Ricarda Huch

Gesammelte Werke


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Gottes widerspreche, die Sünde wider den Heiligen Geist begehen würde. Als der Kaiser ihm, um ihn mürbe zu machen, seine lutherischen Bücher wegnehmen ließ, sagte er lächelnd, er habe das gelernt und bei sich, was in den Büchern stehe. Sein Gesellschafter blieb Lukas Cranach, der sich von dem ihm wohlwollenden Kaiser die Gnade ausgebeten hatte, die Gefangenschaft seines Fürsten teilen zu dürfen. Der unglückliche Philipp, eine ganz auf Tätigkeit eingestellte Natur, noch jugendlich beweglich, geriet über den Verlust seiner Freiheit in solche Verzweiflung, daß er sich erbot, das Interim anzunehmen und auch seine Untertanen dazu zu veranlassen; als der Kaiser nicht darauf einging, nahm er eine würdigere Haltung an. Gelassen sich zu fügen lag nicht in seinem Temperament; einen Fluchtversuch, den er plante, mußten die Unglücklichen, die ihm dabei behilflich gewesen waren, mit dem Tode büßen. Ein Fußfall der Königin Maria und der Landgräfin Christine, Philipps zurückgesetzter Frau, die fußfälligen Bitten verschiedener Fürsten erweichten den Sinn des Kaisers nicht; er war überzeugt, Philipp würde, was er auch etwa verspräche, sowie er frei wäre, wieder Unruhen erregen, und er wollte die unvergleichliche Stellung, die er errungen hatte, nicht gefährden lassen. Seit Karl dem Großen hatte sich kein Kaiser wieder so wie er jetzt als Herr des Erdkreises betrachten können. Als in den Jahren 1546 und 1547 nacheinander Luther, Heinrich VIII. und Franz I. starben, mochte es ihm scheinen, als habe Gott selbst ihm seine Feinde und Nebenbuhler vor die Füße gelegt. Auch Paul III. starb, der böse Greis, der ihn so oft getäuscht und umgarnt hatte, es starben Herzog Wilhelm von Bayern und sein Kanzler Leonhard von Eck, die falschen Freunde, die Ergebenheit heuchelten, während sie Ränke gegen ihn spannen, und der Thronfolger, Herzog Albrecht, war mit einer Habsburgerin verheiratet. In diesem Augenblick der Verwirklichung seines hohen Strebens beging Karl einen Fehler, zu dem ihn fast ebenso wie staatsmännische Berechnung sein Herz drängte. Er glaubte seinen Sohn Philipp zu seinem Nachfolger in der Kaiserwürde machen zu können. Das Kaisertum, ein aus dem Altertum abgeleitetes, durch uralte Weissagungen geheiligtes Weltamt, sollte zugleich ein habsburgisches Familienunternehmen werden. Sämtliche Glieder der Familie waren zu ihm berufen und mußten ihm dienen. Wenn Karl V. dies seinem Sohne zuwenden wollte, so glaubte er wohl, es durch die spanische Macht, am sichersten zu stützen; aber es trug dazu auch sein Gefühl für diesen, seinen Eltern so unähnlichen Sohn bei, auf den er die Liebe für seine verstorbene Frau übertragen hatte. Ihm wollte er auch Mailand geben, um seine italienische Stellung zu stärken; Neapel war ohnehin spanischer Erbbesitz. Er wußte, daß er dadurch seinen Bruder Ferdinand und dessen Sohn Maximilian kränkte, die sich als Herren von Österreich zum Kaisertum bestimmt glaubten, ebenso die Kurfürsten, in deren Wahlrecht er eingreifen würde, und schließlich das deutsche Volk, das seinen Sohn als Ausländer betrachtete; aber er glaubte die Schwierigkeiten durch kluge Diplomatie und durch das Übergewicht seiner Macht überwinden zu können. Sein feines Urteil versagte auch seinem Sohne gegenüber nicht; er wußte, daß er nicht geeignet war, den Deutschen zu gefallen; aber auch das, glaubte er, würde sich durch guten Rat und vorsichtiges Benehmen ausgleichen lassen. Den deutschen Fürsten zu gefallen, mußte sich Philipp sogar im Trinken üben, ohne es doch zu einem richtigen »überschwenglichen Saufen« von innen heraus bringen zu können. Auch die Höflichkeit, die er aufbrachte, glaubte man ihm nicht; er konnte nicht verhehlen, daß er ein verschlossener, versteckter, hochmütiger, gefährlicher Fremder war. Nach vielen unfreundlichen Auseinandersetzungen mit Ferdinand trafen die Brüder ein Abkommen, wonach eine zwischen den Linien abwechselnde Nachfolge verabredet wurde; aber die Besorgnisse und Unzufriedenheit der deutschen Habsburger waren nicht beschwichtigt. Auch die katholischen Fürsten wollten von Philipp nichts wissen, während Maximilian, Ferdinands Sohn, in dem ein Überschuß habsburgischer Liebenswürdigkeit und Verführungskunst zusammengeströmt war, alle Herzen gewann. Die Aussicht auf eine Nachfolge Philipps, der nun einmal Spanier war und blieb, nicht wie sein Vater auf sein edles deutsches Blut pochen konnte, brachte dem deutschen Volk zum Bewußtsein, wohin es geraten war. Die Anwesenheit der spanischen Regimenter, die Karl ins Reich geführt und noch nicht entlassen hatte, erregten allgemeinen Widerwillen. Man haßte die spanischen Soldaten wegen ihrer Habgier und Grausamkeit; sie waren in dieser Beziehung wirklich ärger als die deutschen. Dieser Haß des Volkes, dessen König Karl war, griff auf ihn hinüber: man fing an, den Fremden in ihm zu sehen. Der religiöse Gegensatz trat vorübergehend zurück vor dem nationalen Gegensatz gegen Spanien und vor den gemeinsamen Standesinteressen. Allen Fürsten war ihre Souveränität das höchste Interesse: zerfleischten sich auch die Raben untereinander, darin waren sie einig, daß sie keinen Geier haben wollten. Am meisten zum Widerstande entschlossen waren natürlich die protestantischen Fürsten, die sich am meisten gedrückt und geschädigt fühlten, von denen zwei in Gefangenschaft waren. Es waren noch nicht zwei Jahre nach Karls großem Siege verflossen, als sie auf Mittel sannen, das Joch abzuwerfen.

