du mich in Gold fassen ließest und sag' ich –«
Nun fiel ich ein:
»Ach, ach, meine Leute werden gar nicht wissen, was sie thun sollen und –«
»Wer wird's nicht wissen?«
»Ei, der Vater und die Mutter und die Schwester und Miß Hooker. Ach, guter Herr, wenn sie doch ihr Boot nehmen wollten und hingehen und –«
»Wohin? Wo sind sie denn?«
»Auf dem Wrack!«
»Auf welchem Wrack!«
»Ach, es ist ja nur eins da!«
»Was, du willst doch nicht sagen, auf dem ›Walter Scott‹?«
»Ja! Dort!«
»Großer Gott! Was ums Himmels Willen thun sie denn da?«
»Nun freiwillig sind sie nicht hingegangen!«
»Das glaub' ich wohl! Herr des Himmels, da sind sie ja einfach verloren, wenn sie nicht machen, daß sie schleunigst wegkommen. Wie in Gottesnamen sind sie denn eigentlich da hingeraten?«
»Sehr einfach! Miß Hooker war zu Besuch dort in der Stadt –«
»Booths Landing meinst du – weiter!«
»Also sie war zu Besuch in Booths Landing und gegen Abend wollte sie dann weg von dort und noch eine Freundin besuchen, um da zu übernachten, ein Fräulein – ach, ich hab' den Namen vergessen. Und mitsamt ihrer alten Niggerfrau ließ sie sich in der Fähre übersetzen und da verloren sie das Steuerruder mitten auf dem Wasser und wurden nun fortgerissen von den Wellen und gegen das Wrack geschleudert und Fähre und Fährmann und die Niggerfrau, alles war verloren. Nur Miß Hooker erwischte etwas vom Schiff, woran sie sich halten konnte und rettete sich so auf Deck. Gut also! Vielleicht eine Viertelstunde später kamen wir denn in unsrem Boot flußabwärts, vom Markt heim; es war so stichdunkel, daß wir das Wrack nicht eher sahen, als bis wir mit der Nase drauf stießen und es zu spät war. Das Boot war natürlich zum Kuckuck, aber retten thaten wir uns alle, nur Bill Whipple – der ertrank – ach und der war der beste Kerl von der Welt, wahrhaftig, ich hätt' beinahe lieber all das Wasser selbst geschluckt, – das hätt' ich, meiner Seel' –«
»Herr, du mein Gott, das ist gewiß und wahrhaftig die merkwürdigste Geschichte, die ich je gehört! Na und dann? Was habt ihr dann gethan?«
»Nun, wir riefen und schrieen natürlich und waren wie toll; aber es ist so weit da draußen, da konnte uns gar niemand hören. Sagt' mein Alter: das nutzt alles nichts, einer von uns muß sehen, wie er ans Land kommt und Hilfe schafft. Gut also! Ich war der einzige, der schwimmen konnte, so mußte ich denn 'ran und mein Heil probieren. Kein langes Zaudern also! Ich denn 'rein und los. Miß Hooker rief mir nach, wenn ich nicht früher Hilfe fände, so solle ich nur machen, daß ich hierher käme zu ihrem Onkel, der werde schon Rat wissen. So schwimm' ich denn drauf los und komme auch richtig ans Land, vielleicht eine Stunde weiter da unten, aber wo ich auch anklopfe und meine Geschichte erzähle, alle weisen mich ab. ›Was‹, sagen sie, ›in der schrecklichen Nacht? Nein, mein Junge, das wäre Unsinn, da such' du sonst jemand – mach', daß du zur Dampf-Fähre kommst, wenn einer, so wird dir der dort helfen!‹ Und da bin ich, und – ach, wenn Sie doch wirklich gehen wollten und sehen und –«
»Meiner Seel', das will ich, will's gern thun, aber – sag' mal, weißt du, ganz umsonst kann ich's nicht, wie steht's denn mit – na, du weißt, was ich sagen will, wer wird mir's denn vergüten? Glaubst du, dein Vater kann –«
»Ach, darüber machen Sie sich keine Angst, das ist alles in Ordnung. Miß Hooker sagte noch ganz extra, ihr Onkel Hornback –«
»Was – der ist ihr Onkel? Paß mal auf, was ich dir sage, – siehst du dort das Licht? Gut, also, darauf gehst du los und wenn du hinkommst, fragst du in der Wirtschaft nach Jim Hornback. Die werden dich dann zurecht weisen, aber eil' dich und halt dich nicht auf unterwegs, denn der wird's schnell wissen wollen. Und sag' ihm, ich wolle ihm seine Nichte bringen, heil und ganz, eh' er noch selbst zur Stadt kommen könne, er soll sich ja nicht ängstigen und – aber mach' doch, daß du fortkommst, Schlingel, – steht da und sperrt das Maul auf, statt den Weg unter die Füße zu nehmen! Vorwärts, ich werd' gleich abstoßen!«
Ich also thu', als ob ich dem gewiesenen Licht zurenne, kaum bin ich aber außer Hör- und Sehweite, schleich' ich in großem Bogen zurück, bis dahin, wo ich mein Boot versteckt, mach' dieses flott und lass' mich nun leise am Ufer hintreiben, verberg' mich dann zwischen ein paar Holzschiffen, denn ich mußte sehen, ob der Mann wirklich Ernst mache. Im Ganzen war ich sehr mit mir zufrieden, denn, denk' ich, viele hätten sich nicht so viel Mühe gemacht wegen der alten Diebsbande, sondern die ruhig Wasser schlucken lassen, bis sie genug gehabt – und verdient hätten sie's auch, die Kerle! Ich wollte, die Witwe hätte die Geschichte gehört, die hätte gewiß geweint vor Rührung über meine Großmut gegen die Schurken, denn merkwürdig, für Mörder und dergleichen Lumpengesindel hatte sie wie andere gute Seelen immer die größte Teilnahme.
