Heinrich Mann

Der Untertan


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      Heinrich Mann

      Der Untertan

      Geschichte der öffentlichen Seele unter Wilhelm II.

      Heinrich Mann

      Der Untertan

      Geschichte der öffentlichen Seele unter Wilhelm II.

      Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2021

       EV: Kurt Wolff Verlag, Leipzig, 1918

       1. Auflage, ISBN 978-3-962818-23-4

      null-papier.de/707

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      Inhaltsverzeichnis

       An­mer­kun­gen zur Be­ar­bei­tung

       Be­spre­chung von Kurt Tuchols­ky

       I.

       II.

       III.

       IV.

       V.

       VI.

      Dan­ke

      Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

      Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

      Ihr

       Jür­gen Schul­ze

      Schreib­wei­se und In­ter­punk­ti­on des Ori­gi­nal­tex­tes wur­den über­nom­men; le­dig­lich of­fen­sicht­li­che Druck­feh­ler wur­den kor­ri­giert.

      Die Or­tho­gra­fie wur­de der heu­ti­gen Schreib­wei­se be­hut­sam an­ge­gli­chen.

      Grund­la­ge die­ser Ver­öf­fent­li­chun­gen bil­den fol­gen­de Aus­ga­ben:

       Kurt Wolff Ver­lag, Leip­zig, 1918

       Ver­lag Phil­ipp Re­clam jun., 1919

      A­ber es wäre un­nütz, euch zu ra­ten. Die Ge­schlech­ter müs­sen vor­über­ge­hen, der Ty­pus, den ihr dar­stellt, muss sich ab­nut­zen: die­ser wi­der­wär­tig in­ter­essan­te Ty­pus des im­pe­ria­lis­ti­schen Un­ter­ta­nen, des Chau­vi­nis­ten ohne Mit­ver­ant­wor­tung, des in der Mas­se ver­schwin­den­den Machtan­be­ters, des Au­to­ri­täts­gläu­bi­gen wi­der bes­se­res Wis­sen und po­li­ti­schen Selbst­kas­tei­ers. Noch ist er nicht ab­ge­nutzt. Nach den Vä­tern, die sich zer­ra­cker­ten und Hur­ra schri­en, kom­men Söh­ne mit Arm­bän­dern und Mo­no­keln, ein Stand von form­vollen Frei­ge­las­se­nen, der sehn­süch­tig im Schat­ten des Adels lebt …

      Hein­rich Mann 1911

      Die­ses Buch Hein­rich Manns, heu­te, gott­sei­dank, in al­ler Hän­de, ist das Her­ba­ri­um des deut­schen Man­nes. Hier ist er ganz: in sei­ner Sucht, zu be­feh­len und zu ge­hor­chen, in sei­ner Ro­heit und in sei­ner Re­li­gio­si­tät, in sei­ner Er­fol­gan­be­te­rei und in sei­ner na­men­lo­sen Zi­vil­feig­heit. Lei­der: es ist der deut­sche Mann schlecht­hin ge­we­sen; wer an­ders war, hat­te nichts zu sa­gen, hieß Va­ter­lands­ver­rä­ter und war kai­ser­li­cher­seits an­ge­wie­sen, den Staub des Lan­des von den Pan­tof­feln zu schüt­teln.

      Ein Stück Le­bens­ge­schich­te ei­nes Deut­schen wird auf­ge­rollt: Die­de­rich Hess­ling, Sohn ei­nes klei­nen Pa­pier­fa­bri­kan­ten, wächst auf, stu­diert und geht zu den Korps­stu­den­ten, dient und geht zu den Drücke­ber­gern, macht sei­nen Dok­tor, über­nimmt die vä­ter­li­che Fa­brik, hei­ra­tet reich und zeugt Kin­der. Aber das ist nicht nur Die­de­rich Hess­ling oder ein Typ.

