wird, in ihren Zuneigungen, Widerwillen und ihrem Gefühl für Schönheit ebenfalls launisch sind. Wir haben auch Grund zu vermuthen, daß sie Neuheit ihrer selbst wegen lieben.
Gottesglaube, Religion. – Wir haben keine Beweise dafür, daß dem Menschen von seinem Ursprunge an der veredelnde Glaube an die Existenz eines allmächtigen Gottes eigen war. Im Gegentheil sind reichliche Zeugnisse, nicht von flüchtigen Reisenden, sondern von Männern, welche lange unter Wilden gelebt haben, beigebracht worden, daß zahlreiche Rassen existiert haben und noch existieren, welche keine Idee eines Gottes oder mehrerer Götter und keine Worte in ihren Sprachen haben, eine solche Idee auszudrücken.228 Natürlich ist diese Frage von der andern höheren völlig verschieden, ob ein Schöpfer und Regierer des Weltalls existiert; und diese ist von den größten Geistern, welche je gelebt haben, bejahend beantwortet worden.
Verstehen wir indessen unter dem Ausdruck »Religion« den Glauben an unsichtbare oder geistige Kräfte, so stellt sich der Fall völlig verschieden; denn dieser Glaube scheint bei den weniger civilisierten Rassen ganz allgemein zu sein. Auch ist es nicht schwer zu verstehen, wie er entstanden ist. Sobald die bedeutungsvollen Fähigkeiten der Einbildungskraft, Verwunderung und Neugierde, in Verbindung mit einem Vermögen nachzudenken, theilweise entwickelt waren, wird der Mensch ganz von selbst gesucht haben, das, was um ihn her vorgeht, zu verstehen, und wird auch über seine eigene Existenz dunkel zu speculieren begonnen haben. Mr. M'Lennan229 hat bemerkt: »irgend eine Erklärung der Lebenserscheinungen muß der Mensch sich ausdenken; und nach ihrer Allgemeinheit zu schließen scheint die einfachste und dem Menschen sich zuerst darbietende Hypothese die gewesen zu sein, daß die Erscheinungen der Natur der Anwesenheit solcher zur Thätigkeit treibender Geister in Thieren, Pflanzen, leblosen Gegenständen und auch in den Naturkräften zuzuschreiben seien, wie die sind, von deren Besitz sich der Mensch »bewußt ist«. Wie Mr. Tylor klar entwickelt hat, ist es auch wahrscheinlich, daß Träume der Annahme solcher Geister zuerst Entstehung gegeben haben; denn Wilde unterscheiden nicht leicht zwischen subjectiven und objectiven Eindrücken. Wenn ein Wilder träumt, so glaubt er, daß die Bilder, welche vor ihm erscheinen, von Weitem hergekommen sind und über ihm stehen; oder »die Seele des Träumers geht auf Reisen aus und kommt heim mit der Erinnerung Dessen, was sie gesehen hat«.230 So lange aber die obengenannten Fähigkeiten der Einbildung, Neugierde, des Verstandes u. s. w. nicht ziemlich gut in dem Geiste des Menschen entwickelt waren, werden ihn seine Träume nicht zu dem Glauben an Geister veranlaßt haben, ebensowenig wie einen Hund.
Die Neigung der Wilden, sich einzubilden, daß natürliche Dinge und Kräfte durch geistige oder lebende Wesen belebt seien, wird vielleicht durch eine kleine Thatsache, welche ich früher einmal beobachtet habe, erläutert. Mein Hund, ein völlig erwachsenes und sehr aufmerksames Thier, lag an einem heißen und stillen Tage auf dem Rasen; aber nicht weit von ihm bewegte ein kleiner Luftzug gelegentlich einen offenen Sonnenschirm, welchen der Hund völlig unbeachtet gelassen haben würde, wenn irgend Jemand dabei gestanden hätte. So aber knurrte und bellte der Hund wüthend jedesmal, wenn sich der Sonnenschirm leicht bewegte. Ich meine, er muß in einer schnellen und unbewußten Weise bei sich überlegt haben, daß Bewegung ohne irgend welche offenbare Ursache die Gegenwart irgend einer fremdartigen lebendigen Kraft andeutete, und kein Fremder hatte ein Recht, sich auf seinem Territorium zu befinden.
