Чарльз Дарвин

Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen)


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welche noch immer als die wichtigsten anerkannt werden. Sie werden aber fast ausschließlich nur in Bezug auf Menschen desselben Stammes ausgeübt; und die ihnen entgegengesetzten Handlungen werden, sobald sie in Bezug auf Menschen anderer Stämme ausgeübt werden, nicht als Verbrechen betrachtet. Kein Stamm würde zusammenhalten können, bei welchem Mord, Räuberei, Verrätherei u. s. w. gewöhnlich wären; in Folge dessen werden solche Verbrechen innerhalb der Grenzen eines und desselben Stammes »mit ewiger Schmach gebrandmarkt«.265 erregen aber jenseits dieser Grenzen keine derartigen Empfindungen. Ein nordamerikanischer Indianer ist mit sich selbst wohl zufrieden und wird von anderen geehrt, wenn er einen Menschen eines anderen Stammes scalpiert, und ein Dyak schneidet einer ganz friedlichen Person den Kopf ab und trocknet ihn als Trophäe. Der Kindesmord hat im größten Maßstabe in der ganzen Welt geherrscht266 und hat keinen Tadel gefunden; es ist im Gegentheil die Ermordung von Kindern, besonders von Mädchen, als etwas Gutes für den Stamm oder wenigstens nicht als schädlich für denselben angesehen worden. In früheren Zeiten wurde der Selbstmord nicht allgemein als Verbrechen betrachtet,267 sondern wegen des dabei bewiesenen Muths eher als ehrenvolle Handlung; und er wird noch immer von einigen halbcivilisierten und wilden Nationen ausgeübt, ohne für tadelnswerth zu gelten, denn er berührt nicht augenfällig Andere desselben Stammes. Man hat berichtet, daß ein indischer Thug es in seinem Gewissen bedauerte, nicht ebensoviele Reisende stranguliert und beraubt zu haben, als sein Vater vor ihm gethan hatte. Auf einem niedrigen Zustand der Civilisation wird allerdings die Beraubung von Fremden meist für ehrenvoll gelten.

      Wie in Zeiten der Rohheit kein Mensch ohne Muth seinem Stamme nützlich sein oder treu bleiben kann, so ist auch diese Eigenschaft früher allgemein im höchsten Ansehen gehalten worden; und obgleich in civilisierten Ländern ein guter, aber furchtsamer Mensch der Gesellschaft viel nützlicher sein kann, als ein tapferer, so können wir uns doch des instinctiven Gefühls nicht erwehren, den Letzteren höher als den Feigling zu schätzen, mag Letzterer auch ein noch so wohlwollender Mensch sein. Auf der anderen Seite ist Klugheit, welche die Wohlfahrt Anderer nicht berührt, wenn sie auch an sich eine sehr nützliche Tugend ist, niemals sehr hoch geschätzt worden. Da Niemand die für die Wohlfahrt des Stammes nothwendigen Tugenden ohne Selbstaufopferung, Selbstbeherrschung und die Kraft der Ausdauer üben kann, so sind diese Eigenschaften zu allen Zeiten, und zwar äußerst gerechter Weise, hochgeschätzt worden. Der amerikanische Wilde unterwirft sich freiwillig ohne Murren den schrecklichsten Qualen, um seine Tapferkeit und seinen Muth zu beweisen und zu kräftigen; und wir müssen ihn unwillkürlich bewundern, wie selbst einen indischen Fakir, welcher in Folge eines närrischen religiösen Motivs an einem in sein Fleisch gestoßenen Haken in der Luft hängt.