Classen des Thierreichs scheint die bedeutendere Größe der Weibchen allgemein davon abzuhängen, daß sie eine enorme Anzahl von Eiern entwickeln, und dies dürfte auch in einer gewissen Ausdehnung für die Insecten gelten. Dr. Wallace hat aber eine viel wahrscheinlichere Erklärung aufgestellt. Nach einer sorgfältigen Beobachtung der Entwicklung der Raupen von Bombyx Cynthia und Yamamai und besonders einiger zwerghafter, aus einer zweiten Zucht mit unnatürlicher Nahrung gezogener Raupen fand er, »daß in dem Verhältnis, als der individuelle Schmetterling schöner ist, auch die zu seiner Metamorphose erforderliche Zeit länger ist; und aus diesem Grunde geht dem Weibchen, welches das größere und schwerere Insect ist, weil es seine zahlreichen Eier mit sich herumzutragen hat, das Männchen voraus, welches kleiner ist und weniger zu zeitigen hat«.572 Da nun die meisten Insecten kurzlebig und vielen Gefahren ausgesetzt sind, so wird es offenbar für das Weibchen von Vortheil sein, sobald als möglich befruchtet zu werden. Dieser Zweck wird dadurch erreicht werden, daß die Männchen zuerst in großer Anzahl reif werden, bereit der Ankunft der Weibchen zu warten, und dies wird natürlich wiederum, wie Mr. A. R. Wallace bemerkt hat,573 eine Folge der natürlichen Zuchtwahl sein; denn die kleineren Männchen werden zuerst die Reife erlangen und werden daher eine große Zahl von Nachkommen hervorbringen, welche die verkümmerte Größe ihrer männlichen Erzeuger erben werden, während die größeren Männchen, weil sie später reif werden, weniger Nachkommen hinterlassen werden.
Von der Regel, daß die männlichen Insecten kleiner sind als die weiblichen, giebt es indeß Ausnahmen, und einige dieser Ausnahmen sind auch verständlich. Größe und Körperkraft werden für Männchen von Vortheil sein, welche um den Besitz der Weibchen kämpfen, und in diesem Falle, wie z. B. bei dem Hirschkäfer ( Lucanus), sind die Männchen größer als die Weibchen. Es giebt indeß auch andere Käfer, von denen man nicht weiß, daß sie mit einander kämpfen, und von denen doch die Männchen die Weibchen an Größe übertreffen; die Bedeutung dieser Thatsache ist unbekannt. Aber bei einigen dieser Fälle, so bei den ungeheuren Formen der Dynastes und Megasoma, können wir wenigstens sehen, daß keine Nothwendigkeit vorliegt, daß die Männchen kleiner als die Weibchen sein müßten, damit sie vor ihnen den Reifezustand erreichen; denn diese Käfer sind nicht kurzlebig und es würde demnach auch hinreichende Zeit zum Paaren der beiden Geschlechter vorhanden sein. So sind ferner männliche Libelluliden zuweilen nachweisbar größer und niemals kleiner als die weiblichen,574 und wie Mr. Mac Lachlan glaubt, paaren sie sich allgemein mit den Weibchen nicht eher, als bis eine Woche oder vierzehn Tage verflossen sind und bis sie ihre eigenthümlichen männlichen Färbungen erhalten haben. Aber den merkwürdigsten Fall, welcher zeigt, von welch' complicierten und leicht zu übersehenden Beziehungen ein so unbedeutender Charakter, wie eine Verschiedenheit in der Größe zwischen den beiden Geschlechtern, abhängen kann, bieten die mit Stacheln versehenen Hymenoptern dar. Mr. Fred. Smith theilt mir mit, daß fast in dieser ganzen großen Gruppe die Männchen in Übereinstimmung mit der allgemeinen Regel kleiner als die Weibchen sind und ungefähr eine Woche früher als diese ausschlüpfen; aber unter den Bienen sind die Männchen von Apis mellifica, Anthidium manicatum und Anthophora acervorum, und unter den grabenden Hymenoptern die Männchen der Methoca ichneumonides größer als die Weibchen. Die Erklärung dieser Anomalie liegt darin, daß bei diesen Species ein Hochzeitsflug absolut nothwendig ist und daß die Männchen größerer Kraft und bedeutenderer Größe bedürfen, um die Weibchen durch die Luft zu führen. Die bedeutendere Größe ist hier im Widerspruche mit der gewöhnlichen Beziehung zwischen der Größe und der Entwicklungsperiode erlangt worden; denn trotzdem die Männchen größer sind, schlüpfen sie doch vor den kleineren Weibchen aus.
