Armand Amapolas

Emma schreibt


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für dich.«

      »Wieso schade? Ich liebe verheiratete Frauen. Da weiß man wenigstens, woran man ist.«

      »Apropos Candela III: ich interessiere mich wirklich für das Bauprojekt in Santa Cruz. Deshalb bin ich hier.«

      »Hier? Du bist auf der Insel? Das ist nicht dein Ernst. Seit wann?«

      Emma glaubte, einen Hauch von Verstimmung aus Mikes Tonlagenwechsel herauszuhören: »Seit vier Stunden etwa. Ich bin am frühen Nachmittag gelandet. Und ich wollte mich erst etwas frisch machen, bevor ich dich anrufe. Das ist dir doch recht? Ach so: zwischendurch hat mich noch ein charmanter Mann zum Essen eingeladen. Du weißt ja, wenn es Leckeres zu essen gibt, kann ich nicht widerstehen.«

      »Nein, das wusste ich bisher nicht. Ich habe jedenfalls ein ziemlich schallendes Nein im Ohr. Obwohl meine Kochkünste von den meisten Frauen gerühmt werden.«

      »Wie gut mein neuer Bekannter kochen kann, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Wir haben im Bistro des Auditorio gegessen. Ein schöner Platz. Gutes Essen, guter Wein, wenn die Musik auch so gut ist… Hanisch heißt mein neuer Bekannter übrigens, Horst Hanisch. Freunde nennen ihn Hotte. Aber so weit bin ich mit ihm noch nicht.«

      »Hanisch? Was hast du mit Hanisch zu tun? Bist du wirklich beruflich hier?«

      »Was denn sonst? Würde ich sonst in der Redaktion angerufen haben? Warum sollte ich?«

      »Stimmt. Du hast schließlich meine Handynummer. Die hat sich nicht geändert. Bei mir hat sich überhaupt nicht viel geändert.«

      »Gut. Überwiegend. Du weißt ja: ich bin ein bisschen schüchtern. Und altmodisch. Ich werde gerne aufgefordert. Und eingeladen.«

      »Okay. Was hast du heute Abend noch vor? Wo genau steckst du? Im La Palma? Dann würde ich dich von dort erretten, vielleicht. Zu mir in die Cabaña kann ich dich allerdings nicht einladen. Da gibt’s nichts zu essen, und es sieht ziemlich unaufgeräumt aus. Junggesellenhaft eben.«

      »Mir scheint, du lässt dich gehen.«

      »Mir fehlt die Frau im Haus.«

      »Im Haus, soso. Ich hätte lieber gehört: im Leben.«

      Emma war überrascht, welche Wendung das Telefonat zu nehmen schien. Und so rasant. Was wollte sie von Mike? Überhaupt: was wollte sie? Vom Leben? Vielleicht sollte sie mehr nachdenken und weniger plappern. Sie räusperte sich und verabreichte sich mental eine kalte Dusche. »Es tut mir leid, dass ich dich so überfallen habe. Es ist natürlich schon spät. Wir könnten uns morgen oder übermorgen treffen. Morgen früh allerdings bin ich mit Horst Hanisch verabredet.«

      »Schon wieder? Darüber müssen wir sprechen. Noch mal: wo bist du?«

      »Nicht im La Palma, sondern in Santa Cruz im Hotel Victoria. In Puerto de la Cruz war nich noch gar nicht.«

      Im La Palma, dem Apartmenthaus aus den 1970ern in Puerto, hatte Emma die Wohnung ihrer Großmutter geerbt. Dort hatte sie gewohnt, zwischen den alten Möbeln ihrer Oma, während ihres ›Inselabenteuers‹ vor einem guten halben Jahr.

      »Boah ey, wie ihr in Wanne-Eickel sagt: ein ziemlicher Aufstieg. Madame verkehren also jetzt im ersten Haus am Platze.«

      »Mademoiselle bitte. Und das mit dem Verkehr verbitte ich mir.«

      »Schade eigentlich. In einer Stunde bin ich bei dir. Und dann können wir ausführlich über Hanisch und das Candela-Projekt reden.«

      »Gut. Ich erwarte Sie dann in der Lobby, Herr Dorenbeck. Ich hoffe, Sie werden mich erkennen.«

      Frisch geduscht, in gewechselter Jeans und zu ihrem Bedauern arg verknitterter Bluse – Blusen sind für den Transport in Rucksäcken einfach nicht geeignet – blätterte Emma damenhaft-gelangweilt, auf einem weißen Ledersessel thronend, die Beine übereinandergeschlagen, in einem Lifestyle-Magazin, als Dorenbeck suchend die Lobby des Victoria betrat – oder besser: erstürmte. Emma konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie hatte sich so platziert, dass sie den Eingang im Auge behielt. Ein interessantes Publikum hatte das Victoria, fand Emma. Hier schienen keineswegs nur Geschäftsleute zu verkehren – oder Geschäftsleute sahen auf Teneriffa anders aus als in Deutschland. Weniger uniform. Jünger. Besser. Und weiblicher.

