eintritt? Wir sehen wenigstens, daß derartige Fähigkeiten sich bei Kindern in unmerklichen Abstufungen entwickeln.
Daß Thiere das Bewußtsein ihrer psychischen Individualität bewahren, ist durchaus nicht fraglich. Als meine Stimme eine Reihe alter Associationen in der Seele des obengenannten Hundes wach rief, muß er seine geistige Individualität behalten haben, obschon jedes Atom seines Gehirns wahrscheinlich mehr als einmal während des Verlaufs von fünf Jahren gewechselt hatte. Dieser Hund hätte das vor Kurzem in der Absicht, alle Evolutionisten niederzuschmettern, vorgebrachte Argument beibringen und sagen können: »Ich verbleibe inmitten aller geistigen Stimmungen und aller materiellen Veränderungen derselbe ... Die Lehre, daß die Atome die empfangenen Eindrücke als Erbschaft den andern an ihr Stelle rückenden Atomen überlassen, widerspricht der Äußerung des Bewußtseins und ist daher falsch; es ist dies aber dieselbe Lehre, welche durch die Theorie der Entwicklung nothwendig gemacht wird, und demzufolge ist auch diese Hypothese eine falsche«.200
Sprache. – Diese Fähigkeit ist mit Recht als einer der Hauptunterschiede zwischen dem Menschen und den niederen Thieren betrachtet worden. Aber der Mensch ist, wie ein äußerst competenter Richter, Erzbischof Whately, bemerkt, »nicht das einzige Thier, welches von einer Sprache Gebrauch machen kann, um das auszudrücken, was in seinem Geiste vorgeht, und welches mehr oder weniger verstehen kann, was in dieser Weise von Anderen ausgedrückt wird«.201 Der Cebus Azarae in Paraguay giebt, wenn er aufgeregt wird, wenigstens sechs verschiedene Laute von sich, welche bei anderen Affen ähnliche Erregungen veranlassen.202 Die Bewegungen des Gesichts und die Gesten von Affen können von uns verstanden werden und sie verstehen zum Theil die unsern, wie Rengger und Andere erklären. Es ist eine noch merkwürdigere Thatsache, daß der Hund seit seiner Domestication in wenigstens vier oder fünf verschiedenen Tönen zu bellen gelernt hat.203 Obgleich das Bellen ihm eine neue Kunst ist, so werden doch ohne Zweifel auch die wilden Arten, von denen der Hund abstammt, ihre Gefühle durch Schreie verschiedener Arten ausgedrückt haben. Bei dem domesticierten Hunde haben wir das Bellen des Eifers, wie auf der Jagd, das des Ärgers ebenso wie das Knurren, das heulende Bellen der Verzweiflung, z. B. wenn sie eingeschlossen sind, das Heulen bei Nacht, das der Freude, wenn sie z. B. mit ihrem Herrn spazieren gehen sollen, und das sehr bestimmte Bellen des Verlangens oder der Bitte, z. B. wenn sie wünschen, daß eine Thüre oder ein Fenster geöffnet werde. Nach Houzeau, der dem Gegenstande besondere Aufmerksamkeit widmete, stößt das Haushuhn mindestens ein Dutzend bezeichnender Laute aus.204
Der beständige Gebrauch der articulierten Sprache indessen ist dem Menschen eigenthümlich; aber er benutzt gemeinsam mit den niederen Thieren unarticulierte Ausrufe in Verbindung mit Gesten und den Bewegungen seiner Gesichtsmuskeln,205 um seine Gedanken auszudrücken. Dies gilt besonders für die einfacheren und lebendigeren Gefühle, welche aber nur wenig mit unserer höheren Intelligenz in Zusammenhang stehen. Unsere Ausrufe des Schmerzes, der Furcht, der Überraschung, des Ärgers, in Verbindung mit entsprechenden Handlungen, und das Murmeln einer Mutter mit ihrem geliebten Kinder sind ausdrucksvoller als irgend welche Worte. Das, was den Menschen von den niederen Thieren unterscheidet, ist nicht das Verständnis articulierter Laute; denn Hunde verstehen, wie Jedermann weiß, viele Worte und Sätze. In dieser Beziehung stehen sie auf derselben Entwicklungsstufe wie Kinder zwischen zehn und zwölf Monaten, welche auch viele Worte und kurze Sätze verstehen, und doch nicht ein einziges Wort hervorbringen können. Es ist nicht sowohl die bloße Fähigkeit der Articulation, welche den Menschen von anderen Thieren unterscheidet, denn, wie Jedermann weiß, können Papageien und andere Vögel sprechen; auch ist es nicht die bloße Fähigkeit, bestimmte Klänge mit bestimmten Ideen zu verbinden; denn es ist ganz sicher, daß manche Papageien, welchen Sprechen gelehrt worden ist, ohne zu irren Worte mit Dingen, und Personen mit Ereignissen in Verbindung bringen.206
Von den niederen Thieren weicht der Mensch allein durch seine unendlich größere Fähigkeit, die verschiedenartigsten Laute und Ideen zu associieren, ab; und dies hängt offenbar von der hohen Entwicklung seiner geistigen Fähigkeiten ab.
