s. einen guten Aufsatz in der »North British Review«, 1867, p. 395; vgl. auch W. Bagehot's Abhandlungen über die Bedeutung des Gehorsams und des Zusammenhaltens für den Urmenschen in »The Fortnightly Review« 1867, p. 529 und 1868, p. 457 u. s. w.
266 Die ausführlichste Erörterung dieses Punktes, welche ich gefunden habe, findet sich bei Gerland, Über das Aussterben der Naturvölker. 1868. Ich werde aber auf den Kindesmord in einem späteren Artikel zurückzukommen haben.
267 s. die sehr interessante Discussion über den Selbstmord in Lecky's History of European Morals. Vol. I. 1869, p. 228. In Bezug auf Wilde theilt mir Mr. Winwood Reade mit, daß die Neger in West-Afrika häufig Selbstmord begehen. Es ist bekannt, wie verbreitet er unter den unglücklichen Eingeborenen von Süd-Amerika nach der spanischen Eroberung war. In Bezug auf Neu-Seeland s. die Reise der Novara, und in Bezug auf die Aleuten s. Müller, den Houzeau citiert. Facultés Mentales etc. Tom. II, p. 136.
268 s. Bagehot, Physics and Politics. 1872, p. 72.
269 s. z. B. Hamilton's Erzählung von den Kaffern: Anthropological Review, 1870, p. XV.
270 Mr. M'Lennan hat eine gute Sammlung von Thatsachen über diesen Gegenstand gegeben in: Primitive Marriage, 1865, p. 176.
271 Lecky, History of European Morals. Vol. I. 1869, p. 109.
272 Embassy to China. Vol. II, p. 348.
273 Zahlreiche Belege über denselben Gegenstand findet man im VIII. Capitel von Sir J. Lubbock's Origin of Civilisation. 1870.
274 z. B. Lecky, History of European Morals. Vol. I, p. 124.
Schlußbemerkungen. – Die Philosophen der derivativen275 Schule der Moralisten nahmen früher an, daß der Grund der Moralität in einer Art von Selbstsucht läge, neuerdings ist aber das »Princip des größten Glücks« besonders in den Vordergrund gebracht worden. Es ist indeß richtiger von diesem letzteren Princip als von dem Maßstabe des Betragens zu sprechen, und es nicht als das Motiv desselben zu bezeichnen. Nichtsdestoweniger äußern sich alle Schriftsteller, deren Werke ich consultiert habe, mit einigen wenigen Ausnahmen,276 so, als müßte für jede Handlung ein bestimmtes Motiv existieren, und daß dies mit einem gewissen Behagen oder Unbehagen verbunden sein müsse. Der Mensch scheint aber häufig impulsiv zu handeln, d. h. einem Instinct oder einer alten Gewohnheit zu folgen, ohne sich irgend eines Vergnügens bewußt zu werden, in derselben Weise wie wahrscheinlich eine Biene oder Ameise handelt, wenn sie blindlings ihren Instincten folgt. In Fällen äußerster Gefahr, so wenn ein Mensch während eines Feuers ein Mitgeschöpf, ohne einen Augenblick zu zögern, zu retten unternimmt, kann er kaum ein Vergnügen empfinden; und noch weniger hat er Zeit, darüber nachzudenken, was für ein Unbefriedigtsein er später empfinden würde, wenn er nicht jenen Versuch machte. Sollte er nachher über sein Benehmen nachdenken, so würde er fühlen, daß in ihm noch eine impulsive Kraft liegt, welche von der Sucht nach Vergnügen oder Glück weit verschieden ist und diese scheint der tief eingewurzelte sociale Instinct zu sein.
Was die niederen Thiere betrifft, so scheint es viel passender, von ihren socialen Instincten als von solchen zu sprechen, welche sich mehr zum allgemeinen Besten als zum allgemeinen Glück der Species entwickelt haben. Der Ausdruck »allgemeines Beste« kann definiert werden als die Bezeichnung für die Erziehung der größtmöglichsten Zahl von Individuen in voller Kraft und Gesundheit und mit allen Fähigkeiten in vollkommener Ausbildung, und zwar unter den Lebensbedingungen, denen sie ausgesetzt sind. Da ohne Zweifel die socialen Instincte Beider, sowohl des Menschen als der niederen Thiere in nahezu denselben Abstufungen entwickelt worden sind, so würde es, wenn es ausführbar wäre, wohl rathsam sein, in beiden Fällen dieselbe Definition zu benutzen und als Maßstab für die Moral eher das allgemeine Beste oder die Wohlfahrt der Gemeinde als das allgemeine Glück anzunehmen; doch würde diese Definition vielleicht eine Einschränkung wegen der politischen Moral erfordern.