      Es ist ein unseliges Verhängnis, daß unterdrückte Parteien sich einer feindlichen Übermacht meist nur mit ausländischer Hilfe erwehren können, die sich teuer zu verkaufen pflegt. Daher kommt es, daß oft diejenigen, die Befreier sein wollten, sich mit dem Vorwurf des Verrats beladen. Sowie nach dem Schmalkaldischen Kriege unter den deutschen Fürsten die Absicht sich regte, dem Kaiser entgegenzutreten, knüpften sie auch mit Frankreich an. Die Möglichkeit, ohne französisches Geld und französische Unterstützung selbständig vorzugehen, kam ihnen nicht in den Sinn. Die Hochzeit des Herzogs Albrecht von Preußen mit einer braunschweigischen Prinzessin gab den Anlaß zur Begegnung einiger norddeutscher Fürsten, die sich gegenseitig Hilfe gelobten, wenn sie der Religion wegen angegriffen würden: es waren außer dem Herzog Albrecht selbst Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg und Markgraf Hans von Küstrin, wozu später noch zwei andere kamen. Die Verbündeten mußten den Kurfürsten Moritz als Gegner betrachten; er hatte die Exekution der Reichsacht gegen das rebellische Magdeburg übernommen und sich dadurch neuerdings als Anhänger des Kaisers und Bedränger der Protestanten gezeigt. Als er vom Entstehen des Bundes erfuhr, legte er sich die Frage vor, auf welche Seite er sich stellen wollte. In der Politik kannte er einzig das Interesse seines Landes, das heißt seine Vergrößerung, und die Sicherung seiner Macht, für diesen Zweck hielt er jede Treulosigkeit für erlaubt. Ein anderes war seine persönliche Ehre. Es war ihm vielleicht gleichgültig, daß er im Volk der Judas von Meißen genannt wurde, daß die Stände des ehemaligen Kurstaates und seine eigenen ihm mißtrauten, daß ihm etwas Anrüchiges anhaftete; aber er hatte sich für die Freiheit seines Schwiegervaters verbürgt und hatte sein Wort gegeben, falls Philipp gefangengesetzt würde, sich in Kassel bei seinen Schwägern zur Gefangenschaft zu stellen: hier hielt er seine Ehre gebunden. Er fühlte sich verpflichtet, alles zu tun, um die Freiheit Philipps, der ihm noch dazu lieb war, zu erlangen. Die Beute hatte er in Händen; also konnte er nun wieder einen anderen Weg einschlagen. Daß der Kaiser ihm seine mehrfache Fürbitte für Philipp abschlug, brachte ihn auf; überhaupt fand er sich nicht genug von ihm berücksichtigt. Er hatte außer dem größten Teil des Kurstaates auch das Erzstift Magdeburg haben wollen und es nicht bekommen; hauptsächlich aber ärgerte ihn, daß der Kaiser den Ernestinern die fürstliche Würde gelassen hatte. Solange sie Reichsfürsten waren, fühlte er sich nicht ganz sicher in seinem neuen Besitz. Er argwöhnte und wohl nicht mit Unrecht, daß der Kaiser sich die Möglichkeit vorbehielt, ihm den gefangenen Johann Friedrich entgegenzustellen. Wäre er des Kaisers und seines Raubes ganz sicher gewesen, hätte er sich eher über die offenen und versteckten Vorwürfe seiner Glaubensgenossen hinweggesetzt; da das nicht der Fall war, genügte er zugleich seinem Vorteil und seiner Ehre, wenn er im Verein mit ihnen die Waffen gegen den Kaiser kehrte. Der Kaiser glaubte, ihn benützt zu haben; er wollte zeigen, daß er den Kaiser benützt hatte, um Kurfürst zu werden. Nachdem er den folgenschweren Beschluß gefaßt hatte, verständigte er sich zuerst mit seinem jüngeren Bruder August, dann mit seinen hessischen Schwägern, die bereits mit Frankreich in Verbindung getreten waren. Heinrich II., der Sohn und Nachfolger Franz I., erklärte sich nur unter der Bedingung bereit, den protestantischen Fürsten Hilfe zu leisten, wenn ihm Gewinn an Land und der Schutz der geistlichen Fürsten im Reich zugestanden würden. Das hätte die Verbündeten stutzig machen müssen: nicht nur einen Gebietszuwachs verlangte der König, er brachte ihnen selbst zum Bewußtsein, daß er ein katholischer Fürst war, der in seinem Lande die Protestanten verfolgte. Von seinem Vater, der zuweilen den Freidenker herausgekehrt hatte, konnten sich die Deutschen einreden, er werde die Reformation annehmen oder wenigstens dulden, Heinrich II. hatte von Beginn seiner Regierung an es sich angelegen sein lassen, die Ketzerei in seinem Lande auszurotten. Dieser Umstand war den Verschworenen