verdufteten und ich auch und zwar ziemlich rasch und wie mit kaltem Schweiß bedeckt und ich kroch eiligst dahin zurück, wo wir angelegt. Es war dort so dunkel wie in einer Kuh und ich konnte die Hand nicht vor den Augen sehen, flüsterte nur ganz heiser: »Jim« und dicht neben mir stöhnt etwas Antwort.
»Schnell, Jim, wir haben gar keine Zeit zu verlieren mit Stöhnen. Das ist eine Räuber- und Mörderbande da drinnen und wenn wir ihr Boot nicht erwischen und es forttreiben lassen, ist einer von den Kerlen arg in der Klemme. Ich möcht' sie aber alle drei zappeln lassen und dem Sheriff ausliefern. Schnell, eil' dich! Ich will diese Seite absuchen nach dem Boot, du die andre. Dann setzest du dich ins Floß und« –
»Floß? O Herr, Herr Jemine, Floß? Da sein kein Floß nix mehr! Floß sein losgerissen, sein fort und arme alte Jim und Huck sein verloren! Sein keine Floß nix da!«
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Dreizehntes Kapitel
Flucht aus dem Wrack. – Der Wächter an der Fähre. – Untergang. – Gesunder Schlaf. –
Mir ging der Atem aus und ich fiel beinahe um vor Entsetzen. Hier auf dem Wrack allein mit einer solchen Bande wie die da drunten, das war kein Spaß! Jetzt mußten wir ihr Boot finden – mußten's für uns selbst haben! So krochen wir zitternd und bebend zurück und es schien eine Ewigkeit, eine Woche wenigstens, bis wir zum Hinterteil des Schiffes gelangten. Ein Boot aber war nirgends, nirgends zu sehen. Jim sagte, er könne sich kaum noch aufrecht halten, so schlotterten ihm die Kniee, solche Angst habe er in seinem Leben noch nicht ausgestanden. Ach, du mein Himmel, mir ging's nicht viel besser, aber gesagt hätte ich nichts um alles in der Welt. Ich trieb ihn nur vorwärts und versicherte ihm, daß, wenn wir hier blieben, wir zwischen den Wellen und den Kerlen da drinnen garstig in der Klemme säßen. Wir also wieder drauf los und weiter gesucht! Immer vorwärts tastend hatten wir schon beinahe den Teil erreicht, wo das Deck sich gegen die Wasserfläche gesenkt hatte, da – seh' ich einen dunklen Klumpen im schwarzen Schatten da drunten und weiß Gott und wahrhaftig, es war ein Boot! Ob wir froh waren und dankbar und aufatmeten! Eben wollten wir uns hinunterlassen, da öffnet sich dicht neben mir eine Lucke und ein Kopf erscheint. Es ist einer von den Kerlen! Daß er mich nicht gesehen, war das reine Wunder! Er aber dreht den Kopf nach rückwärts und flüstert:
»Thu' doch die verdammte Laterne weg, Bill, die kann uns ja verraten!«
Er warf einen Sack mit etwas ins Boot, schwang sich selbst nach und setzte sich. Es war Jack. Dann kam Bill nachgekrochen und war auch schon unten. Wispert Jack:
»Fertig – stoß ab!«
Ich konnte mich kaum mehr festhalten, so schwach wurde mir. Da flüstert Bill:
»Wart' ein wenig. Hast du ihn auch noch einmal genau durchsucht, den Hund?«
»Nein – hast du's denn nicht gethan?«
»Nein, Gott straf' mich! Da hat der Kerl also noch seinen Teil an Barem in der Tasche?«
»Nun dann aber geschwind zurück! – es hat freilich keinen Wert, all den Kram fortzuschleppen und das Geld dahinten zu lassen. Komm' schnell!«
»Wird er denn aber nicht merken, was wir im Schilde führen, he?«
»Vielleicht – vielleicht auch nicht! Einerlei – haben müssen wir's, also vorwärts!«
So kletterten die Kerle wieder zurück und verschwanden.
Ob wir flink unten und im Boot drin waren! Mir schien's, als packe uns ein Wirbelwind! Messer heraus, Leine durch – auf und los und davon, eh' einer Amen sagen konnte!
Wir rührten keine Ruder, verloren kein Wort, atmeten kaum. Lautlos glitten wir davon, totenstill, am Schiff entlang und waren in ein paar Minuten außer Hör-, Gesichts- und Schußweite, sahen das Wrack in der Dunkelheit verschwinden, waren gerettet – und dankten unserm Schöpfer dafür.
