wart', nur einen Augenblick! Ist es nicht auch ganz natürlich, daß ein Tier anders spricht wie wir, he?«
»Warum du fragen so dumm, Huck?«
»Also warum soll ein Franzose denn nicht anders reden wie wir?«
»Sein Katze eine Mensch, Huck?«
»Nein!«
»Gut, warum sollen Katze reden wie Mensch? Sein Kuh Mensch? Oder sein Kuh Katz'?«
»Nein, eine Kuh ist 'ne Kuh!«
»Gut, so sie brauchen nix zu reden wie Katz' un Mensch! Sein Franzose Mensch?«
»Na, ob!«
»Also! Warum er dann nix reden wie Mensch? Das möcht' ich wissen Huck!«
Das war mir zu viel! Streit' einer mit einem Nigger! Die Schädel sind zu hart! Ich gab's auf!
–-
Fünfzehntes Kapitel
Huck verliert das Floß aus Sicht. – Im Nebel. – Wiederfinden. – Träume. – Unrat!
In weiteren drei Nächten dachten wir mit Leichtigkeit bis nach Kairo zu kommen, ganz unten in Illinois, da, wo der Ohio in den Mississippi fließt, das war das eigentliche Ziel unsrer Fahrt. Dort wollten wir denn das Floß verkaufen, auf ein Dampfboot gehen, den Ohio hinauf fahren, bis zu den Staaten, wo die Nigger frei waren, und so dann außer aller Gefahr sein!
In der zweiten Nacht kam ein dicker Nebel herunter, wir suchten daher nach einem Ort, um bequem anlegen zu können, denn eine Fahrt im Nebel lockte uns nicht. Ich ruderte im Boot voraus, fand aber nichts als junge Bäumchen zum Anbinden. Ich schlang die Leine um eines derselben; unglücklicherweise gerade an einer Stelle, wo das Ufer einen Vorsprung bildete und eine scharfe Strömung entstand. Von derselben erfaßt, schoß das Floß nur so dahin und eh' ich mich's versah, hatte es sich von dem Boot losgerissen und war auch schon im Nebel verschwunden. Ich seh' noch, wie der sich hinter ihm schließt, mir wurde ordentlich schwarz vor den Augen, ich konnte mich kaum rühren, viel weniger einen Laut von mir geben. Denk' ich, nun bist du verloren, verlassen gewiß, denn Jim ist weg auf Nimmerwiedersehen! Ich stürze ins Boot, und falle über die Ruder her, aber es weicht nicht von der Stelle; ich hatte vergessen, es loszubinden. Ich probier's jetzt, den Knoten zu lösen, aber ich war so aufgeregt, meine Hände zitterten so, daß ich nichts anfangen konnte.
Als ich dann endlich flott war, setzte ich hinter dem Floß her, hielt mich, so lang' ich konnte, in der Nähe des Ufers, um die Richtung nicht zu verlieren, kam aber doch schließlich ab und mitten in den dicken Nebel hinein und wußte nun nicht besser, wohin ich getrieben wurde, als wäre ich ein Toter.
Denk' ich, rudern lohnt sich hier nicht, sitzest am Ende doch nur auf einer Sandbank fest, läßt dich lieber vom Wasser treiben, das ist jedenfalls sich'rer. Aber still sitzen und die Hände in den Schoß legen, wenn man innerlich wie mit Dampf geladen ist, um vorwärts zu kommen, ist eine mißliche Sache. Ich konnt's kaum fertig bringen und rutschte auf meiner Bank herum, rief einmal und lauschte auf Antwort. Plötzlich höre ich den Strom herauf einen schwachen Ruf und da kommen mir auch die Lebensgeister und der Mut wieder. Ich drauf los und hör's noch einmal, merk' aber auch, daß ich in ganz falscher Richtung bin, viel zu viel nach rechts. Dann hör' ich's wieder und bin diesmal zu weit links, komm auch nicht näher, denn mit dem Hin und Her verlier' ich Zeit und das Floß treibt offenbar immer gerade zu! –
Ich hoffte nun, der Narr von Jim würde einen alten Blechdeckel nehmen und ordentlich Lärm schlagen, wer's aber nicht that, war er, und gerade die Pausen zwischen den verschiedenen Rufen machten mich so irre. Na, ich immer voran, aber man denke sich mein Erstaunen, als ich plötzlich den Ruf hinter mir höre. Großer Richter! War ich am End' gar hinter jemand Falschem her oder hatte sich das Boot gedreht? Nun wußte ich nicht ein noch aus!
