Dr. Wallace erzog 1869 aus Cocons von Bombyx Pernyi, welche aus China geschickt worden waren
In diesen acht Partien von Cocons und Eiern wurden daher Männchen im Überschuß erzeugt. Nimmt man sie alle zusammen, so ist das Verhältnis der Männchen zu dem der Weibchen wie 122,7 zu 100. Die Zahlen sind aber kaum groß genug, um für zuverlässig gelten zu können.
Nach den von verschiedenen Quellen herrührenden oben mitgetheilten Belegen, welche sämmtlich nach einer und derselben Richtung hinweisen, gelange ich im Ganzen zu der Folgerung, daß bei den meisten Species der Lepidoptern die Männchen im Imagozustande allgemein die Weibchen der Zahl nach übertreffen, welches auch ihr Verhältnis bei dem ersten Verlassen der Eihülle gewesen sein mag.
In Bezug auf die anderen Insectenordnungen bin ich nur im Stande gewesen, sehr wenig zuverlässige Informationen zusammenzubringen. Beim Hirschkäfer ( Lucanus cervus) »scheinen die Männchen viel zahlreicher zu sein als die Weibchen« als aber, wie Cornelius es im Laufe des Jahres 1867 beobachtete, eine ungewöhnliche Anzahl dieser Käfer in dem einen Theile von Deutschland auftraten, schienen die Weibchen die Männchen im Verhältnis von sechs zu eins zu übertreffen. Bei einem der Elateriden sollen, wie man sagt, die Männchen viel zahlreicher als die Weibchen sein, und »oft findet man zwei oder drei Männchen in Verbindung mit einem Weibchen,517 »so daß hier Polyandrie zu herrschen scheint«. Von Siagonium (Staphyliniden), bei welchem die Männchen mit Hörnern versehen sind, »sind die Weibchen bei weitem zahlreicher als das andere Geschlecht«. In der entomologischen Gesellschaft führte Mr. Janson an, daß die Weibchen des Rinden fressenden Tomicus villosus so häufig sind, daß sie zu einer Plage werden, während die Männchen so selten sind, daß man sie kaum kennt.
Es ist kaum der Mühe werth, etwas über die Verhältniszahlen der Geschlechter bei gewissen Arten und selbst Gruppen von Insecten zu sagen; denn die Männchen sind unbekannt oder sehr selten und die Weibchen parthenogenetisch, d. h. fruchtbar ohne Begattung; Beispiele hierfür bieten mehrere Formen der Cynipiden dar.518 Bei allen gallenbildenden Cynipiden, welche Mr. Walsh bekannt sind, sind die Weibchen vier- oder fünfmal so zahlreich wie die Männchen; dasselbe ist auch, wie er mir mittheilt, bei den gallenbildenden Cecidomyidae (Zweiflügler) der Fall. Von einigen gemeinen Species der Blattwespen (Tenthredinae) hat Mr. F. Smith Hunderte von Exemplaren aus Larven aller Größen erzogen, hat aber niemals ein einziges Männchen erhalten. Auf der anderen Seite sagt Curtis,519 daß sich bei mehreren von ihm aufgezogenen Arten ( Athalia) die Männchen zu den Weibchen wie sechs zu eins verhielten, während bei den geschlechtsreifen, in den Feldern gefangenen Insecten der nämlichen Species genau das umgekehrte Verhältnis beobachtet wurde. Aus der Familie der Bienen sammelte Hermann Müller520 eine große Zahl von Exemplaren vieler Arten, erzog andere aus den Cocons und zählte die Geschlechter. Er fand, daß bei einigen Species die Männchen an Zahl bedeutend die Weibchen übertrafen; bei andern trat das Umgekehrte ein, und bei noch andern waren die beiden Geschlechter nahezu gleich. Da aber in den meisten Fällen die Männchen die Puppenhülle vor den Weibchen verlassen, so sind sie beim Beginn der Paarungszeit practisch im Überschuß. Müller beobachtete auch, daß die relative Zahl der beiden Geschlechter bei einigen Arten bedeutend in verschiedenen Örtlichkeiten differiere. Wie mir aber H. Müller selbst mitgetheilt hat, müssen diese Bemerkungen mit Vorsicht aufgenommen werden, da das eine Geschlecht der Beobachtung leichter entgehen könnte als das andere. So hat sein Bruder Fritz