dem andern helfen! Na, denn 'mal los, komm', vorwärts, schnell! Haben keine Zeit zu verlieren!«
Sie griffen nach den Rudern, ich auch und als wir ein paarmal ausgezogen hatten, sag' ich:
»Vater wird euch so dankbar sein! Jeder, den ich bis jetzt gebeten habe, mir zu helfen, ist davongelaufen und allein kann ich das Floß nicht ans Land bringen.«
»Na, das ist aber recht scheußlich! Merkwürdig auch! Sag', Jung', was ist denn eigentlich los mit deinem Vater?«
»Nichts – nicht viel – er hat nur – ach, – eigentlich gar nicht viel – gar nichts!«
Sie hielten plötzlich an; wir waren nicht mehr weit vom Floß entfernt. Sagt der eine:
»Junge, du lügst! Was ist los mit deinem Vater? Schnell heraus damit, ohne Flunkern, es ist um so besser für dich!«
»Ich will's ja gestehen, wahrhaftig, ich will's, ihr Leute, aber laßt uns nicht stecken, bitte, bitte! Es sind die – die – ach, wenn ihr nur vorrudern wolltet, dann könnte ich euch die Leine zuwerfen und ihr müßtet gar nicht nahe kommen!«
»Halt' an, John, zurück!« schreit der eine und sie wenden in plötzlicher Hast. »Halt' dich weg, Junge, dort nach rechts! Hol's der Henker, ich glaub' der Wind bläst gerade vom Floß auf uns her! Dein Vater, Junge, hat gewiß die Blattern, und du weißt's auch ganz gut! Warum hast du's nicht ehrlich und offen gesagt, sondern fährst da herum und bringst andre ehrsame Leute in Gefahr?«
»Ach,« stotter' ich und fang an zu schluchzen, »ich hab's ja vorher immer gesagt und da ist jeder weggelaufen!«
»Armer Kerl! Du hast so unrecht nicht. Ja, siehst du, du thust uns leid, aber die Blattern – weißt du, das ist so eine Sache! Komm', ich will dir mal sagen, wie du's anfängst. Zu landen mußt du nicht probieren, das bringst du allein nicht fertig, ohne daß alles zu Schanden geht. Treib' also nur ruhig weiter, noch so ein paar Stunden, bis du nach einer Stadt kommst am linken Ufer. Bis dorthin ist dann die Sonne schon lang herauf und wenn du Hilfe holst, sagst du, deine Leute hätten das Fieber. Sei nicht wieder solch' ein Narr und laß dir's anmerken, was eigentlich los ist. Es würde dir auch gar nichts helfen, da drüben bei dem Licht anzulegen, das ist nur ein Zimmerplatz. Sag' einmal, gelt, dein Vater ist recht arm und jetzt recht schlimm dran? Da – ich leg' dir ein Zwanzig Dollar-Stück auf dies Brett, das fängst du dann auf, wenn's an dir vorbeitreibt. Mir kommt's scheußlich vor, daß wir dich so stecken lassen, armer Kerl, aber die Blattern, siehst du, das ist keine Kleinigkeit!«
»Wart' mal, Parker,« ruft der andre, »da sind auch zwanzig Dollars von mir. Leg's dazu auf's Brett. Na, leb' wohl, Junge, mach's nur, wie der Mr. Parker dir's gesagt hat, dann wird schon alles recht werden!«
»Das denk' ich auch, mein Jung', na, leb' wohl, leb' wohl! Wenn du was von den Niggern siehst, mach', daß du Hilfe kriegst und faß sie ab, da ist Geld dabei zu verdienen, viel Geld!«
»Schönen Dank, ihr Herrn, schönen Dank! Wenn ich die Nigger kriegen kann, soll's mir lieb sein, wollt', 's wär' so, könnt's brauchen und Vater auch!«
Fort waren sie und ich ruderte zum Floß zurück, fühlte mich elend und erbärmlich, wußte wohl, wie unrecht ich gethan, aber bei mir lohnt's sich schon nicht mehr der Mühe, probieren zu wollen, anders und besser zu werden. Das muß man von Kind auf gewöhnt sein, sonst ist man nicht fest genug drin und wenn man einmal in der Klemme sitzt, ist man nicht stark genug, sich herauszuziehen, sondern bleibt allemal drin hängen. Ich hatte eben wieder einmal nicht den Mut gehabt, das Rechte zu thun, wie andre ehrliche, brave Menschen! Dann, denk' ich aber wieder, wenn du nun recht gehandelt hättest und den alten Jim verraten, wär' dir dann wohl jetzt besser zu Mut? Nein, sag' ich, nein, erst recht nicht, dann wär's noch viel schlimmer. Und, denk' ich, was nützt's denn, wenn man versuchen will, besser zu werden und recht zu thun, wenn's einem da nicht anders zu Mut ist, als wenn man unrecht thut? Zudem kostet recht thun Mühe, unrecht thun keine, – der Lohn dafür ist aber doch derselbe. Da saß ich fest! Eine Antwort konnte ich mir hierauf nicht geben. Wollt' mich auch nicht weiter mit plagen, sondern beschloß, in Zukunft immer das zu thun, was mir im Augenblick zuerst in den Sinn käme – recht oder unrecht, einerlei!
