Ida Pfeiffer

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke


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Gott, dieß wäre überall so. Wie mancher Teufel würde wenigstens kein armer seyn und wie viele blieben bei ihrer hellen Vernunft. Unweit der Osmanije-Moschee ist der

      Sklaven-Markt.

      Ich betrat ihn mit Herzklopfen, und bedauerte schon im voraus diese armen Geschöpfe. Wie erfreut war ich daher, sie nicht halb so traurig und verwahrlost zu finden, wie wir Europäer uns gewöhnlich vorstellen. Überall sah ich freundlich lächelnde Gesichter, aus deren Grimassen und Bewegungen man deutlich schließen konnte, daß sie über jeden Fremden ihre Glossen und Bemerkungen machten.

      In einem großen Hofe laufen ringsherum kleine Kammern, in welchen die Sklaven wohnen. Bei Tage können sie im Hofe herumspazieren, sich gegenseitig besuchen und schwätzen nach Belieben.

      Auf so einem Markte sieht man natürlich alle Farben-Abstufungen, von Lichtbraun bis ins Rabenschwarze. Die Weißen und ausgezeichnet schönen Schwarzen sind nicht dem Auge jedes Fremden preisgegeben. Sie werden besonders in den Wohnungen der Seelenverkäufer verwahrt. Die Bekleidung dieser Leute ist höchst einfach. Entweder haben sie nur ein großes Tuch, in welches sie sich einhüllen, oder sonst ein Stück von einer einfachen Kleidung, das den Körper nothdürftig bedeckt, und selbst dieses müssen sie ablegen, wenn ein Käufer erscheint. So lange sie in den Händen der Mäckler sind, werden sie freilich nicht am besten gehalten, sie sehen daher auch mit wahrer Freude dem Augenblicke entgegen, wo ihnen das Loos einen Herrn bestimmt. Dann ist ihr Schicksal gewöhnlich erträglich. Sie nehmen immer die Religion ihrer Herrschaft an, werden mit Arbeit nicht überhäuft, sind gut gekleidet und genährt, und werden nicht mißhandelt. — Auch Europäer kaufen Sklaven, dürfen sie aber nicht als solche betrachten und behandeln; von dem Augenblicke, als ein Sklave von einem Franken gekauft ist, erhält er seine Freyheit. Sie bleiben aber gewöhnlich bei ihrem Kaufherrn.

      Das alte Serail ist natürlich für uns Europäer ein höchst anziehender Punkt. Mit der gespanntesten Neugierde begab ich mich dahin, um — abermal wieder viel weniger zu sehen und zu finden, als ich gehofft hatte. Das Ganze zwar ist ungemein großartig; manche kleine Stadt wird nicht so viel Raum einnehmen, wie dieser Ort: eine Menge von Häusern und Gebäuden, Kiosk's und Sommersitzen, Erstere umgeben von Platanen und Cypressen, Letztere in Gärten und Bosketten halb verborgen, — aber alles ohne Symmetrie und Geschmack. Ich sah etwas vom Garten, betrat den ersten und zweiten Hof und blickte sogar in den dritten. In den beiden letzteren Höfen zeichnen sich die Gebäude besonders durch viele Kuppeln aus. Ich sah einige Zimmer und Säle, welche mit lauter europäischen Erzeugnissen, mit Möbeln, Uhren, Spielkästen, Vasen u.s.w. überladen waren. Meine Erwartung war bald enttäuscht! —

      Der Ort, wo einst die Köpfe der in Ungnade gefallenen Pascha's aufgesteckt wurden, befindet sich im dritten Hofe, aber, Gott sei Dank, abgehauene Köpfe sieht man nicht mehr an den Pfählen stecken.

      In den kaiserlichen Harem war ich nicht so glücklich zu kommen, ich hatte zu wenig Verbindungen. Doch gelang es mir in der Folge meiner Reise, einige Harems besuchen zu können.

      Der Hippodrom

      Der schönste und größte Platz in Konstantinopel ist der Hippodrom. Er ist nach jenem in Cairo und Padua der größte, den ich sah. Zwei Obelisken von röthlichem Granit, mit Hieroglyphen überladen, sind die einzige Zierde dieses Platzes. Die ihn umgebenden Häuser sind, wie überall, von Holz und mit verschiedenen Ölfarben angestrichen. Ich sah hier eine Menge recht niedlicher Kinderwägen, die von Menschen gezogen wurden. Gar viele Ältern versammeln sich auf diesem Platze, um ihre Kinder so spazieren fahren zu lassen.

      Unweit des Hippodrom's sind die ungeheuren Cisternen, mit den 1001 Säulen. Einst mag dieser großartige Bau einen wundervollen Anblick geboten haben. Jetzt — führt eine erbärmliche, höchst beschädigte hölzerne Treppe von fünf und dreißig bis vierzig Stufen in die Tiefe einer der Cisternen, deren Decke von dreihundert Säulen getragen wird, die aber nicht mehr mit Wasser gefüllt ist, sondern Seidenspinnern zur Werkstätte dient. Zu diesem Zwecke ist dieses Lokal aber auch wie geschaffen, es erhält das Licht von oben, und ist im Sommer ein kühler, im Winter ein warmer Aufenthalt. In die tieferen Stöcke kann man nicht mehr dringen, weil sie größtentheils verschüttet oder mit Wasser gefüllt sind.