Jetzt seh' ich, wie sich die Fähre richtig in Bewegung setzt, ich also 'raus aus meinem Versteck und flink drauf los gerudert, um zuerst an Ort und Stelle zu sein. Da erhebt sich auch schon das Wrack aus den Wellen, ganz geisterhaft dunkel und schwarz. Aber es sinkt rasch und zusehends, ist schon beinahe ganz mit Wasser gefüllt. Viel Spielraum, um frische Luft zu schöpfen, hatten die Kerle drin nicht mehr, – so viel war klar. Ich rudre denn ein bißchen näher drauf los, versuch' auch, die Burschen, falls sie überhaupt noch existierten, schwach anzurufen, krieg' aber keine Antwort und denk': wollt ihr nicht, so will ich erst recht nicht!
Jetzt kommt auch schon die Fähre mit voller Kraft angedampft. Ich halt' nun nach der Mitte des Stroms zu und zieh' außer Hörweite die Ruder ein, um alles sehen und beobachten zu können. Die Fähre dampfte und schnüffelte um das Wrack herum, suchte nach Miß Hookers irdischen Resten, zum Trost des armen, seiner geliebten Nichte beraubten Onkels Hornback, konnte aber offenbar nichts entdecken und, da das Wrack von Minute zu Minute erschreckend rasch tiefer und immer tiefer sank, gab sie schließlich den Versuch nach kurzem ganz auf und dampfte dem Ufer zu. Ich aber zog nun gewaltig aus, den Fluß hinunter.
Schrecklich lang kam es mir vor, ehe ich Jims Licht entdeckte und als es endlich, endlich in Sicht kam, schien mir's noch wenigstens tausend Meilen entfernt. Als ich schließlich glücklich anlangte, dämmerte schon der Tag herauf im Osten. Wir hielten also auf eine kleine Insel zu, verbargen unser Floß, bohrten das vom Wrack mitgenommene Boot an, daß es sank, krochen in unsre Hütte und schliefen wie die Toten den Schlaf der Gerechten.
–
Vierzehntes Kapitel
Gelehrte Unterhaltungen. – Der Harem. – Französisch.
Als wir uns allmählich aus unserm schweren Schlaf herausrappelten und wieder munter wurden, untersuchten wir die Beute, die wir den Kerlen vom Schiff abgejagt und fanden herrliche Dinge drunter. Stiefel, wollne Decken, Kleider, viele Bücher, ein Fernglas zwei Kistchen ›Ziehgarren‹ und sonst noch eine ganze Masse Brauchbares. So reich waren wir noch nie zuvor gewesen, keiner in seinem Leben! Die ›Ziehgarren‹ besonders waren wundervoll, echte ›Harrwanna‹ oder wie sie die Dinger heißen. Wir lagen den ganzen Nachmittag unter den Bäumen, dampften und ich las dazu in den Büchern, es war ganz herrlich schön! Ich erzählte nun Jim alles, was ich in dem Wrack und auf der Fähre erlebt hatte und wie das nun einmal doch ein ordentliches Abenteuer gewesen sei. Er aber wollte nichts von Abenteuern wissen, dankte dafür! Sagte, er sei so schon halb tot gewesen, als er das Floß nicht mehr habe finden können, habe geglaubt, nun sei alles aus, so oder so. Entweder müsse er ertrinken und sei verloren; oder werde er gerettet, so würde er ausgeliefert und verkauft und