Ich ging in die Hütte, Jim war nicht drin, ich stöberte jeden Winkel durch, er war nirgends. Ruf' ich:
»Jim!«
»Hier sein Jim, Huck! Sein Männer ganz weg? Du nix reden laut!«
Er war im Wasser unter dem Steuerruder und guckte nur mit der Nase hervor. Als ich ihm sagte, sie seien schon weit weg, kroch er heraus und kam an Bord. Sagt er:
»Jim alles hören, Huck, alles, un Jim springen in die Wasser, um zu schwimmen an die Land, wenn Männer kommen. Dann Jim wollen schwimmen zurück, wenn Männer sein weg. Aber, Huck, du sie haben wundervoll angeführt! Sein gewesen die beste Streich, die Jim haben gehört all seine Leben! Ach, Herr Jemine, Huck, du haben Jim gerettet, Jim das wohl wissen, du haben Jim wieder gerettet, Jim das nie nix vergessen!«
Dann berieten wir uns über das Geld. Zwanzig Dollars für jeden von uns war nicht bitter! Jim meinte, damit könnten wir Gott weiß wie weit Passage nehmen auf einem Ohio-Boot und behielten gewiß noch ein gutes Teilchen übrig, um drüben in den freien Staaten ein neues Leben zu beginnen. Noch ein paar Stunden weiter auf dem Floß zu bleiben, sagte er, sei nicht lang, aber er wollte doch, sie wären vorüber.
Gegen Tagesanbruch legten wir an und Jim war diesmal ganz besonders drauf bedacht, das Floß gut zu verbergen. Dann beschäftigte er sich den ganzen Tag über damit, unsre Sachen in Bündel zu packen, um zum Verlassen des Floßes fertig zu sein.
Gegen zehn Uhr am andern Abend endlich kamen uns die Lichter einer Stadt am linken Ufer in Sicht.
Ich stieß im Boot ab, um Erkundigungen einzuziehen. Bald fand ich auch einen Mann in einem Nachen, der eine Leine auswarf.
»Ist das Kairo dort?« frag' ich.
»Kairo? Nein. Ich glaub', du bist nicht recht gescheit!«
»Wie heißt denn die Stadt?«
»Wenn du's wissen willst, geh' hin und frag'! Wenn du noch eine Minute lang mir hier die Fische verjagst mit deinem dummen Gefrag', geb' ich dir was, nach dem du nicht verlangt hast!«
Ich also wieder zum Floß zurück. Jim war schrecklich enttäuscht, ich aber tröstete ihn und meinte, Kairo käme gewiß jetzt erst.
Vor Tagesanbruch noch kamen wir an einer andern Stadt vorbei und ich wollte eben hin und fragen, da sagte Jim, die Ufer seien zu steil hier, Kairo liege flach, das wisse er; so blieb ich denn. Wieder bargen wir unser Floß für den Tag und mir dämmerte allmählich eine Ahnung, Jim desgleichen. Sag' ich:
»Jim, ich glaub', wir sind am Ende an Kairo vorübergefahren, damals im Nebel, weißt du noch?«
Antwortet er:
»Wir nix wollen reden mehr davon. Arme Nigger können nix haben Glück! Jim immer denken, Schlangenhaut von Insel hören noch nix auf zu bringen Unglück!«
»Wollt', ich hätt' die verd – Haut nie gesehen, Jim, wahrhaftig, ich wollt's!«
»Sein nix deine Schuld, Huck, du nix konnten wissen von Schlangenhaut-Unglück!«
Als es Morgen ward, sahen wir deutlich, wie sich das klare Ohio-Wasser mit dem schmutzigen Gelb des Mississippi mengte. Das war also aus und vorbei, war verpaßt, soviel war sicher! An ein Zurückgehen, ein Stromaufwärtsfahren mit dem Floß war nicht zu denken, es blieb uns nur übrig, unser Heil in dem Boot zu probieren. Im Augenblick ließ sich nichts andres thun, als die Nacht abzuwarten. So schliefen wir denn den ganzen Tag im Weidendickicht, um uns für's Kommende zu stärken und als wir gegen Abend zum Floß gingen, war das Boot, unsre letzte Hoffnung – fort! Losgerissen, fortgeschwemmt von der Strömung!
Lange, lange sagten wir kein Wort,