Müller beobachtet, daß in Brasilien die beiden Geschlechter einer und derselben Species von Bienen verschiedene Blumenarten besuchen. In Bezug auf Orthoptern weiß ich kaum irgend etwas über die relative Anzahl der Geschlechter; indessen sagt Körte,521 daß unter 500 Heuschrecken, die er untersuchte, sich die Männchen zu den Weibchen wie fünf zu sechs verhielten. In Bezug auf die Neuroptern führt Mr. Walsh an, daß bei vielen, aber durchaus nicht bei allen Arten der Odonaten-Gruppe ein bedeutender Überschuß an Männchen existiert; auch bei der Gattung Hetaerina sind die Männchen mindestens viermal so zahlreich wie die Weibchen. Bei gewissen Arten der Gattung Gomphus sind die Männchen in gleicher Anzahl mit den Weibchen vorhanden, während in zwei andern Species die Weibchen zwei- oder dreimal so zahlreich sind wie die Männchen. Von einigen europäischen Species von Psocus können Tausende von Weibchen ohne ein einziges Männchen gesammelt werden, während bei andern Arten der nämlichen Gattung beide Geschlechter häufig sind.522 In England hat Mr. Mac Lachlan Hunderte der weiblichen Apatania muliebris gesammelt, aber das Männchen niemals gesehen; und von Boreus hyemalis sind hier nur vier oder fünf Männchen gesehen worden.523 Bei den meisten dieser Arten (ausgenommen die Tenthredinen) ist kein Grund zur Vermuthung vorhanden, daß die Weibchen parthenogenetisch fortpflanzen; und da sehen wir denn, wie unwissend wir über die Ursache der offenbaren Verschiedenheit der proportionalen Zahlen der beiden Geschlechter sind.
Was die anderen Classen der Arthropoden betrifft, so bin ich noch weniger im Stande gewesen, mir Information zu verschaffen. In Bezug auf Spinnen schreibt mir Mr. Blackwall, welcher dieser Classe viele Jahre hindurch sorgfältige Aufmerksamkeit gewidmet hat, daß die Männchen ihrer herumschweifenderen Lebensweise wegen häufiger gesehen werden und daher zahlreicher zu sein scheinen. Bei einigen wenigen Species ist dies factisch der Fall; er erwähnt aber mehrere Arten aus sechs Gattungen, bei denen die Weibchen viel zahlreicher zu sein scheinen als die Männchen.524 Die im Vergleiche mit der der Weibchen geringe Größe der Männchen, welche zuweilen bis zu einem extremen Grade getrieben ist, und ihr äußerst verschiedenes Aussehen kann wohl in einigen Fällen ihre Seltenheit in den Sammlungen erklären.525
Einige der niederen Crustaceen sind im Stande ihre Art geschlechtlos fortzupflanzen, und dies wird wohl die äußerste Seltenheit der Männchen erklären. So untersuchte von Siebold526 sorgfältig nicht weniger als 13 000 Exemplare von Apus von einundzwanzig Fundorten, und unter diesen fand er nur 319 Männchen. Bei einigen anderen Formen (so bei Tanais und Cypris) ist Grund zur Annahme vorhanden, wie mir Fritz Müller mittheilt, daß das Männchen viel kurzlebiger ist als das Weibchen, welcher Umstand, vorausgesetzt, daß die beiden Geschlechter anfangs in gleicher Zahl vorhanden sind, die Seltenheit der Männchen erklären würde. Auf der anderen Seite hat der nämliche Forscher an den Küsten von Brasilien ausnahmslos bei weitem mehr Männchen als Weibchen von den Diastyliden und Cypridinen gefangen: so waren unter 63 Exemplaren einer Species der letzten Gattung, die er an einem Tage gefangen hatte, 57 Männchen; er vermuthet aber, daß dieses Überwiegen vielleicht Folge irgend einer unbekannten Verschiedenheit in der Lebensweise der beiden Geschlechter sein mag. Bei einer der höheren brasilianischen Krabben, nämlich einem Gelasimus, fand Fritz Müller die Männchen viel zahlreicher als die Weibchen. Nach der reichen Erfahrung des Mr. Spence Bate scheint bei sechs gemeinen britischen Krabben, deren Namen er mir mitgetheilt hat, das Umgekehrte der Fall zu sein.