Als wir ungefähr zwei oder dreihundert Meter entfernt waren, sahen wir eine Laterne wie ein kleines Sternchen für einen Augenblick über dem Wasser aufblitzen; jetzt hatten die Kerle gewiß entdeckt, daß das Boot weg war und sie ungefähr so schlimm dran seien wie Jim Turner.
Wir aber legten uns tüchtig in die Ruder und spähten nach unserm Floß aus. Da kam es mir plötzlich in den Sinn, mir wegen des Schicksals der Männer Gedanken zu machen, vermutlich hatte ich bisher keine Zeit dazu gehabt. Mir schien die Klemme, in die ich sie gebracht, selbst für Mörder etwas allzugrausam. Sag' ich zu mir selbst: wer weiß, alter Huck, was aus dir noch einmal wird, vielleicht nicht viel besseres und da wär' dir so 'was auch recht unangenehm. Ruf' ich deshalb Jim zu:
»Jim, beim ersten Licht, das wir sehen, machen wir Halt, legen an, verstecken dich und das Boot und ich geh' dann hin und fable den Leuten 'was vor, daß sie nach den Kerlen dort im Wrack sehen, damit die nicht wie Ratten ersaufen, sondern schön gehängt werden können, wenn sie einmal reif dafür sind!«
Die Idee aber war Essig, denn auf einmal begann der Sturm wieder wie toll drauf los zu rasen, schlimmer als je. Es goß nur so in Strömen und nirgends die Spur von einem Licht, bei dem Hundewetter war wohl alles im Bett. Wir arbeiteten uns vorwärts, durch alles durch und schauten scharf nach Licht und nach unserm verlorenen Floße aus. Nach einiger Zeit ließ der Regen etwas nach, aber die Wolken blieben und der Blitz flammte hie und da noch auf und auf einmal zeigte uns ein Strahl etwas schwarzes, das vor uns dahinglitt. Wir natürlich flink drauf los.
Und wahrhaftig es war unser Floß. Wir waren froh wie die Maikäfer, uns drauf verkriechen zu können, auf unserm alten, lieben, verlorenen und wiedergeschenkten Floße. Wie doch der Mensch am Seinen hängt! Jetzt entdeckten wir auch ein Licht drüben am Ufer, nach dem wollte ich mich denn auch hinmachen, – die drei Kerle lagen mir zu schwer im Magen. Unser Boot war halb voll geladen mit Kram, den die Schurken gestohlen hatten. Den luden wir nun in einem Haufen auf unser Floß und ich hieß Jim langsam weiter treiben und nach einiger Zeit, so etwa nach einer Stunde, ein Feuer machen und es brennen lassen, bis ich zurück sei, damit ich ein Zeichen habe. Dann zog ich los und auf das Licht zu. Als ich näher kam, entdeckte ich noch andre an einem Hügel aufwärts – es mußte ein Dorf sein. Ich hielt auf das Uferlicht zu, zog die Ruder ein und ließ mich treiben, um erst ein wenig auszukundschaften. Im Vorbeigleiten sah ich denn, daß das Licht eine Laterne sei, die an einem Fährboot befestigt hing. Ich schaute nun nach dem Wächter aus, wo er schliefe, und fand ihn richtig vorn bei den Tauwinden seelig entschlummert, mit dem Kopf zwischen den Knieen. Ich stieß ihn dann zwei oder dreimal leicht an und begann zu schluchzen und zu heulen.
Er fuhr auf, sah sich etwas verstört um, als er aber entdeckte, daß nur ich es sei, reckte und streckte und dehnte er sich erst behaglich und brummte dann:
»Halloh, was ist denn wieder los? Heul' nicht, Bub'! Was giebt's denn?«
Schluchz' ich:
»Vater und Mutter und Schwester und« –
Ich konnte nicht weiter vor Jammer. Dann sagt' er:
»O, Gott verdamm' mich, heul' nicht so, Jung', jeder hat seinen Packen zu tragen und deiner wird nicht gar zu schwer sein! Was ist denn los mit Vater und Mutter und Schwester?«
»Sie sind – sie sind – Sind Sie der Wächter von dem Fährboot?«
»Ja,« bestätigt er selbstgefällig, »der bin ich! Ich bin Kapitän, Eigentümer, Matrose und Lootse, Steuermann, Wächter – alles in einer Person. Oftmals auch alleinige Fracht und Passagier zugleich. So reich wie der alte Jim Hornback bin ich nicht, kann nicht so mit dem Gelde um mich werfen, wie er's thut, der's den Schlingeln: dem Tom und dem Dick und dem Harry nur so in die Taschen stopft, aber ich möcht' doch nicht mit ihm tauschen, nicht um viel. Denn,