Thomas Röper

Spieglein, Spieglein in der Hand,wer lügt am meisten im ganzen Land?


Скачать книгу

einen heißen Krieg führen?

      Dass Putin es geschafft hatte, die ehemaligen Rivalen Iran und Türkei in ein Boot zu holen, dass Putin es durch sein Eingreifen geschafft hatte, eine türkische Offensive gegen die Kurden zu stoppen, dass Putin mit seinen guten Beziehungen zwischen dem Iran und Israel auch dort versucht, zu vermitteln – wer kann das schlecht finden? Wer kann etwas dagegen haben, wenn es im Nahen Osten vielleicht endlich mal friedlicher wird, wenn das Misstrauen Schritt für Schritt durch Gespräche in Vertrauen umgewandelt wird?

      Dass Putin hier Erfolge hat, zeigten auch die Gespräche zwischen den Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien, die offensichtlich ebenfalls von Putin eingefädelt wurden, als er im Oktober 2019 in Saudi-Arabien war.

      Dann griff Frau Bota zum bewährtesten Mittel der Propagandisten: Sie packte ganz viele unbelegte Vorwürfe in einen Satz. Bevor der Leser anfangen konnte zu verstehen, dass Russland tatsächlich eine auf Ausgleich und Frieden ausgerichtete Politik verfolgt, sollte der Leser negativ eingestellt werden:

      „Selbst in Europa, das an den Sanktionen gegen Russland (noch) festhält, schafft es der Kreml ein kleines bisschen aus der politischen Isolation heraus – trotz Attentaten (Skripal, Changoschwili), Hackerangriffen und enttarnter Geheimdienstoperationen.“

      Die Attentate gegen Skripal und Changoschwili werden von den Medien zwar Russland angelastet, aber bewiesen ist bis heute gar nichts. Im Fall Skripal gibt es mehr offene Fragen als Antworten, und im Fall Changoschwili, also dem Tiergartenmord, gibt es auch ein Jahr später noch nicht einmal eine offizielle Behauptung, Russland habe damit etwas zu tun. Das behaupten bisher nur die Medien. Propaganda eben.

      Wenn die Medien in Deutschland wenigstens darüber berichtet hätten, wer da im Dezember 2019 im Berliner Tiergarten – von wem auch immer – erschossen wurde, würde der Fall kaum Empörung hervorrufen können. Immerhin war das Opfer an Terroranschlägen in Russland mit Dutzenden Toten beteiligt und hatte engste Verbindungen zur organisierten Kriminalität. Propaganda eben: Man stellt Beschuldigungen auf und verschweigt alles, was nicht ins Bild passt.

      Unmittelbar danach schrieb Frau Bota im selben Absatz:

      „Macron kommt Putin entgegen, in Paris verhandelt man endlich über Frieden in der Ukraine – aber nicht ohne Putins Vorbedingungen. Die Steinmeier-Formel jedenfalls, von ihren Gegnern auch Putin-Formel genannt, haben die Ukrainer nicht gewollt, aber akzeptieren müssen.“

      Das ist ein wirklich starkes Stück Propaganda, denn es ist dreist gelogen. Kein Leser von Frau Bota weiß, was die Steinmeier-Formel überhaupt ist. Und so kann sie sie zur „Putin-Formel“ machen. Das klingt auch gleich schön böse.

      Dabei ist die Steinmeier-Formel ein Produkt des damaligen deutschen Außenministers Steinmeier (und nicht etwa von Putin), und sie sollte Details bei der Umsetzung des Minsker Abkommens festlegen. Die Ukraine hat sie nie umgesetzt, wie auch das gesamte Minsker Abkommen nicht. Was aber kann Putin dafür, wenn Steinmeier einen Vorschlag macht, auf den sich alle (inklusive der Ukraine) in Verhandlungen geeinigt haben und wenn Kiew hinterher seine eingegangenen Verpflichtungen nicht umsetzt?

      Und trotz aller nun von Frau Bota aufgelisteten russischen „Untaten“, die alle einer Überprüfung nicht standhalten, feiert Russlands Diplomatie Erfolge, wie sie schreibt:

      „Für die russischen Erfolge gibt es vor allem zwei Gründe. Zum einen gilt die russische Diplomatie als sehr professionell. „Russland war immer stolz auf seine diplomatische Schule, und das, so scheint mir, nicht grundlos“, schreibt Andrej Kortunow, Direktor des kremlnahen Thinktanks Riac.“

      In der Tat ist das so: Die Diplomatenausbildung in Russland ist hervorragend. Die Diplomaten lernen die Sprachen der Länder, in denen sie eingesetzt werden sollen, sie lernen die kulturellen und historischen Hintergründe und sind hochprofessionell.