Wie Horne Tooke, einer der Gründer der edlen Wissenschaft der Philologie, bemerkt, ist die Sprache eine Kunst, wie das Brauen und Backen; es würde aber das Schreiben ein viel entsprechenderes Gleichnis dargestellt haben. Sicher ist die Sprache kein echter Instinct, da eine jede Sprache gelernt werden muß. Sie weicht indessen von allen gewöhnlichen Künsten sehr weit ab, denn der Mensch hat eine instinctive Neigung zu sprechen, wie wir in dem Lallen junger Kinder sehen, während kein Kind eine instinctive Neigung zu brauen, backen oder schreiben hat. Überdies nimmt kein Philolog jetzt an, daß irgend eine Sprache mit Überlegung erfunden worden sei; eine jede hat sich langsam und unbewußt durch viele Stufen entwickelt.207 Die Laute, welche Vögel von sich geben, bieten in mehreren Beziehungen die nächste Analogie mit der Sprache dar, denn alle Glieder derselben Art äußern dieselben instinctiven, zur Bezeichnung ihrer Gemüthsbewegungen dienenden Laute; und alle Arten, welche das Singvermögen besitzen, äußern dieses Vermögen instinctiv. Aber der wirkliche Gesang und selbst die Lockrufe werden von den Eltern oder Pflegeeltern gelernt. Diese Laute sind, wie Daines Barrington208 bewiesen hat, »ebensowenig eingeboren wie es die Sprache dem Menschen ist«. Die ersten Versuche zum Singen »lassen sich mit dem unvollkommenen Stammeln bei einem Kinde vergleichen, welches zu lallen beginnt«. Die jungen Männchen üben sich beständig oder, wie der Vogelsteller es ausdrückt, sie probieren zehn oder elf Monate lang. Ihre ersten Versuche lassen kaum eine Spur ihres späteren Gesangs erkennen; wenn sie aber älter werden, kann man ungefähr erkennen, wonach sie streben, und endlich sagt man, sie singen ihren Gesang rund ab. Nestlinge, welche den Gesang einer verschiedenen Art gelernt haben, wie z. B. in Tyrol aufgezogene Canarienvögel, lehren und überliefern ihre neue Sangesweise ihren Nachkommen. Die unbedeutenden natürlichen Verschiedenheiten des Gesangs bei Individuen derselben Species, welche verschiedene Gegenden bewohnen, können ganz passend, wie Barrington bemerkt, mit Provinzialdialecten verglichen werden, und die Sangesweisen verwandter, wenn auch verschiedener Species lassen sich mit den Sprachen verschiedener Menschenrassen vergleichen. Ich habe die vorstehenden Einzelnheiten gegeben, um zu zeigen, daß eine instinctive Neigung, eine Kunst sich anzueignen, keine auf den Menschen beschränkte Eigentümlichkeit ist.
Was den Ursprung der articulierten Sprache betrifft, so kann ich, nachdem ich einerseits die äußerst interessanten Werke von Mr. Hensleigh Wedgwood, F. Farrar und Professor Schleicher,209 und die berühmten Vorlesungen von Professor Max Müller auf der anderen Seite gelesen habe, nicht daran zweifeln, daß die Sprache ihren Ursprung der Nachahmung und Modification verschiedener natürlicher Laute, der Stimmen anderer Thiere und der eigenen instinctiven Ausrufe des Menschen unter Beihülfe von Zeichen und Gesten verdankt. Wenn wir die geschlechtliche Zuchtwahl behandeln werden, wird sich zeigen, daß der Urmensch oder vielmehr irgend ein sehr früher Stammvater des Menschen wahrscheinlich seine Stimme, wie es heutigen Tages einer der Gibbon-artigen Affen thut, dazu benutzte, echt musikalische Cadenzen hervorzubringen, d. h. also zum Singen. Nach einer sehr weit verbreiteten Analogie können wir auch schließen, daß dieses Vermögen besonders während der Werbung der beiden Geschlechter ausgeübt sein wird, um verschiedene Gemüthsbewegungen auszudrücken, wie Liebe, Eifersucht, Triumph, und gleichfalls, um als Herausforderung für die Nebenbuhler zu dienen. Die Nachahmung musikalischer Ausrufe durch articulierte Laute mag daher wahrscheinlich Worten zum Ursprung gedient haben, welche verschiedene complexe Erregungen ausdrückten. Da es zu der Frage der Nachahmung in Beziehung steht, verdient die bedeutende Neigung bei unseren nächsten Verwandten, den Affen, bei mikrocephalen Idioten v210