Viola Maybach

Der neue Dr. Laurin Box 2 – Arztroman


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wollen Sie die Zeit für unsere Familie hernehmen?«, fragte Antonia Laurin in diesem Moment. »Sie haben selbst eine Familie, um die Sie sich kümmern müssen.«

      »Lili ist sechzehn und sehr selbstständig, sie hat einen Job als Babysitter. Um Lisa müssen wir uns kümmern, weil sie immer noch Angst hat, nach unseren Eltern auch uns noch zu verlieren. Aber sie geht zu einer Psychologin, und seit wir wissen, dass sie eine Lese-Rechtschreibschwäche hat, ist es auch in der Schule wieder besser geworden. Ich kann jedenfalls vormittags hier sein, den Haushalt machen, kochen und hinterher die Küche wieder in Ordnung bringen. Ich kann nicht bis abends bleiben, falls das Ihre Frage war, dann bleibt mir zu wenig Zeit, das stimmt schon. Aber ich kann morgens unsere Einkäufe erledigen und was sonst noch so anfällt, dann hierherkommen und bis zum frühen Nachmittag bleiben, wenn das für Sie in Ordnung ist.«

      Ein kurzes Schweigen antwortete ihm, bevor sich Leon Laurin räusperte und sagte: »Früher haben unsere Haushälterinnen hier im Haus gewohnt.«

      »Hier im Haus?«, fragte Simon verblüfft. »Also, tut mir leid, aber das geht für mich auf keinen Fall. Und ich muss Ihnen noch etwas sagen: Ich bin nicht auf der Suche nach einer Lebensstellung. Sobald Lisa mit der Schule fertig ist und eine Ausbildung oder ein Studium beginnt, werde ich Koch. Ich will eines Tages ein eigenes Restaurant aufmachen, dafür brauche ich eine richtig gute Ausbildung. Ich hatte schon einen Ausbildungsplatz, aber dann … also dann sind eben kurz nacheinander unsere Eltern gestorben, also konnte ich das damals nicht machen. Aber ich hole das nach, auf jeden Fall. Ich fange dann eben etwas später an.«

      »Dass Sie kochen können, wissen wir ja schon«, sagte Antonia mit einem Lächeln. »Wir sind aus allen Wolken gefallen, als unsere Kinder uns dieses Menü vorgesetzt haben. Zuerst haben wir ihnen die Geschichte, die sie uns dann erzählt haben, nicht glauben wollen.«

      »Na ja, es war nicht perfekt, ich hatte ja nicht so viel Zeit«, sagte Simon. »Aber das Kochen ist jedenfalls mein geringstes Problem.«

      »Was ist denn ein Problem?«, fragte Leon. »Das Putzen?«

      »Putzen? Überhaupt nicht«, antwortete Simon erstaunt. »Ich kaufe auch gerne ein. Haushalt ist für mich eigentlich überhaupt kein Problem, wenn alles gut organisiert ist. Bei uns zu Hause ist das so. Wir packen alle an, weil es sonst nicht geht, ich habe ja auch bisher schon einen Job gehabt.« Er grinste ein wenig schief. »Das soll jetzt keine Kritik sein, aber ich glaube, bei Ihnen läuft das anders, oder? Sie, Frau Laurin, managen das hier bislang mehr oder weniger allein.«

      »Also …«, begann Leon, verstummte aber gleich wieder, als ihm aufging, dass der junge Mann Recht hatte.

      »Ja«, sagte denn auch Antonia. »So ist das. Früher hatten wir Haushälterinnen, aber es wurde immer schwieriger, Frauen zu finden, die zu uns passen und die wir gerne um uns haben. Also habe ich es schließlich selbst übernommen. Ich fürchte, ich habe meine Familie verwöhnt.«

      Simon nickte. »Ich kann natürlich in einem so großen Haushalt in, sagen wir mal, fünf Stunden täglich, nicht alles machen. Betten machen oder frisch beziehen zum Beispiel – meine Schwestern machen das selbst, das ist schließlich keine Kunst. Den Frühstückstisch abräumen, alles zurück in den Kühlschrank, das Geschirr in die Spülmaschine, solche Sachen. Wenn Sie für so etwas eine Haushälterin brauchen, bin ich der Falsche. Wenn ich einkaufen, kochen, putzen und vielleicht auch noch mal den Rasen mähen soll, müssen solche Sachen von Ihren Kindern übernommen werden, anders geht es nicht. Die sind ja auch aus dem Kleinkindalter heraus, da sollte das eigentlich kein Problem sein.«

      »Ich muss schon sagen«, brachte Leon endlich heraus, »dieses Gespräch verläuft anders, als ich dachte.«

      »Weil ich sage, was ich mir vorstelle?«, fragte Simon. »Aber das muss ich doch, sonst klappt das nie im Leben. Wenn ich Ihnen jetzt erzähle, dass ich alles mache und das spielend in fünf Stunden schaffe, werfen Sie mich nach spätestens zwei Wochen raus, weil Sie feststellen, dass ich Ihnen etwas vorgemacht habe. Ich verlange ja auch nicht, dass Sie mich bezahlen wie eine Frau, die ausgebildete Hauswirtschafterin ist.«

      Zu Simons Erstaunen fing Antonia Laurin an zu lachen. Sie legte den Kopf in den Nacken und lachte aus vollem Hals. Ihr Mann betrachtete sie zuerst fast ein wenig ärgerlich, aber dann lachte auch er. Simon wusste nicht, wie er reagieren sollte. Er konnte nicht mitlachen, weil er nicht verstand, was die beiden so lustig fanden.