      Die Justinianische und Valentinianische Wasserleitung, welche sich auch in der Stadt befinden, sind unermeßliche Werke. Sie ziehen sich von Belgrad bis über die süßen Wässer, eine Strecke von sieben Stunden, und versehen ganz Konstantinopel hinlänglich mit Wasser.

      Kaffeehäuser. — Mährchenerzähler.

      Bevor ich der Stadt Konstantinopel für dieß Mal Lebewohl sagte und nach Pera zurück wanderte, ersuchte ich meinen Begleiter, mich in einige Kaffeehäuser zu führen, um auch da das eigenthümliche Leben der Türken kennen zu lernen. Einen Vorgeschmack solcher Lokale bekam ich zwar schon in Giurgewo und Gallatz, allein in dieser Kaiserstadt dachte ich sie mir ein Bischen netter und schöner. Der Eintritt in das erste benahm mir aber sogleich diesen Wahn. Eine elende, schmutzige Stube, in welcher Türken, Griechen, Armenier u. A. auf hölzernen Divanen, mit kreuzweis unterschlagenen Beinen, saßen, rauchten und Kaffee tranken, war das Ganze, was sich meinem Blicke darbot. In einem zweiten sah ich mit großem Eckel, wie die Kaffeebude zugleich eine Barbierstube vorstellte; auf der einen Seite wurde Kaffee servirt, auf der andern rasirte man gerade den Kopf eines Türken. Selbst Aderlässe sollen in diesen Buden Statt finden.

      In einem etwas bessern Kaffeehause fanden wir einen sogenannten Mährchenerzähler. Da sitzen die Zuhörer im Halbkreise, vorne steht der Erzähler. Ganz gelassen fängt er seine Geschichten aus „Tausend und eine Nacht" an, doch mit der Fortsetzung steigt seine Begeisterung, und am Ende fällt er in ein Schreien und Agnen, trotz dem besten öoulissenreißer einer wandernden Bühne.

      Scherbet wird nicht in allen Kaffeehäusern gereicht; man findet aber überall Buden und Ständchen, wo dieses kühlende, schmackhafte Getränk zu bekommen ist. Es besteht aus Abgüssen von Obstsäften, gemischt mit Citronen- und Pomeranzensaft. Gefrornes bekommt man nur in Pera, im fränkischen Kaffeehaus oder bei dem fränkischen Zuckerbäcker. Den Kaffee müssen die Kaffeesieder Alle gebrannt und gestoßen von der Regierung nehmen, dieser Artikel ist ein kaiserliches Monopol. Es besteht auch zu diesem Zwecke ein eigenes Gebäude in Konstantinopel, wo der Kaffee durch Maschinen pulverisirt wird. Der Kaffee wird allgemein sammt dem Bodensatz und sehr stark gemacht, getrunken, woran ich mich nicht gewöhnen konnte.

      Ungemein lohnend ist ein Ausflug nach Ejub, der größten Vorstadt Konstantinopels und zugleich dem Orte, wo sich die reichsten und vornehmsten Türken begraben lassen.

      Ejub, der Fahnenträger Mohammeds, ruht hier in einer der schönsten Moscheen, die ganz von weißem Marmor erbaut ist. Kein anderer Glaubensgenosse, als der Muselmann, darf dieses Heiligthum betreten. Von Außen kann man jedoch durch die Fenster, die hoch und breit sind, und beinahe bis an den Boden reichen, sehr gut hinein sehen. Im Saale steht der Katafalk mit einer reich in Gold gestickten Decke und mit fünf oder sechs echten Shawls überlegt. An der Stelle, wo der Kopf ruht, liegt ein schön gewundener Turban, ebenfalls von echten Shawls. Um den Hauptkatafalk stehen noch mehrere andere, in welchen seine Gemalinnen, Kinder oder nächsten Verwandten ruhen. Hart an der Mosche befindet sich ein wunderschöner Brunnen von weißem Marmor, mit einem eisernen, aber vergoldeten Geländer umgeben, an welchem zwölf glänzend reine, messingene Trinkschalen stehen. Ein Türke hat eigens den Dienst, selbe den Vorübergehenden zu reichen. Ein geschnörkeltes Gärtchen zieht sich hinter der Moschee entlang. Auf dieselbe Art, wie die Moschee Ejubs, sind auch alle jene gebauten welchen die Sultane liegen, nur liegt auf dem Katafalk, statt des Turbans, eln schöner Feß mit dem Reiher. DieMoschee, in welcher der letztverstorbene Kaiser Mahmud der Zweite liegt, gehört zu den schönsten.

      In Ejub sieht man viele der kostbarsten Monumente, welche mit reich vergoldeten, geflochtenen Eisengittern, auf deren Zacken der Halbmond glänzt, umgeben sind. Diese Gitter sind außerordentlich hoch und bilden eine Wölbung, unter welcher ein steinerner Sarkophag steht, der mit Rosen und kleinen Cvpressenbäumen, an welchen sich Epheu und Myrten winden, umpflanzt ist. Man würde sich aber sehr irren, wenn man dächte, daß nur der