      Dass Mike erschienen war, fühlte sie schon, bevor ihre Augen ihn wahrnahmen. Er sah genau so aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Lässig-souverän. Keines seiner Kleidungsstücke wirkte an ihm gewollt oder deplatziert – verblasste Jeans, dunkles Poloshirt, eine dünne braune Wildlederjacke am Zeigefinger über der Schulter hängend. Struwweliges dunkelblondes Haar. Suchender Blick. Der suchende Blick gefiel ihr am besten.

      Emma musste nicht winken. Mike hatte sie sofort erspäht und kam schnurstracks auf sie zu. Sie legte das Magazin beiseite und stand auf. Wie sollten sie sich begrüßen? Die Hände schütteln, bevor sie ihm einen Platz anbot? Bevor Emma eine Antwort darauf fand, hatte Mike sie schon umstandslos in die Arme genommen. Emma war ihm dankbar dafür, ließ sich drücken. Drückte sich an ihn. Dann stieß sie ihn fort: »Herr Dorenbeck, was nehmen Sie sich heraus? Pflegen Sie so über Ihre Interviewpartnerinnen herzufallen? Lernt man das in der Freien und Hansestadt Hamburg so?«

      »Ach, das Interview! Jetzt habe ich glatt mein Aufnahmegerät vergessen. In der Aufregung. Wer interviewt eigentlich wen? Lass mich anfangen: Wie geht es dir? Gut siehst du aus.«

      »Danke. Das täuscht. Auch die Umgebung hier dient nur der Tarnung. Ich bin arbeitslos, gefeuert, des sexual harassment verdächtig und im Begriff, mich für Geld zu verkaufen.«

      Mike hatte die Jacke locker über eine Stuhllehne gelegt und griff mit seiner Rechten zur Gesäßtasche. »Ich habe höchstens fünfzig Euro bei mir. Nimmst du auch Karten?«

      »Ferkel! Ich bin im Begriff, meine Prinzipien zu verkaufen. Ich schreibe PR-Artikel und werde womöglich Ghostwriterin. Mietschreiberin. Ansonsten bin ich für Geld nicht zu haben. Für leckeres Essen schon eher.«

      »Ich weiß nicht, ob Jeansträger hier überhaupt ins Restaurant gelassen werden. Aber man kann auch am Pool was zu kauen bekommen. Ich hoffe, dass es schmeckt.«

      Es gelang den beiden einfach nicht, ihrem Gespräch eine Wendung ins Ernste zu geben. Auch nicht, als sie an einem der Tische auf einer Empore neben der Poolbar Platz genommen und Weißwein und Tapas bestellt hatten. Immer wenn sie auf Hanisch oder das Candela oder auf Emmas Abgang von der Revue oder auch auf Mikes aktuelle Lebensumstände zu sprechen kamen, gab einer von ihnen dem Gespräch sofort wieder eine Wendung ins Anzügliche, Verspielte. Sie genossen das Spiel. Beide. Und waren sich dessen beide bewusst.

      Irgendwann war alles aufgegessen, die Flasche Wein geleert, eine zweite angebrochen, Kaffee genommen, und Emma hatte die Frage gestellt, ihrer inneren Stimme zum Trotz.

      Dann hatte alles eigentlich ganz gut begonnen, fand Emma. Im Aufzug waren sie allein und haben sich geküsst. Erst vorsichtig, dann leidenschaftlich. Nur Mikes Jacke war im Weg gewesen.

      Auf dem Weg zu Emmas Zimmer haben sie Händchen gehalten. Ganz fest. Es fiel Emma schwer, den Griff zu lösen, was sie aber musste, um ihre Zimmerkarte aus der Hosentasche zu nesteln.

      Aber dann, als sich die schwere Zimmertür hinter ihnen schloss, war es Emma, als hätte sich das Wetter urplötzlich gedreht. Ihr war kalt und heiß zugleich. Sie ließ es zu, dass Mike sie wieder in den Arm nahm. Sie erwiderte seinen Kuss, aber sie nahm dabei sehr bewusst wahr, wie sich seine Zunge zwischen ihre Zähne schob. Aus Unwohlsein und Verlegenheit schob sie ihn von sich und knöpfte ihre Bluse auf. Mike zog sich das Poloshirt über den Kopf und nestelte an seiner Jeans. Die Jacke hatte er achtlos auf den Boden fallen lassen. Emma drehte sich um und verschwand im Bad, zog die Tür hinter sich zu, atmete tief durch.

      Emma, was ist los mit dir? fragte sie sich. Sie mochte diesen Mann, sehr sogar – und ja, sie wollte Sex mit ihm. Es war höchste Zeit für Sex, fand sie, richtigen, bewussten, willentlichen, guten, ehrlichen Sex. Wann hatte sie zuletzt mit einem Mann geschlafen? Wie lange lag das zurück? Viel länger jedenfalls als ihr ›Abenteuer‹ auf Teneriffa. Es war an der Zeit, auch