      Sie meinen, das wäre überall so? Weit gefehlt. Nehmen Sie die USA, wo Großspender eines Präsidenten häufig mit Botschafterposten belohnt werden, oder auch Deutschland, wo Botschafter in erster Linie nach Parteibuch und nicht nach ihrer Ausbildung oder ihrer Kenntnis über die Länder, in die sie geschickt werden, ausgewählt werden.

      Was nützt ein deutscher Botschafter in Moskau, der sich ohne Dolmetscher nicht einmal einen Kaffee bestellen kann? Der russische Botschafter in Deutschland kann hingegen sogar ohne Dolmetscher in deutschen Talkshows auftreten.

      Da ist es unvermeidbar, dass die russischen Diplomaten ganz andere Erfolge vorweisen können als ihre Kollegen. Ich war Ende 2019 auf einer Konferenz, und da haben mir mexikanische Politologen sehr viele Beispiele genannt, wie russische Diplomaten in lateinamerikanischen Ländern als Vermittler bei internen Problemen gerufen werden, weil sie sich dort auskennen und neutral zwischen Konfliktparteien vermitteln können – und zwar direkt und ohne Dolmetscher. Es ist kein Zufall, das westliche Botschafter in solchen Fällen nicht gerufen werden: Ihnen fehlen die Kompetenz, das Wissen um die Situation im Land und die Sprachkenntnisse. Ganz abgesehen davon, dass sie dafür bekannt sind, parteiisch zu sein und daher als neutrale Vermittler von vorneherein ausfallen.

      Dann kommt Frau Bota auf den russischen Außenminister zu sprechen, und man beachte, mit welchen Formulierungen sie beginnt:

      „Kaum jemand ist abgebrühter, unverfrorener und umtriebiger: Lawrow redet mit Irakern, Türken, Ägyptern, Amerikanern, Libyern, Chinesen, Israelis, Iranern. In einem Monat kann er mit den drei größten Feinden verhandeln: Anfang Dezember traf Lawrow den israelischen Außenminister, Mitte Dezember den saudischen, zum Jahresende dann den iranischen. Man vermeidet es, sich auf eine Seite in der Region zu schlagen.“

      Mit diesen einleitenden Formulierungen prägt sie dem Leser ein negatives Bild ein, dabei ist das, was sie anschließend schreibt, durchweg positiv. Darüber möchte sie mit der Einleitung hinwegtäuschen.

      Der russische Chef-Diplomat redet also mit allen, auch mit jenen, die untereinander verfeindet sind. Das ist der Job eines Diplomaten! Wie soll er denn Frieden, Aussöhnung und Verständigung erreichen, wenn er nicht mit den Konfliktparteien redet? Und wie soll es zu einer Verständigung kommen, wenn man sich auf eine Seite schlägt? Dann ist man kein Vermittler mehr, sondern Konfliktpartei!

      Wenn ein deutscher Außenminister mit Konfliktparteien redet, ist in der Presse von „Vermittlungen“ die Rede. Wenn Lawrow es tut, nennt Frau Bota das „abgebrüht, unverfroren und umtriebig“. Propaganda eben.

      Russland redet also – ganz im Gegensatz zum Westen, der zum Beispiel mit Syrien oder dem Iran gar nicht reden will – im Nahen Osten mit allen. Dazu schreibt Frau Bota:

      „Die Autokraten im Nahen Osten sind dankbar für diese verlässliche Macht, die ihnen das Teuerste garantiert: den Status quo und damit ihre Despotenherrschaft.“

      Das kann man kritisieren, aber dann muss man auch kritisieren, dass der Westen mit den „Despoten“ auf der arabischen Halbinsel nicht nur redet, sondern sie hofiert und massiv unterstützt, damit sie ihre „Despotenherrschaft“ aufrechterhalten können. Ich habe das Wort „Despotenherrschaft“ in deutschen Medien noch nie im Zusammenhang mit dem „Partner“ Saudi-Arabien gehört, dabei ist das die größte „Despotenherrschaft“ in der Region.

      Im Iran und in Syrien gibt es Wahlen (die man sicherlich auch kritisieren kann, aber es gibt sie wenigstens), in Saudi-Arabien gibt es nicht einmal ein Parlament. Dafür liefert der Westen fleißig Waffen, mit denen die „Despoten“ in Saudi-Arabien ihr Nachbarland Jemen in Schutt und Asche legen und die Zivilbevölkerung abschlachten.

      Aber Russland ist in Frau Botas Augen böse, weil es mit allen redet. Wenn es das Wort „Doppelmoral“ nicht schon gäbe, müsste man es für Frau Bota und ihre Kolumne extra erfinden.

      Der letzte Absatz war die Krönung