      Endlich beruhigten sie sich wieder. »Wir rufen jetzt unsere Kinder, Herr Daume, und dann wiederholen Sie bitte, was Sie eben gesagt haben. Wir beide sind bereit, es mit Ihnen zu versuchen. Die Frage ist, ob unsere Kinder es unter den von Ihnen genannten Bedingungen auch sind.«

      »Sie wollen mich nehmen?« Simon traute seinen Ohren nicht.

      »Haben Sie das nicht erwartet?«

      »Nein, eigentlich nicht. Ich entspreche ja überhaupt nicht dem, was Sie suchen. Schließlich habe ich die Anzeige gelesen. Ich habe das falsche Alter, das falsche Geschlecht, die falsche Vorgeschichte – und ich stelle auch noch Bedingungen. Außerdem habe ich nicht einmal Zeugnisse.«

      »Das stimmt«, sagte Leon. »Aber wieso haben Sie dann eigentlich diese Aktenmappe dabei?«

      »Meine Schwestern haben mir Zeugnisse geschrieben. Es war Lilis Idee, schätze ich. Jedenfalls waren sie der Ansicht, sie müssten mich so richtig anpreisen, falls jemand ein Zeugnis verlangt. Vorsichtshalber habe ich sie mitgebracht. Ihre Kinder haben neulich zum Glück keine Zeugnisse sehen wollen. Ich war einigermaßen erleichtert deswegen.«

      »Mhm«, machte Antonia, »ich würde schon gern wissen, was Ihre Schwestern geschrieben haben. Das interessiert mich. Würden Sie es mir zeigen?«

      Simon nickte ergeben. »Sie haben ein Recht darauf, schätze ich«, sagte er und reichte ihr die beiden Blätter.

      Sie las das erste Blatt, reichte es an ihren Mann weiter und las das zweite Blatt, bevor sie ihm auch dieses gab. Als sie Simon ansah, waren ihre Augen feucht.

      Leon musste sich räuspern, als er Simon beide Schreiben zurückgab. »Ich schätze«, sagte er, »es wird für uns alle eine Herausforderung.«

      Er sprang auf und rief nach den Kindern, die so schnell hereinkamen, dass Simon annahm, dass sie direkt hinter der Tür gelauert hatten.

      »Herr Daume hat euch etwas zu sagen.«

      »Jetzt sag bloß, du hast es dir anders überlegt!«, rief Kevin.

      »Nein, nein, darum geht es nicht. Also, es ist so …« Simon holte tief Luft, dann wiederholte er, was Leon Laurin ›seine Bedingungen‹ genannt hatte. Er schloss mit den Worten: »Ich weiß, dass das für euch eine Umstellung ist, weil eure Mutter euch … ein bisschen verwöhnt hat, aber anders wird es nicht funktionieren. Ich kann nicht hier wohnen und den ganzen Tag hier verbringen. Und über die Wochenenden haben wir noch gar nicht gesprochen.«

      »Da bin ich ja zu Hause«, warf Antonia schnell ein. »An den Wochenenden haben Sie sowieso frei.«

      »Ich kann mein Bett selbst machen«, sagte Kyra. »Mir macht das nichts aus. Und wenn wir nach dem Frühstück alle mit anpacken …«

      »Ist doch klar«, sagte Kevin, »dass du nicht alles machen kannst. Von mir aus kein Problem.«

      »Dito«, sagte Konstantin.

      Allein Kajas Gesicht wirkte umwölkt. Ihre schlimmsten Befürchtungen schienen einzutreffen, aber sie wollte auch nicht als die verwöhnte Tochter dastehen, die nicht bereit war, ihren Teil zu einem funktionierenden Familienleben beizutragen, und so sagte sie mit leicht gequälter Stimme: »Es ist ja nicht so, als hätte ich noch nie im Leben ein Bett bezogen.«

      »Na ja«, sagte Simon, »das allein ist es nicht. Ich fürchte, ihr müsst euch insgesamt umstellen. Ich bin Teamarbeit gewöhnt, weil wir das zuhause so machen, meine Schwestern und ich. Und das bedeutet auch, dass man miteinander redet über die Dinge, die nicht so gut funktionieren. Die Frage ist«, er wandte sich an Antonia und Leon, »ob ich hier ein Hausangestellter sein soll, der seine Arbeit macht, aber ansonsten besser den Mund hält. Das kann ich nämlich