Augustinus von Hippo

Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 1


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genannt, sind aber saumselig. Kein solcher war Stephanus, des Heiligen Geistes voll; er war einfältig, weil er niemand etwas Böses tat; er war liebeglühend, weil er die Gottlosen rügte. Denn der schwieg nicht vor den Juden, von dem die flammenden Worte stammen: „Ihr Hartnäckigen und Unbeschnittenen an Herz und Ohren, ihr widerstehet allezeit dem Heiligen Geiste“. Eine scharfe Sprache, allein die Taube wird scharf ohne Galle. Denn damit ihr wisset, daß sie ohne Galle scharf wurde: beim Hören dieser Worte liefen die Raben sofort zu den Steinen wider die Taube und fingen an Stephanus zu steinigen, und der kurz vorher heftig und glühend im Geiste wie auf Feinde einen Angriff gemacht hatte und wie ein Stürmender auf sie losgegangen war mit jenen feurigen und flammenden Worten, wie ihr gehört: „Ihr Hartnäckigen und Unbeschnittenen an Herz und Ohren“, so daß, wer diese Worte hört, meinen könnte, Stephanus wolle, wenn es ihm möglich wäre, daß sie auf der Stelle aufgezehrt werden sollten, der sprach, als die Steine aus ihren Händen auf ihn flogen, mit gebeugtem Knie: „Herr, rechne es ihnen nicht zur Sünde an“165. Er gehörte zur Einheit der Taube. Denn vorher hatte dies der Meister getan, auf welchen die Taube herabstieg und der am Kreuz hängend sprach: „Vater, verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“166. Also daß die durch den Geist Geheiligten keine Arglist haben sollten, wurde in der Taube gezeigt; daß es bei keiner frostigen Einfalt bleiben sollte, wurde im Feuer gezeigt. Es soll auch nicht befremden, daß die Zungen zerteilt wurden. Denn die Zungen (Sprachen) sind verschieden, darum erschien er in zerteilten Zungen. „Zerteilte Zungen“, heißt es, „wie Feuer, das sich auf jeden von ihnen niederließ.“ Die Zungen unterscheiden sich voneinander, aber die Verschiedenheit der Zungen sind keine Spaltungen. In den zerteilten Zungen fürchte keine Zersplitterung, die Einheit erkenne in der Taube.

       4.

      So also mußte der Heilige Geist bei seiner Herabkunft auf den Herrn gezeigt werden, damit jeder erkenne, er müsse, wenn er den Heiligen Geist hat, einfältig sein wie die Taube, mit den Brüdern wahren Frieden haben, den die Küsse der Tauben andeuten. Denn Küsse haben auch die Raben; aber bei den Raben ist falscher Friede, bei der Taube wahrer Friede. Nicht jeder also, welcher sagt: Friede sei mit euch, ist als eine Taube anzuhören. Wie nun unterscheiden sich die Küsse der Raben von den Küssen der Tauben? Es küssen die Raben, aber sie zerfleischen; von Zerfleischung weiß die Natur der Tauben nichts; wo also Zerfleischung, da ist kein wahrer Friede in den Küssen; jene haben den wahren Frieden, welche die Kirche nicht zerfleischten. Die Raben nähren sich nämlich vom Tode; das ist der Taube fremd, sie lebt von den Früchten der Erde, ihre Nahrung ist unschuldig, was in der Tat, Brüder, an der Taube zu bewundern ist. Die Sperlinge sind sehr klein, sie töten aber wenigstens Fliegen; nichts von dem die Taube, denn sie nährt sich nicht vom Tode. Die die Kirche zerfleischten, nähren sich von Leichen. Gott ist mächtig; beten wir, daß die wieder aufleben, die von ihnen verschlungen werden und es nicht einmal merken. Viele erkennen es, weil sie wieder aufleben; denn bei ihrer Ankunft wünschen wir uns täglich Glück im Namen Christi. Seid nur ihr so einfältig, daß ihr glühend seid, und eure Glut sei auf der Zunge. Schweiget nicht, redet mit feurigen Zungen, entzündet die Kalten.

       5.

      Denn wie, Brüder? Wer sollte nicht sehen, was jene nicht sehen? Es ist auch kein Wunder (daß sie es nicht sehen), weil sie167 von dort nicht zurückkehren wollen, wie der Rabe, der aus der Arche entlassen wurde. Denn wer sollte nicht sehen, was jene nicht sehen? Sie sind auch dem Heiligen Geiste undankbar. Siehe, die Taube stieg auf den Herrn herab, und zwar auf den Herrn, nachdem er getauft worden war, und es erschien dort die heilige und wahre Dreifaltigkeit, die uns der eine Gott ist. Es stieg nämlich der Herr aus dem Wasser, wie wir im Evangelium lesen: „Und siehe, es öffneten sich die Himmel, und er sah den Geist herabsteigen wie eine Taube, und er blieb über ihm; und gleich darauf ließ sich eine Stimme vernehmen: Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe“168. Es erscheint ganz deutlich die Dreifaltigkeit, der Vater in der Stimme, der Sohn im Menschen, der Geist in der Taube. Wohin wurden im Namen dieser Dreifaltigkeit die Apostel gesandt? Laßt uns sehen, was wir sehen, und was zu unserer Verwunderung jene nicht sehen; denn nicht in Wahrheit sehen sie es nicht, sondern sie schließen gegen das, was ihnen ins Gesicht springt, ihre Augen. Wohin wurden die Jünger gesandt im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes von demjenigen, von welchem es heißt: „Dieser ist es, welcher tauft“169? Denn es wurde zu den Dienern von dem gesagt, der für sich selbst die Macht (zu taufen) behielt.

