seinen Ernst und seine Majestät bewunderte. Er vermöchte viel, wenn er ein Kaiser Deutschlands und ein Knecht Christi sein wollte.«
Obwohl in Regensburg als Vertreter des Papstes der reformfreundliche Venezianer Gasparo Contarini anwesend war, der hoffte, es werde möglich sein, den Katholizismus allmählich von innen heraus im lutherischen Sinne umzugestalten, ohne daß die Einheit der Kirche angetastet würde, gelang es nicht, das Unvereinbare zu vereinen. Sowohl der Papst wie Luther lehnten eine Verständigung durchaus ab. Der sehr enttäuschte Kaiser machte nunmehr den Vorschlag, beide Parteien sollten sich an das sogenannte Regensburger Buch halten, das heißt an diejenigen Artikel des Glaubens, in welchen im Laufe des Gesprächs Übereinstimmung erzielt war; in Hinsicht auf die nicht verglichenen sollten sie sich gegenseitig tolerieren. Der erste Vorschlag zur Duldung ging von Karl und den ihm nahestehenden Räten aus. Um das Gelingen desselben zu fördern, tat er einen höchst überraschenden Schritt: er schickte eine Gesandtschaft an Luther, den Geächteten, um ihn zur Annahme des Vorschlags zu bewegen. Es war der erste und einzige Augenblick, wo die beiden großen Gegner in unmittelbare und freundliche Beziehung zueinander traten. Der Kaiser täuschte sich nicht, wenn er Luther für duldsamer hielt als seinen Fürsten: er gab, wenn auch halb widerwillig, seine Zustimmung, zog sie aber nachher, von Johann Friedrich gedrängt, zurück. Der erzürnte Papst wollte von Duldung von vornherein nichts hören. Man könnte es begreifen, wenn der Kaiser, nachdem alle seine Versuche, eine gütliche Einigung herbeizuführen, von den Häuptern der Parteien zurückgewiesen waren, sich sofort kriegerischer Lösung des Problems zugewendet hätte. Allein die europäische Lage war so, daß er es für notwendig hielt, vorher Frankreich und die Türkei auszuschalten. Zunächst griff er den Herzog von Cleve an, mit dem er über den Besitz von Geldern in Streit geraten war.
Die Lage der Protestanten war um 1540 so günstig, wie sie noch nie gewesen war. Mit Ausnahme von Braunschweig-Wolfenbüttel, dessen Herzog streng katholisch und kaiserlich war, hatte ganz Norddeutschland das Evangelium angenommen, Köln und Pfalz waren im Begriff überzutreten, ebenso der Herzog von Cleve, der den Niederrhein beherrschte. Eine Zeitlang machte sich die Abneigung der Fürsten gegen die Zentralgewalt und der eifersüchtige Haß Bayerns auf Österreich so sehr geltend, daß ein protestantisch-katholisches Bündnis gegen den Kaiser möglich schien. Mit Bayern stand der Landgraf von Hessen jahrelang in geheimen Unterhandlungen, die ihm kaum ganz geheuer vorkommen konnten bei der unverhohlenen Falschheit des bayrischen Kanzlers Leonhard von Eck, dessen Äußerung erzählt wurde: wenn man schon Brief und Siegel nicht hielte, so wäre es doch in 60 Jahren alles vergessen. Aufrichtig waren nur sein Wille, Bayern trotz aller Intrigen mit den Protestanten beim alten Glauben zu erhalten, und sein Haß auf die Habsburger.
Indessen, auch ohne Bayern waren die Protestanten an Zahl stark. Butzer war überzeugt, wenn sie einmütig und fest am Reichstage aufträten, würden sie ihre Forderungen durchsetzen: Aufhebung des Wormser Ediktes und des Augsburger Reichstagsabschieds und Einstellung der Prozesse am Reichskammergericht, gerechtere Besetzung desselben. Aber weder Einmütigkeit noch Festigkeit war zu erreichen. Die Fürsten konnten es nicht lassen, die Städte zu kränken, deren sie doch ihres Geldes und ihrer guten kriegerischen Ausrüstung wegen durchaus bedurften: Sie schoben ihnen die größte Last der Bundesbeiträge zu, behandelten sie als ihnen untergeordnet, sprachen ihnen wohl gar die Reichsstandschaft ab und unterdrückten nicht einmal immer ihr Gelüsten, sich die in ihrem Gebiet liegenden Reichsstädte zu unterwerfen. So bedrängte der Herzog von Württemberg Eßlingen. Aber auch die Städte waren nicht unbedingt zuverlässig. Abgesehen davon, daß diejenigen, welche nach den kaiserlichen Ländern handelten, auf diese Beziehungen Rücksicht nehmen wollten, hielten es namentlich die vornehmen Geschlechter und reichen Kaufleute in hergebrachter Weise mit dem Kaiser, der der Grund ihrer Freiheit war und sie bei ihrer Freiheit schützte, während sie Ursache hatten, den Fürsten zu mißtrauen. In den Zünften, die die eigentliche Stütze der evangelischen Gesinnung waren, trat dieser Gesichtspunkt zurück; aber die Regierungen befanden sich, soweit sie protestantisch waren, in einem quälenden Zwiespalt. Von den Fürsten verfolgte jeder ein besonderes Interesse, das ihn zu einem anderen in Gegensatz brachte. Johann Friedrich, dessen natürliche Schwerfälligkeit durch vieles Trinken noch vermehrt wurde, der wie ein gereizter Stier immer nur den