Ich warf mich zu Boden, ganz verzweifelt! Wieder kam der Ruf, immer noch hinter mir, aber von ganz wo anders her, und so wechselte es beständig und ich antwortete auch, bis es auf einmal wieder von vorn kam und ich merkte, daß die Strömung mein Boot nochmals gedreht haben müsse und alles gut sei, wenn's wirklich Jim war, der da rief und nicht irgend wer sonst; denn im Nebel erkenn' der Kuckuck die Stimmen, im Nebel sieht alles geisterhaft aus und lautet auch so.
Das Rufen dauerte an und in einer Minute etwa stieß ich hart an einer Art Insel oder Sandbank auf, von der alte Baumstümpfe wie Geister in den Nebel aufragten. Die Strömung packte mich und warf mich zur Linken, hart an vorstehenden Baumzweigen vorbei, die ordentlich pfiffen, so sauste das Wasser an ihnen dahin.
Im nächsten Moment war alles wieder Nebel und still. Ich hielt mich ganz ruhig und hörte nur wie mein Herz hämmerte und klopfte, während ich kaum zu atmen wagte.
Nichts war zu hören und nun wußte ich auch genau, woran ich war. Die Sandbank, auf welche ich, wie ich glaubte, aufgerannt, war eine Insel und mich hatte die Strömung zur Linken gerissen, während Jim drüben auf der Rechten dahintrieb. Und die Insel schien nicht klein. Ab und zu konnte ich durch den Nebel große hohe Bäume sehen, das konnte stundenlang so weiter gehen, wer konnt's sagen, ob ich je wieder Jim und das Floß erreichen würde?
Ich hielt mich ganz still und spitzte die Ohren, soviel ich konnte. Alles umsonst. Ich wurde schnell immer weiter und weiter gerissen; denn die Strömung war stark, aber das wird einem nicht klar, man fühlt es kaum. Im Gegenteil! Man meint ganz, ganz still zu liegen auf dem Wasser und wenn man einen Baum oder sonst was vorbeihuschen sieht, kommt es einem gar nicht in den Sinn, daß man selber so schnell fährt, sondern man hält den Atem an und denkt, ei, hat's der Baum aber einmal eilig! Wer's nicht glaubt, wie unheimlich und einsam es einem zu Mut ist, so allein im Nebel auf dem Wasser, mitten in der stillen dunklen Nacht, der soll nur einmal hingehen und's probieren, dann wird er schon sehen!
Nach vielleicht einer halben Stunde fange ich wieder an zu rufen, denn ich dachte, nun könnt' die Insel endlich ein Ende haben, und wahrhaftig ich hör' auch einen Antwortruf, aber weit, weit weg. Ich versuche, demselben zu folgen, bring's aber nicht fertig. Nun gerat' ich in ein ganzes Nest von kleinen Eilanden, die Insel konnt' ich nicht mehr sehen, wohl aber nun zu beiden Seiten von mir kleine Bröckchen Landes, zwischen denen oft nur ein ganz schmaler Wasserarm durchführte. Andre, im Nebel verborgen, konnte ich nicht deutlich unterscheiden, merkte aber wohl am Anprallen und Rauschen des Wassers dagegen, daß da irgend ein Hindernis sein müsse. Die Rufe konnte ich immer von Zeit zu Zeit wieder hören, aber der Richtung folgen zu wollen, war schlimmer als die Jagd auf ein Irrlicht, so sprang der Ton hin und her, von einem Platz zum andern.
Dann mußte ich auch mit dem Ruder nachhelfen, daß ich nicht einmal irgendwo anrannte und irgend einen von den kleinen Landbrocken unversehens vom Platz rückte. Ich vermutete, daß auch das Floß aus demselben Grund so langsam vorwärts kam, denn nach dem Rufen zu urteilen – immer vorausgesetzt, daß es Jim war, der da rief – trieb es jetzt kaum schneller, wie ich selbst, dahin.
Nun schien ich wieder im freien Fahrwasser angelangt zu sein, konnte aber mit einemmal gar nichts mehr hören. Denk' ich, Jim ist ganz sicher irgendwo angeprallt und Floß und Jim sind weg und verloren! Ich war so müde und erschöpft, so traurig und mutlos, daß ich mich ruhig in mein Boot legte und bei mir sagte: nun läßt du alles gehen wie's kommt! Schlafen wollte ich eigentlich nicht, aber allmählich fielen mir doch die Augen zu, ohne daß ich's merkte und ich nickte ein.
Aber es muß wohl mehr wie ein bloßes Einnicken gegewesen sein, denn wie ich wieder zu mir selbst kam, war der Nebel weg, die Sterne standen klar am Himmel und ich trieb auf einer ruhigen breiten Wasserfläche still dahin. Erst dachte ich, es sei ein Traum, wußte nicht wo ich war, und als mir allmählich die Erinnerung an alles aufdämmerte, schien es mir, als sei's in voriger Woche gewesen.
Der