       6.

      Denn dies sah an ihm Johannes und lernte so erkennen, was er (noch) nicht wußte; nicht als ob er ihn nicht als den Sohn Gottes erkannt hätte, oder ihn nicht als Herrn erkannt hätte, oder Christus nicht erkannt hätte, oder aber auch das nicht gewußt hätte, daß er im Vater und Heiligen Geiste taufen werde; denn auch dies wußte er; sondern daß er so taufen werde, daß er für sich selbst die Macht (zu taufen) behielt und sie auf keinen Diener übertrug; dies ist es, was er an der Taube lernte. Auf dieser Macht nämlich, welche Christus für sich allein behielt und auf keinen Diener übergehen ließ, obwohl er sich würdigte, die Taufe durch seine Diener vornehmen zu lassen, auf dieser Macht beruht die Einheit der Kirche, welche in der Taube dargestellt wird, von der es heißt: „Eine ist meine Taube, die einzige ihrer Mutter“170. Denn wenn, wie ich schon sagte, meine Brüder, die Macht vom Herrn auf den Diener übertragen würde, dann gäbe es so viele (verschiedene) Taufen, als es Diener gäbe, und die Einheit der Taufe würde nicht mehr bestehen.

       7.

      Gebet acht, Brüder: Bevor unser Herr Jesus Christus zur Taufe kam (denn nach der Taufe stieg die Taube herab, an der Johannes etwas Besonderes erkannte, als zu ihm gesagt worden war: „Über welchen du den Geist herabsteigen siehst wie eine Taube, und auf ihm bleiben, der ist es, welcher im Heiligen Geiste tauft“), da wußte er schon, daß er im Heiligen Geiste taufe, aber in der besonderen Art, daß die Macht nicht von ihm auf einen andern übergehen sollte, obwohl er den Dienst zu taufen andern verlieh171; das lernte er dort. Und wie beweisen wir, daß Johannes auch dies schon wußte, der Herr werde im Heiligen Geiste taufen, um einzusehen, daß er* dies* an der Taube gelernt habe, der Herr werde so im Heiligen Geiste taufen, daß jene Gewalt auf keinen andern übergehen sollte? Wie beweisen wir das? Die Taube stieg erst nach der Taufe des Herrn herab; bevor aber der Herr kam, um sich von Johannes im Jordan taufen zu lassen, hat er ihn, wie gesagt, bereits gekannt gemäß den Worten, wo er sagt: „Du kommst zu mir“, um Dich taufen zu lassen, „ich muß von Dir getauft werden“. Also sag’ ich, er kannte den Herrn, er kannte den Sohn Gottes. Wie beweisen wir, daß er auch schon wußte, daß er im Heiligen Geiste taufen werde? Bevor er an den Fluß kam, als viele zu Johannes eilten, um sich taufen zu lassen, sprach er zu ihnen: „Ich taufe euch im Wasser, der aber nach mir kommt, ist größer als ich, dessen Schuhriemen aufzulösen ich nicht würdig bin; dieser wird euch taufen im Heiligen Geiste und mit Feuer“172; auch das wußte er schon. Was also lernte er durch die Taube kennen, damit er nicht nachher als Lügner erfunden werde (was zu meinen, Gott von uns abwenden möge), wenn nicht eben dies, daß eine besondere Eigentümlichkeit an Christus darin bestehen werde, daß, obwohl viele Diener taufen sollten, gerechte und ungerechte, die Heiligkeit der Taufe nur dem zuerteilt würde, auf den die Taube herabstieg, von dem es heißt: „Dieser ist es, welcher im Heiligen Geiste tauft“. Mag Petrus taufen, er ist es, der tauft; mag Paulus taufen, er ist es, der tauft; mag Judas taufen, er ist es, der tauft.

       8.

      Denn wenn die Heiligkeit der Taufe sich nach der Verschiedenheit der Verdienste richtet, so wird es, weil die Verdienste verschieden sind, verschiedene Taufen geben; und jeder hat dann ― so muß man annehmen ― etwas um so Besseres empfangen, je besser derjenige zu sein scheint, von dem er es empfangen hat. Selbst die Heiligen, verstehet es wohl, Brüder, die Guten, die zur Taube gehören, die zum Stande der Stadt Jerusalem gehören, selbst die Guten in der Kirche, von welchen der Apostel sagt: „Der Herr kennt die Seinigen“173, besitzen verschiedene Gnaden, haben nicht alle die gleichen Verdienste; die einen sind heiliger als die andern, die einen besser als die andern. Warum also ist, wenn einer z. B. von einem Gerechten und