Гарриет Бичер-Стоу

Die 15 beliebtesten Kinderbücher in einem Band (Illustriert)


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ermahnend: »Nun müßt ihr artig vorauslaufen, aber dann nicht immer wiederkommen und mich drängen und stoßen. Ich muß jetzt ein wenig mit dem Herrn Doktor gehen.« Dann klopfte es dem Schneehöppli, das sich immer am nächsten zu ihm hielt, zärtlich auf den Rücken und ermahnte es noch besonders, nun recht folgsam zu sein. Dann arbeitete es sich aus dem Rudel heraus und ging nun neben dem Herrn Doktor her, der es gleich bei der Hand faßte und festhielt. Er mußte jetzt nicht mit Mühe nach einem Gespräch suchen wie vorher, denn das Heidi fing gleich an und hatte ihm so viel zu erzählen von den Geißen und ihren merkwürdigen Einfällen und von den Blumen oben und den Felsen und Vögeln, daß die Zeit unvermerkt dahinging und sie ganz unerwartet oben auf der Weide anlangten. Der Peter hatte im Hinaufgehen öfters seitwärts auf den Herrn Doktor Blicke geworfen, die diesem einen rechten Schrecken hätten beibringen können; er sah sie aber glücklicherweise nicht.

      Oben angelangt, führte das Heidi seinen guten Freund gleich auf die schönste Stelle, wohin es immer ging und sich auf den Boden setzte und umherschaute, denn da gefiel es ihm am besten. Es tat, wie es gewohnt war, und der Herr Doktor ließ sich gleich auch neben Heidi auf den sonnigen Weideboden nieder. Ringsum leuchtete der goldene Herbsttag über die Höhen und das weite grüne Tal. Von den unteren Alpen tönten überall die Herdenglocken herauf, so lieblich und wohltuend, als ob sie weit und breit den Frieden einläuteten. Auf dem großen Schneefelde drüben blitzten funkelnd und flimmernd goldene Sonnenstrahlen hin und her, und der graue Falknis hob seine Felsentürme in alter Majestät hoch in den dunkelblauen Himmel hinauf. Der Morgenwind wehte leise und wonnig über die Alp und bewegte nur sachte die letzten blauen Glockenblümchen, die noch übriggeblieben waren von der großen Schar des Sommers und nun noch wohlig ihre Köpfchen im warmen Sonnenscheine wiegten. Obenhin flog der große Raubvogel in weiten Bogen umher, aber er krächzte heute nicht. Mit ausgebreiteten Flügeln schwamm er ruhig durch die Bläue und ließ sich's wohl sein. Das Heidi guckte dahin und dorthin. Die lustig nickenden Blumen, der blaue Himmel, der fröhliche Sonnenschein, der vergnügte Vogel in den Lüften, alles war so schön, so schön! Heidis Augen funkelten vor Wonne. Nun schaute es nach seinem Freunde, ob er auch alles recht sehe, was so schön war. Der Herr Doktor hatte bis jetzt still und gedankenvoll um sich geblickt. Wie er nun den freudeglänzenden Augen des Kindes begegnete, sagte er:

      »Ja, Heidi, es könnte schön sein hier, aber was meinst du? Wenn einer ein trauriges Herz hierher brächte, wie müßte er es wohl machen, daß er an all dem Schönen sich freuen könnte?«

      »Oh, oh!« rief das Heidi ganz fröhlich aus. »Hier hat man gar nie ein trauriges Herz, nur in Frankfurt.«

      Der Herr Doktor lächelte ein wenig, aber das ging schnell vorüber. Dann sagte er wieder: »Und wenn einer käme und alles Traurige aus Frankfurt mit hier heraufbrächte, Heidi; weißt du da auch noch etwas, das ihm helfen könnte?«

      »Man muß nur alles dem lieben Gott sagen, wenn man gar nicht mehr weiß, was machen«, sagte das Heidi ganz zuversichtlich.

      »Ja, das ist schon ein guter Gedanke, Kind«, bemerkte der Herr Doktor. »Wenn es aber von ihm selbst kommt, was so ganz traurig und elend macht, was kann man da dem lieben Gott sagen?«

      Das Heidi mußte nachdenken, was dann zu machen sei; es war aber ganz zuversichtlich, daß man für alle Traurigkeit eine Hilfe vom lieben Gott erhalten könne. Es suchte seine Antwort in seinen eigenen Erlebnissen.