Der Glaube an spirituelle Kräfte wird leicht in den Glauben an die Existenz eines Gottes oder mehrerer Götter übergehen; denn Wilde werden naturgemäß Geistern dieselben Leidenschaften, dieselbe Lust zur Rache oder die einfachste Form der Gerechtigkeit und dieselben Zuneigungen zuschreiben, welche sie selbst in sich fühlen. Die Feuerländer scheinen in dieser Beziehung sich in einem mittleren Zustande zu befinden, denn als der Arzt an Bord des Beagle einige junge Enten zum Aufbewahren als zoologische Exemplare schoß, erklärte York Minster in der feierlichsten Weise: »Oh! Mr. Bynoe, viel Regen, viel Schnee, viel Blasen«, und dies wurde offenbar als zu befürchtende Strafe für das Verwüsten menschlicher Nahrung verstanden. So erzählte er ferner, als sein Bruder einen »wilden Mann« getödtet habe, hätten lange Zeit Stürme geherrscht und es sei viel Regen und Schnee gefallen. Und doch konnten wir nie finden, daß die Feuerländer an das glaubten, was wir einen Gott nennen würden, oder daß sie irgendwelche religiöse Gebräuche ausübten. Jemmy Button behauptete mit gerechtfertigtem Stolze fest und sicher, daß in seinem Lande kein Teufel sei, und diese letztere Bemerkung ist um so merkwürdiger, als bei den Wilden der Glaube an böse Geister bei weitem gewöhnlicher, als der Glaube an gute herrscht.
Das Gefühl religiöser Ergebung ist ein in hohem Grade compliciertes, indem es aus Liebe, vollständiger Unterordnung unter ein erhabenes und mysteriöses Etwas, einem starken Gefühle der Abhängigkeit,231 der Furcht, Verehrung, Dankbarkeit, Hoffnung in Bezug auf die Zukunft und vielleicht noch anderen Elementen besteht. Kein Wesen hätte eine so complicierte Gemüthserregung an sich erfahren können, bis nicht seine intellectuellen und moralischen Fähigkeiten zum mindesten auf einen mäßig hohen Standpunkt entwickelt wären: Nichtsdestoweniger sehen wir eine Art Annäherung an diesen Geisteszustand in der innigen Liebe eines Hundes zu seinem Herrn, welche mit völliger Unterordnung, etwas Furcht und vielleicht noch anderen Gefühlen vergesellschaftet ist. Das Benehmen eines Hundes, wenn er nach einer Abwesenheit zu seinem Herrn zurückkehrt, und, wie ich hinzufügen kann, eines Affen bei der Rückkehr zu seinem geliebten Wärter, ist sehr weit von Dem verschieden, was diese Thiere gegen Ihresgleichen äußern. Im letzteren Falle scheinen die Freudenbezeigungen etwas geringer zu sein, und das Gefühl der Gleichheit zeigt sich in jeder Handlung. Professor Braubach232 geht so weit, zu behaupten, daß ein Hund zu seinem Herrn wie zu einem Gott aufblickt.
Dieselben hohen geistigen Fähigkeiten, welche den Menschen zuerst dazu führten, an unsichtbare geistige Kräfte, dann an Fetischismus. Polytheismus und endlich Monotheismus zu glauben, werden ihn, so lange seine Verstandeskräfte nur wenig entwickelt waren, unfehlbar zu verschiedenen fremdartigen Gebräuchen und Formen des Aberglaubens geführt haben. Schon der Gedanke an viele Arten dieser ist schaudervoll, so das Opfern menschlicher Wesen einem blutliebenden Gotte, das Überführen unschuldiger Personen durch das Gottesgericht mit Gift oder Feuer. Zauberei u. s. w.; und doch verlohnt es sich wohl, gelegentlich über diese Formen von Aberglauben nachzudenken; denn sie zeigen uns, in welch' unendlicher Weise wir der Vervollkommnung unseres Verstandes, der Wissenschaft und unseren aufgestapelten Kenntnissen zu Danke verpflichtet sind. Wie Sir J. Lubbock233 sehr gut bemerkt hat. »ist es nicht zu viel, wenn wir sagen, daß die schauerliche Furcht vor unbekannten Übeln wie eine dichte Wolke über dem Leben der Wilden hängt und jedes Vergnügen verbittert«. Diese traurigen, indirect aus unseren höchsten Fähigkeiten herzuleitenden Folgen können mit den zufälligen und gelegentlichen Mißgriffen der Instincte niederer Thiere verglichen werden.
Fußnote
227 »The Spectator«, Dec. 4th 1869, p. 1430.
228 s. einen ausgezeichneten Aufsatz hierüber von F. Farrar in: Anthropological Review. Aug. 1864, p. CCXVII. Wegen weiterer Thatsachen s. Sir J. Lubbock, Prehistoric Times, 2. edit. 1869, p. 564 und besonders die Capitel über Religion in seinem Origin of Civilisation. 1870.
229 The Worship of Animals and Plants, in: Fortnightly Review. Oct. 1., 1865, p. 422.
230 Tylor, Early History of Mankind. 1856. p. 6. s. auch die drei bemerkenswerthen Capitel über die Entwicklung der Religion in Lubbock's Origin of Civilisation. 1870. In gleicher Weise erklärt Herbert Spencer in seinem