Wenn ein Mensch sein Leben wagt, um das eines Mitgeschöpfes zu retten, so scheint es richtiger hier zu sagen, daß er für das allgemeine Beste oder die allgemeine Wohlfahrt handelt, als zu sagen, daß er es für das allgemeine Glück der Menschheit thue. Ohne Zweifel fallen die Wohlfahrt und das Glück des Individuums gewöhnlich zusammen, und ein zufriedener glücklicher Stamm wird besser gedeihen als einer, welcher unzufrieden und unglücklich ist. Wir haben gesehen, daß selbst auf einer frühen Periode der Geschichte der Menschheit die ausgesprochenen Wünsche der Gesellschaft nothwendig in hohem Grade das Benehmen jedes einzelnen Mitglieds beeinflußt haben werden; und da alle nach Glück streben, so wird »das Princip des größten Glücks« ein sehr bedeutungsvoller secundärer Führer und ein wichtiges Ziel geworden sein; als primärer Antrieb und Führer werden jedoch immer die socialen Instincte mit Einschluß der Sympathie (welche uns zur Beachtung der Billigung und Mißbilligung Anderer führt) gedient haben. Hierdurch wird der Vorwurf, daß man den Grund des edelsten Theiles unserer Natur in das niedere Princip der Selbstsucht legt, beseitigt; man müßte denn in der That die Genugthuung, welches jedes Thier fühlt, wenn es seinen richtigen Instincten folgt, und das Unbefriedigtsein, welches dasselbe fühlt, sobald es daran gehindert wird, selbstisch nennen.
Der Ausdruck der Wünsche und des Urtheils der Glieder einer und derselben Gemeinschaft, anfangs mündlich, später auch durch Schriftsprache, bildet entweder die einzige Richtschnur unseres Benehmens, oder kräftigt in hohem Maße die socialen Instincte; doch haben derartige Meinungen zuweilen eine direct in Opposition zu diesen Instincten stehende Tendenz. Diese letztere Thatsache wird durch das Gesetz der Ehre sehr wohl erläutert, d. h. das Gesetz der Meinung von Unseresgleichen und nicht aller unserer Landsleute. Ein Verstoß gegen dieses Gesetz, – selbst wenn anerkannt werden muß, daß der Verstoß in strenger Übereinstimmung mit der wirklichen Moral ist –, hat manchem Mann mehr Gewissenbisse verursacht, als ein wirkliches Verbrechen. Wir erkennen denselben Einfluß in dem brennenden Gefühl der Scham, welches die meisten von uns selbst nach Verlauf von Jahren gefühlt haben, wenn sie irgend einen zufälligen Verstoß gegen eine unbedeutende, wenn nur einmal feststehende Regel der Etikette sich in's Gedächtnis zurückrufen. Das Urtheil der ganzen Gemeinschaft wird durch eine gewisse unbestimmte Erfahrung von Dem bestimmt werden, was auf die Länge der Zeit für alle Mitglieder das Beste ist. Dies Urtheil wird aber nicht selten in Folge von Ungewißheit oder von einem schwachen Vermögen des Nachdenkens irren. Daher sind die merkwürdigsten Gebräuche und Formen des Aberglaubens im vollen Gegensatz zur wahren Wohlfahrt und Glückseligkeit der Menschheit durch die ganze Welt so übermächtig geworden. Wir sehen dies in dem Entsetzen, welches ein Hindu fühlt, der seine Kaste verläßt, und in unzähligen anderen Beispielen. Es dürfte schwer sein, zwischen den Gewissensbissen, die ein Hindu fühlt, der der Versuchung nachgegeben hat, unreine Nahrung zu genießen, und denjenigen zu unterscheiden, welche nach dem Begehen eines Diebstahls gefühlt werden; die ersteren dürften aber wahrscheinlich die härteren sein.
Auf welche Weise so viele absurde Gesetze des Benehmens, ebenso wie so viele absurde religiöse Glaubensansichten entstanden sind, wissen wir nicht, ebensowenig, woher es kommt, daß sie in allen Theilen der Welt sich dem menschlichen Geist so tief eingeprägt haben. Es ist aber der Bemerkung werth, daß ein beständig während der früheren Lebensjahre eingeprägter Glaube und zwar so lange das Gehirn Eindrücken leicht zugänglich ist, fast die Natur eines Instincts anzunehmen