      »Dann muß man warten«, sagte es nach einer Weile mit Sicherheit, »und nur immer denken: jetzt weiß der liebe Gott schon etwas Freudiges, das dann nachher aus dem anderen kommt, man muß nur noch ein wenig still sein und nicht fortlaufen. Dann kommt auf einmal alles so, daß man ganz gut sehen kann, der liebe Gott hatte die ganze Zeit nur etwas Gutes im Sinn gehabt; aber weil man das vorher noch nicht so sehen kann, sondern immer nur das furchtbar Traurige, so denkt man, es bleibe dann immer so.«

      »Das ist ein schöner Glaube, den mußt du festhalten, Heidi«, sagte der Herr Doktor. Eine Weile schaute er schweigend auf die mächtigen Felsenberge hinüber und in das sonnenleuchtende grüne Tal hinab, dann sagte er wieder:

      »Siehst du, Heidi, es könnte einer hier sitzen, der einen großen Schatten auf den Augen hätte, so daß er das Schöne gar nicht aufnehmen könnte, das ihn hier umgibt. Dann möchte doch wohl das Herz traurig werden hier, doppelt traurig, wo es so schön sein könnte. Kannst du das verstehen?«

      Jetzt schoß dem Heidi etwas Schmerzliches in sein frohes Herz. Der große Schatten auf den Augen brachte ihm die Großmutter in Erinnerung, die ja nie mehr die helle Sonne und all das Schöne hier oben sehen konnte. Das war ein Leid in Heidis Herzen, das immer neu erwachte, sobald die Sache ihm wieder ins Bewußtsein kam. Es schwieg eine Weile ganz still, denn das Weh hatte es so mitten in die Freude hineingetroffen. Dann sagte es ernsthaft:

      »Ja, das kann ich schon verstehen. Aber ich weiß etwas: Dann muß man die Lieder der Großmutter sagen, die machen einem wieder ein wenig helle und manchmal so hell, daß man ganz fröhlich wird. Das hat die Großmutter gesagt.«

      »Welche Lieder, Heidi?« fragte der Herr Doktor.

      »Ich kann nur das von der Sonne und dem schönen Garten und noch von dem andern langen die Verse, die der Großmutter lieb sind, denn die muß ich immer dreimal lesen«, erwiderte das Heidi.

      »So sag mir einmal diese Verse, die möchte ich auch hören«, und der Herr Doktor setzte sich zurecht, um aufmerksam zuzuhören.

      Heidi legte seine Hände ineinander und besann sich noch ein Weilchen:

      »Soll ich dort anfangen, wo die Großmutter sagt, daß einem wieder eine Zuversicht ins Herz kommt?«

      Der Herr Doktor nickte bejahend.

      Jetzt begann Heidi:

      »Ihn, ihn laß tun und walten,

      Er ist ein weiser Fürst

      Und wird es so gestalten,

      Daß du dich wundern wirst,

      Wenn er, wie ihm gebühret,

      Mit wunderbarem Rat

      Das Werk hinausgeführet,

      Das dich bekümmert hat.

      Er wird zwar eine Weile

      Mit seinem Trost verziehn

      Und tun an seinem Teile,

      Als hätt' in seinem Sinn

      Er deiner sich begeben,

      Als sollt'st du für und für

      In Angst und Nöten schweben,

      Als fragt' er nichts nach dir.

      Wird's aber sich begeben,

      Daß du ihm treu verbleibst,

      So wird er dich erheben,

      Da du's am mind'sten gläubst.

      Er wird dein Herz erlösen

      Von der so schweren Last,

      Die du zu keinem Bösen

      Bisher getragen hast.«

      Heidi hielt plötzlich inne, es war nicht sicher, daß der Herr Doktor auch noch zuhöre. Er hatte die Hand über seine Augen gebreitet und saß unbeweglich da. Es dachte, er sei vielleicht ein wenig eingeschlafen; wenn er dann wieder erwachte und noch mehr Verse hören wollte, würde er es schon sagen. Jetzt war alles still. Der Herr Doktor sagte nichts, aber er schlief doch nicht. Er war in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt. Da stand er als ein kleiner Junge neben dem Sessel seiner lieben Mutter; die hatte ihren Arm um seinen Hals gelegt und sagte ihm das Lied vor, das er eben von Heidi hörte und das er so lange nicht mehr vernommen hatte. Jetzt hörte er die Stimme seiner Mutter wieder und sah ihre guten Augen so liebevoll auf ihm ruhen, und als die Worte des Liedes verklungen waren, hörte er die freundliche Stimme noch andere Worte zu ihm sprechen. Die mußte er gern hören und ihnen weit nachgehen in seinen Gedanken, denn noch lange Zeit saß er so da, das Gesicht in seine Hand gelegt, schweigend und regungslos. Als er sich endlich aufrichtete, sah er, wie das Heidi in Verwunderung