und alles Schöne, was man ihr sagte, so empfand sie in ihrem jugendlichen Überschwang, war eigentlich nur ein Kompliment für den Fürsten, dessen Gattin sie bald werden würde.

      *

      Der Butler Archibald nutzte die Abwesenheit der Königsfamilie, um sich nun endlich seinem ursprünglichen Ziel zu widmen. Er wollte nach den Dokumenten suchen, die bewiesen, daß die amerikanische Industriellenfamilie Noraway in direkter Linie von den Königen von Norawa abstammte.

      Da der König davon nichts wissen wollte und jede Unterstützung verweigerte – nun, da würde es wohl auch auf diesem etwas ungewöhnlichen Weg gehen.

      Im Grunde genommen war Archie darüber sogar ganz froh.

      Was er ursprünglich als eine Art Ulk angesehen hatte, daß er sich in der Verkleidung als Butler auf Schloß Norawa einschleichen wollte, machte ihm jetzt Freude.

      Vor allem war es die Prinzessin, die dem jungen Lord den Aufenthalt auf Schloß Norawa so versüßte.

      Dabei war sich Archie durchaus noch nicht über seine eigentlichen Gefühle sicher. Es sah ganz so aus, als wäre die Prinzessin mit dem Fürsten von Lukorin so gut wie verlobt. Dieser Gedanke schmerzte, denn dadurch gab es ja keine Hoffnung mehr für ihn.

      Doch Archie erlaubte es sich einfach nicht, sich darüber Gedanken zu machen. Er genoß die Gegenwart der Prinzessin. Jedesmal, wenn er Edina sah, ging für ihn die Sonne auf. Er freute sich an ihrem Anblick, er hörte sie gern plaudern und lachen, das allein schon stimmte ihn froh.

      Archie wunderte sich über sich selbst. Bisher hatte er nichts von plantonischer Liebe gehalten. Wenn er eine Frau kennenlernte und sich für sie interessierte, dann setzte er auch alles daran, sie für sich zu gewinnen.

      Merkwürdig, daß er bei der Prinzessin so ganz anders fühlte. Er konnte es sich nicht erklären. Aber es war schön, wirklich schön.

      Archie war inzwischen zum Turmzimmer hinaufgestiegen, wo die Bibliothek untergebracht war.

      Auf einem Regal, ziemlich hoch unter der Decke, stand eine ganze Reihe dicker, in Leder gebundener Folianten. Ob das die Chronik von Schloß Norawa und seinen Bewohnern war?

      Archie zog die auf Schienen laufende Leiter heran und kletterte nach oben. Um sich die Mühe des ständigen Auf- und Absteigens zu ersparen, setzte er sich gleich auf die oberste Sprosse, nahm den ersten der schweren, recht staubigen Bände auf den Schoß und begann zu blättern.

      Er hatte recht gehabt mit seiner Vermutung. Das hier war die Chronik, und hier müßte sich auch der Hinweis darüber finden lassen, ob und wann ein Sohn oder Bruder eines der Könige von Norawa nach Amerika ausgewandert war.

      Archie vertiefte sich in das Studium der Blätter. Mit der Hand hatten die Chronisten vergangener Jahrhunderte auf feinstes Pergament geschrieben, und das, was sie für die Nachwelt festgehalten hatte, war gar nicht so leicht zu entziffern.

      Manchmal war die Tinte schon verblaßt, manche Bücher waren eingerissen und dann war es für Archie auch recht schwer, die alte Sprache zu verstehen.

      Aber er fand sich zurecht, er las sich ein. Und dann kam eine Stelle, wo es interessant wurde. Im 17. Jahrhundert war es, als von einem erbitterten Streit zwischen zwei Brüdern die Rede war, einem Streit, der in Feindschaft überging.

      Archie witterte eine Spur, gespannt blätterte er um – um dann enttäuscht auszuatmen.

      Es ging nicht weiter in der Schilderung dessen, was ihn so interessierte. Eine belanglose Aufzählung von Lehensangaben folgte. Wieso war das möglich?

      Archie verglich die Seitenzahlen und pfiff dann leise durch die Zähne. Aha, so war das also! Es fehlte eine ganze Reihe von Blättern.

      Gespannt beugte Archie sich tiefer über das dicke Buch, nun wollte er es genau wissen. Und tatsächlich, wenn ihn nicht alles täuschte, waren diese fehlenden Seiten erst in neuerer Zeit aus dem Folianten getrennt worden.

      Dafür konnte es nur eine Erklärung geben: König Maximilian Peter mußte es getan haben.

      Durch die Bemühungen der amerikanischen Familiensache aufmerksam gemacht worden, vielleicht war sie ihm auch so nicht unbekannt gewesen. Er wollte aber nicht, daß die Geschichte bekannt würde, und so hatte er die alten Aufzeichnungen einfach aus der Chronik entfernt.

      Lord Archibald klappte das Buch zu und schmunzelte.

      »So einfach geht das nun doch nicht, lieber König«, murmelte er, während er mit einiger Mühe das schwere Buch wieder an seinen erhöhten Platz hob. »Es gibt nämlich einen Butler im Schloß, der nun erst recht neugierig geworden ist. Mal schauen, wo sich die hier fehlenden Seiten befinden. Ich wette, das wird eine höchst interessante Lektüre.«

      Archie fühlte sie wie ein Detektiv, der eine heiße Spur aufgenommen hat. Er vergaß seine Rolle als Butler, vergaß die steife Würden, die er sich für diese Rolle selbst auferlegt hatte, und ging vergnügt pfeifend aus dem Turmzimmer.

      So bemerkte er auch nicht, daß sich jemand schnell in eine Mauernische preßte, während er über die Marmortreppe nach unten stieg. Ohne sich weiter umzublicken,