      Das ist der Kai­ser, wie er leib­te und leb­te. Das ist die In­kar­na­ti­on des deut­schen Macht­ge­dan­kens, das ist ei­ner der klei­nen Kö­ni­ge, wie sie zu Hun­der­ten und Tau­sen­den in Deutsch­land leb­ten und le­ben, ge­treu dem kai­ser­li­chen Vor­bild, gan­ze Herr­scher­chen und gan­ze Un­ter­ta­nen.

      Die­se Par­al­le­le mit dem Staats­ober­haupt ist er­staun­lich durch­ge­ar­bei­tet. Die­de­rich Hess­ling ge­braucht nicht nur die­sel­ben Tro­pen und Aus­drücke, wenn er re­det wie sein kai­ser­li­ches Vor­bild – am lus­tigs­ten ein­mal in der An­tritts­re­de zu den Ar­bei­tern (»Leu­te! Da ihr mei­ne Un­ter­ge­be­nen seid, will ich euch nur sa­gen, dass hier künf­tig forsch ge­ar­bei­tet wird.« Und: »Mein Kurs ist der rich­ti­ge, ich füh­re euch herr­li­chen Ta­gen ent­ge­gen.«) – er han­delt auch im Sin­ne des Ge­wal­ti­gen, er beugt sich nach oben, wie der sei­nem Got­te, so er sei­nem Re­gie­rungs­prä­si­den­ten, und tritt nach un­ten.

      Denn die­se bei­den Cha­rak­terei­gen­schaf­ten sind an Hess­ling, sind am Deut­schen auf das sub­tils­te aus­ge­bil­det: skla­vi­sches Un­ter­ord­nungs­ge­fühl und skla­vi­sches Herr­schafts­ge­lüst. Er braucht Ge­wal­ten, Ge­wal­ten, de­nen er sich beugt, wie der Na­tur­mensch vor dem Ge­wit­ter, Ge­wal­ten, die er selbst zu er­rin­gen sucht, um an­de­re zu du­cken. Er weiß: sie du­cken sich, hat er erst ein­mal das ›Am­t‹ ver­lie­hen be­kom­men und den Er­folg für sich. Nichts wird so re­spek­tiert wie der Er­folg; ein­mal heißt es gra­de­zu: »Er be­han­del­te Mag­da mit Ach­tung, denn sie hat­te Er­folg ge­habt.« Aber wie wird die­ser Er­folg ge­ach­tet! Wür­de er es mit nüch­ter­nem Tat­sa­chen­sinn, so hät­ten wir den Ame­ri­ka­nis­mus, und das wäre nicht schön. Aber er wird ge­ach­tet auf ganz ver­lo­gne Art: man schämt sich der al­ten Ver­gan­gen­heit und be­schwört die al­ten Göt­ter, die den wirk­li­chen Dich­tern und Den­kern von einst noch et­was be­deu­te­ten, zi­tiert sie, legt Me­ta­phy­sik in den Er­folg und don­nert voll Über­zeu­gung: »Die Welt­ge­schich­te ist das Welt­ge­richt!« Und ap­pel­liert an kei­ne hö­he­re In­stanz, weil man kei­ne an­de­re kennt.

      Das gan­ze bom­bas­ti­sche und doch so klei­ne We­sen des kai­ser­li­chen Deutsch­land wird scho­nungs­los in die­sem Buch auf­ge­rollt. Sei­ne Sucht, Amü­sier­ver­gnü­gen an Stel­le der Freu­de zu set­zen, sei­ne Un­fä­hig­keit, in der Ge­gen­wart zu le­ben, ohne auf die Le­se­bü­cher der Zu­kunft hin­zu­wei­sen, und sei­ne Un­fä­hig­keit, an­ders als nur in der Ge­gen­wart zu le­ben, sei­ne Lust am rau­schen­den Ge­prän­ge – tiefer ist nie die Po­pu­la­ri­tät Wa­gners ent­hüllt wor­den als hier an ei­ner ›Lo­hen­grin‹- Auf­füh­rung, die voll wit­zi­ger Be­zie­hun­gen zur deut­schen Po­li­tik strotzt (»denn hier er­schei­nen ihm, in Text und Mu­sik,