einen Punkt sah, auf den er gerade losstürzte, bemächtigte sich einiger Landesteile, auf die sein Vetter Moritz, Herzog von Sachsen, gleichfalls Anspruch erhob, und erbitterte dadurch diesen, der ihn ohnehin nicht leiden konnte. Nur ein einziger war kühn, tätig, willens, durchzuführen, was er für zweckmäßig erkannt hatte, bereit, sich für seinen Glauben einzusetzen, das war Landgraf Philipp von Hessen. Mit der Reinheit und Sachlichkeit eines Kindes hatte er als Jüngling das Evangelium ergriffen, sich die evangelischen Gedankengänge gründlich angeeignet und brannte darauf, für sie zu kämpfen; und dieser einzige lähmte sich selbst und den Bund, dessen Nerv er war, gerade jetzt durch seine verhängnisvolle Liebesangelegenheit. Mit Entsetzen sah Martin Butzer die Folgen der Verwickelung, an der er selbst bei seinen nahen Beziehungen zum Landgrafen beteiligt war: während der Reichstag und das Religionsgespräch in Regensburg tagten, näherte sich Philipp dem Kaiser, der über diesen unverhofften Fang hoch erfreut war. Vergebens warnte, flehte Butzer: Philipp war seiner Liebesleidenschaft ebenso ehrlich und entschlossen hingegeben wie seinem Glauben. Diesen gab er nicht preis; aber er verpflichtete sich, dem Herzog von Cleve nicht beizustehen und keine ausländische Macht, weder Frankreich, noch England, noch Dänemark in den Schmalkaldischen Bund aufzunehmen, wogegen der Kaiser ihn vor etwaiger Bestrafung wegen Bigamie sicherte. Die Schuld an diesem Bündnis schrieb er seinen fürstlichen Glaubensgenossen, namentlich dem Kurfürsten von Sachsen zu; hätte der treu zu ihm gestanden, wäre er dieses Schrittes überhoben gewesen.
Der Feldzug Karls gegen den nun vereinzelten Herzog von Cleve verlief rasch und glücklich. Die Stadt Cleve, beim fünften Sturme genommen, brannte vollständig ab, erschreckt kapitulierte Jülich, der Herzog mußte sich unterwerfen. Karl verzieh ihm und verheiratete ihn mit einer Tochter seines Bruders Ferdinand, nachdem die geplante französische Heirat aufgehoben war. Der Reformation eines großen wichtigen Gebietes war Einhalt geboten. Der Sieg des Kaisers machte Eindruck auf die Stände, die im folgenden Jahre (1544) auf dem Reichstag zu Speyer sich um ihn versammelten. Daß Franz I. im Bunde mit der Türkei war, schadete ihm auch bei den Protestanten, von denen viele geneigt gewesen waren, bei ihm Schutz gegen den Kaiser zu suchen; sie bewilligten außer einer Türkenhilfe eine ansehnliche Hilfe gegen Frankreich, so daß Karl in der ungewöhnlichen Lage war, einen Reichskrieg gegen Frankreich zu führen. Diese Bereitwilligkeit vergalt er mit weitgehenden, mit erstaunlichen Zugeständnissen: er erkannte die bis jetzt vorgenommenen Säkularisationen an, versprach, am Kammergericht protestantische Beisitzer zuzulassen, und verhieß für die Zukunft ein freies Konzil im Sinne der Protestanten, auf welchem die religiösen Fragen erledigt werden sollten. Bis dahin sollte zwischen allen Ständen Frieden und Freundschaft herrschen. Der Papst war über dies Verhalten des Kaisers, wodurch er ihn beiseite schob, als habe er gar nicht mehr mitzureden, so aufgebracht, daß er ein Breve erließ, in dem er Verwahrung gegen die Reichstagsbeschlüsse einlegte, Karl mit Friedrich II. verglich und ihm, wenn er nicht in sich gehe, mit strengen Maßnahmen drohte. Das künstliche diplomatische Geflecht zwischen den europäischen Mächten hatte sich so wunderlich gedreht, daß die protestantischen Stände Frankreich den Krieg erklärten und mit dem Kaiser im Einverständnis waren, während zwischen dem Kaiser und dem Papst ein Krieg drohte. Calvin und Luther antworteten auf das Breve des Papstes, als sei es ihr Haupt, das er angegriffen hatte, Calvin, indem er die Tugenden des Kaisers rühmte, Luther, indem er einen Kübel voll Grobheit über den Papst ausleerte und alle Feindseligkeiten aufzählte, die jemals von Päpsten gegen Kaiser ausgeübt worden waren. Um zwischen den Kaiser und die Protestanten einen Zwiespalt zu bringen, tat Paul III. einen Schritt, gegen den er selbst sowie sein Vorgänger sich immer gesträubt hatten: er eröffnete im Dezember 1545 in der zum Reiche gehörenden Stadt Trient das längst verheißene Konzil. Die Protestanten waren sich darüber einig, daß sie sich einem vom Papst berufenen Konzil nicht unterwerfen konnten, und legten Verwahrung dagegen ein; der Kaiser, der stets das Konzil verlangt hatte, konnte es nun, da endlich ein Papst der Forderung nachkam, nicht ablehnen. Das Allheilmittel, an das zu glauben man übereingekommen war, erwies sich als wertlos. Man hatte immer vom Konzil geredet, während man glaubte, die Abneigung der Päpste würde es nicht dazu kommen lassen; nun war es da und machte nur die Unversöhnlichkeit der Spaltung deutlicher offenbar.
Der