Wir wollen nun die verschiedenen Ordnungen durchgehen und dabei solche Thatsachen auswählen, wie sie uns besonders hier angehen. Die Lepidoptern (Tag- und Nachtschmetterlinge) sollen für ein besonderes Capitel aufgespart bleiben.
Ordnung: Thysanura. – Die Glieder dieser Ordnung sind für ihre Classe niedrig organisiert. Sie sind flügellose, trüb gefärbte, sehr kleine Insecten mit häßlichen, beinahe mißförmigen Köpfen und Körpern. Die Geschlechter sind nicht von einander verschieden; sie bieten aber eine interessante Thatsache dar dadurch, daß sie zeigen, wie die Männchen selbst auf einer tiefen Stufe des Thierreichs den Weibchen eifrig den Hof machen können. Sir J. Lubbock575 beschreibt den Sminthurus luteus und sagt: »Es ist sehr unterhaltend, diese kleinen Wesen mit einander coquettieren zu sehen. Das Männchen, welches viel kleiner als das Weibchen ist, läuft um dasselbe herum; sie stoßen sich einander, stellen sich gerade gegen einander über und bewegen sich vorwärts und rückwärts wie zwei spielende Lämmer. Dann thut das Weibchen, als wenn es davonliefe, und das Männchen läuft hinter ihm her mit einem komischen Ansehen des Ärgers, überholt es und stellt sich ihm wieder gegenüber. Dann dreht sich das Weibchen spröde herum, aber das Männchen, schneller und lebendiger, schwenkt gleichfalls rundum und scheint es mit seinen Antennen zu peitschen. Dann stehen sie für ein Weilchen wieder Auge in Auge, spielen mit ihren Antennen und scheinen durchaus nur einander anzugehören.«
Ordnung: Diptera (Fliegen). – Die Geschlechter weichen in der Farbe wenig von einander ab. Die größte Verschiedenheit, die Mr. Fr. Walker bekannt geworden ist, bietet die Gattung Bibio dar, bei welcher die Männchen schwärzlich oder vollkommen schwarz und die Weibchen dunkel bräunlich-orange sind. Die Gattung Elaphomyia, welche Mr. Wallace576 in Neu-Guinea entdeckt hat, ist äußerst merkwürdig, da die Männchen mit Hörnern versehen sind, welche dem Weibchen vollständig fehlen. Die Hörner entspringen von unterhalb der Augen und sind in einer merkwürdigen Weise denen der Hirsche ähnlich, indem sie entweder verzweigt oder handförmig verbreitet sind. Bei einer der Arten sind sie an Länge der des ganzen Körpers gleich. Man könnte meinen, daß sie zum Kampfe dienen; da sie aber in einer Species von einer schönen rosenrothen Farbe sind, mit Schwarz gerändert und mit einem blassen Streifen in der Mitte, und da diese Insecten überhaupt eine sehr elegante Erscheinung haben, so ist es vielleicht wahrscheinlicher, daß die Hörner zur Zierde dienen. Daß die Männchen einiger Diptern mit einander kämpfen, ist gewiß denn Professor Westwood577 hat dies mehrere Male bei einigen Arten von Tipula gesehen. Die Männchen andrer Diptern versuchen allem Anscheine nach die Weibchen durch ihre Musik zu gewinnen; H. Müller578 beobachtete eine Zeit lang zwei Männchen einer Eristalis, die einem Weibchen den Hof machten; sie schwebten über ihr, flogen von der einen auf die andere Seite und machten gleichzeitig ein hohes summendes Geräusch. Mücken und Mosquitos (Culicidae) scheinen einander gleichfalls durch Summen anzulocken. Prof. Mayer hat neuerdings ermittelt, daß die Haare an den Antennen der Männchen im Einklang mit den Tönen einer Stimmgabel schwingen, die innerhalb der Reihe von Tönen liegen, welche das Weibchen giebt. Die längeren Haare schwingen sympathisch mit den tieferen, die kürzeren Haare mit den höheren Tönen. Auch Landois versichert, wiederholt einen ganzen Schwarm von Mücken durch das Hervorbringen eines besonderen Tones herangelockt zu haben. Es mag noch bemerkt werden, daß die geistigen Fähigkeiten der Zweiflügler wahrscheinlich höher als bei den meisten andern Insecten sind, in Übereinstimmung damit, daß ihr Nervensystem so hoch entwickelt ist.579
Fußnote
559 Sir J. Lubbock, Transact. Linnean Soc. Vol. XXV. 1866, p. 484. In Bezug auf die Mutilliden s. Westwood, Modern Classification of Insects. Vol. II, p. 213.
560 Diese Organe der Männchen sind häufig bei nahe verwandten Species verschieden und bieten ausgezeichnete specifische